Otto von Freising (ca. 1112 - 1158)

Unterschrift Otto's von Freisingen unter eine Urkunde vom 27.9.1146Die geschichtsphilosophisch herausragende Figur des Mittelalters war der österreichische Reichsbischof Otto von Freising.

Otto wurde als fünfter Sohn des Markgrafen Leopold III. von Österreich und der Agnes, Tochter Kaiser Heinrichs IV., um 1112 geboren. Er war somit Bruder des Erzbischofs Konrad II. von Salzburg, Halbbruder König Konrads III., Enkel Kaiser Heinrichs IV. und Onkel Kaiser Friedrich Barbarossas.

Seine erste Ausbildung erhielt er im Chorherrenstift Klosterneuburg, das sein Vater 1114 gegründet hatte. Im Jahre 1126 wurde er von diesem zum Propst des Stiftes ernannt. Noch im gleichen oder im nächsten Jahr begab sich Otto zu Studien nach Frankreich, vor allem nach Paris, wo er sechs Jahre verbrachte. Damals hörte er Peter Abaelard, Hugo von Saint-Viktor und Gilbert de la Porrée.

Im Jahre 1132 trat er mit einer Anzahl z. T. hochgeborener deutscher Studiengefährten in die Zisterzienserabtei Morimond in der Champagne als Novize ein, zu deren Abt er im Januar 1138 gewählt wurde.

Doch schon im Sommer 1138 erhob ihn König Konrad III. auf den vakanten Freisinger Bischofsstuhl. Als Bischof bemühte sich Otto um eine Reform des religiösen Lebens seiner Diözese, kümmerte sich aber weniger um die Reichspolitik. Ergriffen vom kirchlichen Erneuerungseifer seiner Zeit - er trug als Bischof noch das Mönchskleid - , brachte er den tief gesunkenen religiösen, wissenschaftlichen und kulturellen Zustand des Freisinger Bistums, vor allem auch der Domschule, auf sehr beachtliche Höhe. Er reformierte energisch Ordens- u. Weltklerus, gründete neue Kloster, z. B. Schäftlarn und Schlehdorf 1140, Neustift bei Freising 1141. Merkwürdigerweise waren dies jedoch keine Zisterzienserklöster! Die Freisinger Kirche befreite er von drückender weltlicher Vogtei.

Im Auftrag Konrads III. war er auch diplomatisch tätig: Er unternahm drei Reisen nach Rom. Unter Kaiser Friedrich Barbarossa war er beim Vergleich zwischen Staufern, Welfen und Babenbergern sowie bei der Beilegung des Streites mit Papst Hadrian IV. beteiligt. In den Jahren 1147 bis 1148 nahm er am zweiten Kreuzzug als Heerführer teil uund setzte sich beim Tode Konrads III. tatkräftig für eine Verständigung zwischen Staufern und Welfen ein.

Sein Ideal, auch in der Frömmigkeit, war das Maßhalten. Bernhard von Clairvaux blieb ihm Zeit seines Lebens zuinnerst fremd. In der Geschichte der Philosophie gilt er als einer der ersten, die den neuen Aristoteles nach Deutschland brachten. Von seinem literarischen Schaffen besitzen wir nur Bruchstücke. Verloren gingen seine philosophischen Schriften und seine Korrespondenz. Als Zisterzienser war Otto den religiösen Idealen und der Geisteswelt seiner Epoche aufs engste verbunden, als Geschichtsschreiber schuf er die überragenden Werke der frühstaufischen Historiographie.

Durch seine Verwandschaft mit dem Kaiserhaus wurde ihm eine besondere Einsicht in Geschichte und Politik zuteil, wie sie nur wenigen seiner Zeitgenossen gegeben war. Sein erstes Werk, die Historia de duabus civitatibus, eine Weltgeschichte in 8 Büchern, schrieb er von 1132 bis 1146 und überarbeitete diese nochmals im Jahre 1157. Das Werk wurde Höhepunkt der Geschichtsschreibung im Mittelalter: Es widmete sich der Umformung augustinischer bzw. platonischer Ideen, vor allem der Zweistaatentheorie. Im Mittelpunkt standen die Weltreiche, die wie alle Kultur vom Osten nach dem Westen wanderten und im Imperium Romanum ihre endgültige Gestalt bis zum Weltende fanden. Entscheidend für 0tto war, dass die Ecclesia Christi sich mit dem Imperium Romanum verband und so zur Civitas Dei wurde - Harmonie der geistlichen und weltlichen Gewalt. Damit erfuhr die Civitas Dei im Gegensatz zu der des Heiligen Augustinus eine Verwirklichung auf Erden. Die Bedeutung des Werkes liegt somit in seiner geschichtstheologischen, Augustins Lehre von den zwei Civitates erweiternden Ausrichtung.

Bischof Otto in der Kukulle der Zisterzienser mit einem Bischofsstab, dahinter Notar Rahewin, Ottos Sekretär, ganz hinten der Dom von FreisingIm Jahre 1157 wurde Otto von Kaiser Friedrich Barbarossa offiziell damit beauftragt, die Taten des Kaisers darzustellen. Unter dem Eindruck der hoffnungsvollen Regierung Friedrich Barbarossas begann 0tto um 1156 die Sammlung der Gesta Friderici in zwei Büchern: Buch I behandelte die Zeit von Heinrich IV. bis Konrad III., im Gegensatz zur Anschauung im Chronicon als Zeit der Vorbereitung der kommenden kaiserlichen Machtfülle unter Friedrich Barbarossa dargestellt. Buch II beschrieb Barbarossas Geschichte von 1152 bis 1158. 0tto verwendete hier zum Teil wörtlich, zum Teil auszüglich viele kaiserliche Aktenstücke. Die Gesta sind geschichtsphilosophisch weniger gedankentief, vermitteln aber höchst lebendige Charakteristiken kirchengeschichtlich bedeutsamer Persönlichkeiten, unter anderem von Abaelard und Arnold von Brescia.

Otto konnte sein Werk nicht mehr vollenden. Er starb auf dem Weg zum Generalkapitel nach Cîteaux in seinem vormaligen Kloster Morimond am 22. September 1158.

Fortgesetzt wurden die Gesta bis 1160 von Ottos Sekretär Rahewin und von Otto von St. Blasien. 0tto selbst hinterließ keine selbstbiographischen Notizen. Aber Rahewin zeichnete anschaulich seine edle Persönlichkeit nach.

Welche Haltung nahm Otto von Freisingen gegenüber Abaelard ein, den er während seines Aufenthaltes in Paris persönlich gehört hatte? Wie beschreibt er ihn in seinen Gesta Friderici ?


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