Bernhard von Clairvaux

Kindheit und Jugend

Bernhard von Clairvaux Bild: Bad. Landesmuseum KarlsruheAm 25. Juni 1115 trafen Bernhard und 12 Gefährten im Absinth-Tal, welches einmal zu Clairvaux werden sollte, ein, um dort ein Kloster zu gründen. Dort starb Bernhard im Jahre 1153 - 38 Jahre in der Würde des Abtes. Jeden anderen Ehrentitel in der Kirche hatte er zurückgewiesen, selbst das Bischofsamt. Der tiefere Grund hierfür lag in der mächtigen Bindung an seine Gemeinschaft, auch wenn Bernhard die meiste Zeit seines Lebens außerhalb seiner Abtei verbrachte. Bernhard war zum Zeitpunkt der Gründung von Clairvaux 25 Jahre alt. Er kam von Cîteaux, wo er als Mönch im Jahre 1112 eingetreten war. Im Jahre 1090 war er in Fontaine-les-Dijon, einige Kilometer nördlich von Dijon, geboren worden. Sein Vater war ein Ritter im unteren Rang, seine Mutter, Aleth de Montbard, stammte aus höherem Hause, offen sowohl nach Burgund als auch zur Champagne. Als drittes von 7 Kindern war Bernhard während seiner Kindheit ganz unter dem Einfluss seiner Mutter gestanden, die er dann im Alter von 16 oder 17 Jahren verlor. Bereits zur geistlichen Laufbahn bestimmt, erhielt er eine solide wissenschaftliche Ausbildung - Studium der septem artes - bei den weltlichen Kanonikern von Châtillon-sur-Seine. Gegen 1110 nahm er sich nach einer Vision vor, mit 4 seiner Verwandten und 26 Adeligen in Cîteaux einzutreten. Der Zisterzienserorden war 1098 von Robert von Molesme gegründet worden.

Als einmal Bernhard in der Heiligen Nacht, da unser Herr geboren wurde, in der Kirche auf die Matutin wartete und sich danach sehnte, zu wissen, in welcher Stunde der Nacht Christus geboren worden sei, erschien ihm das Jesuskind, wie wenn es vor seinen Augen nochmals aus dem Leib seiner Mutter geboren würde. Solange Bernhard lebte, glaubte er deshalb, dass dies die Stunde der Geburt des Herrn gewesen sei. Von dieser Stunde an war ihm ein noch tieferer Sinn für jenes Geheimnis geschenkt, und es war ihm gegeben, noch reicher darüber zu sprechen. Deswegen gab er später unter seinen ersten Werken eine berühmte kleine Schrift zum Lob der Mutter und ihres Sohnes heraus, in welcher er jene Stelle des Evangeliums auslegte, in der es heisst: "Der Engel Gabriel wurde von Gott gesandt. (Lk I, 26-38)... Als dann Bernhard am nächsten Tag weiterzog, stellten ihn seine Gefährten bloß, weil er so oft von Räubern geträumt habe, und fragten ihn danach aus. Bernhard aber sagte ihnen: "Diese Nacht hatte ich wirklich unter den Nachstellungen eines Diebes zu leiden, denn die Gastwirtin versuchte, mir den unwiederbringlichen Schatz der Keuschheit zu rauben." Und da er sich nun Gedanken darüber machte, wie gefährlich es doch sei, mit einer Schlange zusammenzuwohnen, begann er, auf Flucht zu sinnen und erwog von nun an, in den Orden der Zisterzienser einzutreten. Als seine Brüder davon erfuhren und ihn mit allen Mitteln an der Ausführung dieses Vorsatzes hindern wollten, da erwies ihm der Herr die große Gnade, dass er selbst vom Eintritt ins Kloster nicht abgehalten werden konnte und er auch seine Brüder und noch viele andere für das klösterliche Leben gewinnen durfte... Legenda Aurea des Jacobus v. Voragine, 13. Jh.

Als dynamischer und selbstsicherer Mensch beabsichtigte Bernhard schon nach kurzer Zeit, die Abtei von Clairvaux zu gründen - in der Champagne, nicht weit von Troyes entfernt. Zu beachten ist der familiäre und gleichzeitig feudale Charakter dieser Gründung. Der Chefbaumeister der Gründung war der Sire von La Ferté, Josbert le Roux, Vetter des Abtes von Clairvaux. Ausserdem stammten sieben der 12 Mönche, die Bernhard begleiten, aus seiner Familie.

Der Anfang ist schwierig

Das Land war trocken, die ersten Behausungen einfach, die Winter streng. Der Bischof von Châlons-sur-Marne, Wilhelm von Champeaux, sicherte ebenso wie der Graf der Champagne seine Unterstützung zu. Bis zum Jahre 1130 widmete sich Bernhard der Entwicklung seines Klosters: man musste roden, aufbauen, ernten, Laienbrüder in den benachbarten Gehöften installieren. Da Bernhard häufig krank war, ruhte er sich bei seinen Brüdern Gérard und Guy von den materiellen Aufgaben aus. Wenn Bernhard auch wenig praktisch veranlagt war, so kann seine Handschrift in der Verwaltung des Klosters unter seiner Leitung nicht übersehen werden: bei der Wahl der Tochterklöster von Clairvaux, in seiner Weigerung, die Klosterherrschaft anders als durch Schenkungen zu mehren, in der strengen Disziplin der Mönche bei Ernährung und Kleidung, in der Ausnutzung der Bauten. Immer versuchte er, den Einfluss des Zisterzienserordens zu vermehren, jedoch unter Bevorzugung seiner Klostergemeinschaft in Clairvaux.

Ein bedeutender Ort in der Region

Anlässlich seiner häufigen Ortswechsel aus politischen Gründen - z. B. nach Italien - unternahm er neue Gründungen. Bei seinem Tode umfasste der Orden von Cîteaux 345 Konvente, von denen 67 wiederum direkt Clairvaux unterstanden. Bernhard intervenierte selbst in Zisterzienserhäusern, die ihm nicht direkt unterstanden: So ließ er 1124 - dank der Abwesenheit von Stephan Harding - seinen eigenen Prior als neuen Abt von Morimond wählen, künftig Schwesterkloster von Clairvaux. In den eigenen Tochterabteien von Clairvaux übte Bernhard - wie er es nannte - seine Verpflichtungen des Besuchs und der Aufsicht aus. Aber nichts entlockte ihm so viele Zornesworte wie der Wechsel eines Klosterbruders nach Cluny. Clairvaux gewann schnell an Stärke und nahm eine steigende Zahl an neuen Brüdern auf. Nach nur 3 Jahren breitete sich die Abtei ihrerseits aus - nämlich mit der Gründung von Trois-Fontaines in der Champagne im Jahre 1118. Es folgten Fontenay in Burgund im Jahre 1119, Foigny in der Picardie im Jahre 1121. Von 1128 an erhielt die Abtei immer größere Schenkungen. Bei einer Stärke von 200 Mönchen und 300 Laienbrüdern konnte das bescheidene Gründungskloster nicht mehr eine solche Menschenmenge beherbergen und machte um 1133 bis 1135 einer Nachfolgeabtei Platz - in größerem Maßstab erbaut und mehr im Osten gelegen.

Die Stellung Bernhards in der Region

Der Graf der Champagne hatte verstanden, warum er Clairvaux begünstigen musste - ökonomisch, da es die Region bereicherte, politisch, da dadurch eine Pufferzone zwischen der Champagne und Burgund geschaffen wurde. Der Ruf der Abtei verbreitete sich ebenso wie der des Abtes, der jedoch mehr und mehr von Clairvaux abwesend war und die Leitung einem Familienmitglied, Gottfried von Roche Janneau, überließ. Dennoch sah sich Bernhard ganz wie ein Hirte: Sein erstes Werk - Über die Grade der Demut und des Stolzes - handelte von der Spiritualität und der klösterlichen Zucht. Es sah sich als Vater und Mutter der Mönche zugleich - er ernährte sie durch die Milch seiner Worte. Dank seiner Wortgewalt wandte er sich an die Brüder, an das Kapitel, um den geistigen Weg zu zeigen, den der Mönch betreten musste - vom Eintritt ins Kloster an bis zur mystischen Vereinigung mit dem Herrn. Er befasste sich mit seinen Mönchen und schrieb auch denen, die Clairvaux verlassen hatten. Er war ein trefflicher Psychologe - Dom Jean Leclerq benutzte sogar das Wort Psychotherapeut.

Warum verließ Bernhard, nachdem er in einen Orden eingetreten war, der die Entrückung anpries, vom Jahre 1130 an den Konvent so oft?

Bernhard widmet sich der Verteidigung der Amtskirche und der Erfüllung der Heiligen Schrift

Die Antwort gab er selbst: Bernhard verspürte in sich den Geist der Sendung (Brief 20), der ihn verpflichtete, in die Welt zu gehen - nicht ohne Herzschmerz (Brief 250). Sein Betätigungsfeld war immens: Er schlichtete Streitigkeiten zwischen den adeligen Herren, er widersetzte sich der Einmischung des Landesherrn, des Königs von Frankreich, in die Angelegenheiten der Kirche. Er unterstützte die ersten Tempelritter. Seine Ausstrahlung nahm beim Schisma, benannt nach Anaklet, noch zu. Gegen den letzteren wählte Bernhard Innozenz II., den er für den besseren Papst hielt. Binnen acht Jahren - von 1130 bis 1138 - kämpfte Bernhard darum, Innozenz ins Amt zu bringen. Es gelang ihm - dank unermüdlicher Reisetätigkeit und zahllosen Interventionen. Nach Zugewinn von Prestige und Einfluss betätigte sich nun Bernhard an allen Fronten: Wo er Spaltungstendenzen in der Kirche bemerkte, sah er sich gezwungen, einzugreifen. Er intervenierte ohne Zögern bei Bischofswahlen, um den Kandidaten durchzubringen, den er für den moralisch besten hielt. Man zählt 17 derartige, meist stürmische Interventionen, wie z.B. in Langres, in den Jahren 1137 und 1138. Er beriet die Prälaten, ermutigte sie, ihre Pflichten zu erfüllen, kritisierte aber auch den Luxus ihres Lebenswandels. Die Anstrengung der städtischen Schulen, die Logik zur Klärung den bedeutendsten Wahrheiten heranzuziehen, beunruhigte ihn sehr - so zum Beispiel, als er sich an die Pariser Studenten wandte (1138-1142), sie sollten ihre Studien nach Clairvaux ausrichten. Wenig später ließ er durch Rom Peter Abaelard und seinen Schüler Arnold von Brescia verurteilen (16. Juli 1141). Seine Unternehmungen waren nicht alle von Erfolg gekrönt. Als er die Ausbreitung der manichäischen Häresie entdeckt, begab er sich im Jahre 1145 ins Languedoc - ein Misserfolg. Im Jahre 1148 versuchte er vergebens, die Verurteilung des Theologen Gilbert de la Porrée zu erreichen. Bernhard setzte sich für einen neuen Kreuzzug ein - für ihn eine Gelegenheit zur Vergebung der Sünden. Er predigte am 31. März 1146 in Vézelay. Im Rheintal entfesselte ein Mönch das Volk gegen die Judengemeinden. Bernhard betrat das Feld und machte den Massakern ein Ende: Für ihn war das Volk der Juden der Träger der Menschwerdung Jesu. Der Zusammenbruch des Kreuzzuges 1147-1149 - er hatte ihn nicht begleitet - berührte ihn sehr. Viele Adelige, die anlässlich des Kreuzzuges bedeutende Schenkungen an Clairvaux gemacht hatten, versuchten nun, diese zurückzubekommen.

Die letzten Tage

Der heilige Bernhard von Clairvaux, Glasgemälde, um 1525, Hohe Domkirche KölnBernhard zog sich nach Clairvaux zurück und beschäftigte sich mit der Heiligen Schrift und der Vollendung seines Werkes. Im Frühjahr 1153 brach er krank nach Metz auf, um dort Frieden zu stiften. Er starb in seiner Abtei am 20. August 1153 im Alter von 63 Jahren. Er wurde vor dem Hauptaltar der Abteikirche bestattet, neben dem Grab des Heiligen Malachias, eines Freundes, gestorben im Jahre 1148. Als er anlässlich der Kanonisierung durch Papst Alexander III. im Jahre 1174 exhumiert wurde, wurde er in einen Marmorsarkophag hinter den Hauptaltar der neuen Abteikirche umgebettet. Sein Schädel kam gegen 1322 in ein Silberreliquiar. Der Leichnam Bernhards verließ in der Folge nach und nach Clairvaux. Die Gebeine wurden immer wieder entnommen - als Geschenke an die Prinzen, die Städte oder Klöster. Nach der Französischen Revolution wurde sein Schädel zerlegt. Was davon übriggeblieben ist, befindet sich heute in Troyes. Was den Leichnam betraf, so wurde er im Jahre 1793 entnommen - Clairvaux war mittlerweile eine Glashütte - und seine Überreste in alle Winde zerstreut: Einige Kirchen der Côte d'Or besitzen etwas davon.

Wie schrieb der Historiker Pierre Riché: Il était dit que Bernard ne resterait pas encore une fois dans son abbaye - man sagte, Bernhard sollte nicht ein einziges Mal in seiner Abtei bleiben.

 

Bernhard und Abaelard

Auszüge aus Adalbert Podlech: Abaelard und Heloïsa oder Die Theologie der Liebe

Die brüderliche Zurechtweisung

Man hat sich oft gefragt, in welchem Verhältnis Abaelard und Bernhard zueinander standen, als den letzteren die Aufforderung Wilhelms von Saint-Thierry erreichte, gegen Abaelard einzuschreiten. Fest steht, dass beide sich persönlich kannten. Mindestens ein Treffen ist belegt. Am 20. Januar 1131 weihte Papst Innozenz II., dem Bernhard kurz zuvor zur Anerkennung durch den französischen und englischen König verholfen hatte, im Kloster Morigny bei Etampes einen Altar zu Ehren des hl. Laurentius. Bernhard begleitete den Papst. Eine erlauchte Gesellschaft fand sich in dem Kloster ein, alte Freunde Abaelards und vielleicht neue: Erzbischof Heinrich Sanglier von Sens, Bischof Gottfried von Chartres und der Kardinalkanzler Haimerich. Abt Petrus Abaelard von Saint-Gildas war aus doppeltem Anlass nach Morigny gekommen: Er erbat vom Papst die Bestätigung des Parakleten für Heloïsa und für sich die Entsendung eines Legaten, der ihm gegen seine aufsässigen bretonischen Mönche helfen sollte. Der Chronist des Klosters Morigny - Thion oder Teulfus - hebt die gleichzeitige Anwesenheit der beiden berühmten Äbte hervor, wenn er Bernhard den Mann nennt, "der zu jener Zeit in Frankreich der hervorragendste Prediger des Wortes Gottes ist", und Abaelard "den Mönch und Abt, und also selbst dem Stande der Mönche angehörend, Leiter der berühmtesten Schulen, zu denen die Studenten aus fast der ganzen Latein sprechenden Welt zusammenströmten".

Irgendwann zwischen den Jahren 1132 und 1136 visitierte Bernhard das Kloster des Parakleten. Als Abaelard kurz darauf im Parakleten weilte, berichtete ihm Heloïsa "mit größter Freude" hiervon, und Abaelard schreibt an Bernhard, erwähnt, dass dessen Besuch lang ersehnt gewesen sei und dass Heloïsa Bernhard "nicht wie einen Menschen, sondern wie einen Engel empfangen habe, der sie und ihre Schwestern mit heiligen Ermahnungen bestärkt habe". Der Grund für Abaelards Schreiben war eine Beanstandung, die Bernhard erhoben hatte. Die Nonnen im Parakleten beteten die vierte Vaterunser-Bitte "Unser himmlisches Brot gib uns heute!" Abaelard gibt eine lange philologische Erklärung hierfür. Dann wird er grundsätzlicher. Gewohnheit allein ist kein Rechtfertigungsgrund für Bestehendes. Übernahme der Tradition, Abänderung oder Aufhebung ist Sache der Gemeinschaft. Das "Corpus Juris Civilis" zitiert er und Augustinus und endet mit der Anweisung des Papstes Gregor des Großen an Bischof Augustinus von Canterbury: "Wenn Du Dich der Gewohnheit widersetzt, denke daran, dass der Herr gesagt hat: 'Ich bin das Leben' und nicht 'Ich bin die Gewohnheit'". Dann geht er zum Angriff über und beschuldigt die Zisterzienser, den neuen Orden, selbst der Neuheiten. Er hält Bernhard die Abweichungen der Liturgie seines Ordens vor. In diese Ausführungen schiebt er unvermittelt einen Satz ein, der wie ein Angriff auf die alte Position Bernhards klingt, der gegen ihn geschrieben hatte: "Wir wollen keinen Streit um die Worte. Neuerungen der Worte jedoch weisen wir entsprechend der apostolischen Lehre zurück", oder wie eine Verteidigung gegen die Angriffe, die Bernhard gegen ihn erheben wird. Abaelard schreibt: "Nicht allgemein die Neuheiten von Worten verbietet der Apostel, sondern nur unheilige und dem Glauben widersprechende." Und dann formuliert er den klassischen Vorwurf gegen jeden Zentralismus, gegen jede Regulierung des geistigen Lebens: "Die Einheitlichkeit in allem ist die Mutter des Überdrusses. " Ob und wie Bernhard auf den Brief geantwortet hat, wissen wir nicht.

Diese Kontakte sind die einzigen, die belegt sind. Dennoch darf man annehmen, dass Bernhard über Abaelard informiert war. Mag man Bernhard glauben oder nicht, wenn er an Wilhelm von Saint-Thierry zurück schreibt, dass er von den gefährlichen Lehren Abaelards nichts gewusst habe. Gelesen hatte er seine Bücher bis dahin sicher nicht. Aber Abaelard war ein berühmter Mann, hatte ein Aufsehen erregendes Leben geführt, stand den politischen Kreisen um den König nahe, deren Tätigkeit Bernhard mit Argwohn beobachtete. Clairvaux war, wie der Briefwechsel Bernhards zeigt, eine Informationszentrale mit Archiv, Notaren und Sekretären. Und hinzu kommt, dass Bernhard mit fast allen wissenschaftlichen Gegnern Abaelards befreundet oder wenigstens gut bekannt war. Sein innigster Freund, wenn auch damals noch nicht Gegner Abaelards, war seit dem Jahre 1115 Abt Wilhelm von Saint-Thierry selbst. Im selben Jahr schon hatte Bernhard Abaelards ersten großen Gegner kennen und lieben gelernt, Bischof Wilhelm von Champeaux. Über viele Jahre pflegten sie einen persönlichen Umgang. Gute Bekannte Bernhards waren auch Alberich von Reims, seit dem Jahre 1136 Erzbischof von Bourges, und Gosvin, Prior zahlreicher Klöster, Abt von Anchin und Bischof von Cambrai und Arras, ein eifriger Reformer. Man darf davon ausgehen, dass Bernhard wusste, gegen wen er antrat, einen Mann, dessen Leben ungeregelt war, dessen einfluss auf die Jugend und in kirchlichen Kreisen ihm unheimlich war, dessen Beziehungen zum königlichen Hof für Bernhard anstößig, im Zeitpunkt seines Angriffes aber wohl nicht mehr gefährlich waren.

Bernhard traf sich mit Wilhelm von Saint-Thierry. Sie dürften die Heillosigkeit der Zeit besprochen haben, die Gefährdung der Jugend und die Quelle der Gefährdung, Abaelards Lehre und Lehrweise. Und sie besprachen die Strategie, das Vorgehen in der causa Christi gegen den Irrlehrer Abaelard.

Als erstes dürfte Bernhard Abaelard einen freundlichen Brief geschrieben haben, als Bruder zum Bruder, als Abt zum Abt. Er lud Abaelard zu einem Gespräch ein, und Abaelard folgte der Einladung. Unter vier Augen trug Bernhard seine Einwände vor und verlangte von Abaelard Korrektur seiner Texte und Änderung der Lehre. "Freundschaftlich und vertraulich" sei die Begegnung gewesen, werden nach der Verurteilung die Bischöfe an den Papst berichten. Abaelard, der seit der Verurteilung von Soissons in ständiger Angst lebte, erneut als Ketzer verurteilt zu werden, dürfte das Gespräch in Angespanntheit, mit Vorsicht und voll Misstrauen durchstanden haben. Gottfried von Auxerre berichtet, dass Abaelard die Verbesserungen zugesagt habe. In dessen Augen dürfte es hauptsächlich um Klarstellungen, um die Verhütung von Missverständnissen gegangen sein. Bernhard sei es, berichtet Gottfried, um die Korrektur von Irrtümern gegangen, "nicht um die Vernichtung des Menschen" Abaelard. Gottfried war damals Schüler Abaelards und wurde noch im selben Jahr Zisterzienser, später Bernhards Notar und einer seiner Biographen. Er kannte also beide Seiten in dem Streit aus eigenem Erlebnis. Und die Versicherung, Bernhard sei es nicht um die Vernichtung des Menschen gegangen, zeigt, dass dieser Vorwurf nahe lag, dass die Beteiligten diese Möglichkeit der Vernichtung spürten. Bald folgte dem ersten Treffen ein weiteres, diesmal vor Zeugen. Auf Seiten Bernhards dürfte Thomas, Mönch der Abtei Morigny bei Etampes, an der Besprechung teilgenommen haben. Diesmal wurden auch die Schüler Abaelards ermahnt, wie die Bischöfe an den Papst schreiben.

Wie und wo die beiden Treffen stattfanden, wissen wir nicht, besonders nicht, wie das zweite Gespräch eingeleitet wurde. Hatte Bernhard schon in der kurzen Zwischenzeit einen Grund, gegenüber den Versicherungen Abaelards skeptisch zu sein, oder gingen sie ihm nicht weit genug? Abaelard war gerade wieder mit der Überarbeitung der "Theologia Scholarium" befasst. Wilhelm von Saint-Thierry und Bernhard hatte die vierte Fassung vorgelegen, in die Abaelard bereits Verbesserungen aufgrund eines Fragenkatalogs eingearbeitet hatte, den ihm Walter von Mortagne vorgelegt hatte, auch er beunruhigt über Lehren Abaelards, von denen er durch dessen Schüler gehört hatte, besonders über die Erlösung und das Verhältnis von Intention und Handlung. Noch eine andere Lehre, die Wilhelm von Saint-Thierry beanstandete, die Lehre vom Heiligen Geist als Weltseele, gab Abaelard damals von sich aus auf. Es ist vielleicht zu scharf formuliert, wenn Arno Borst schreibt: "Man musste Abaelard nur gewähren lassen, er war auf dem besten Wege zu Bernhard", aber der Satz trifft die Situation. Schon vor seinem Aufenthalt in Cluny wurde Abaelard theologisch vorsichtiger, bedenklicher, vielleicht auch er gelegentlich beunruhigt durch das unbekümmerte Auftreten seiner Schüler.

dass auch bei dem zweiten Gespräch genau einzelne Passagen der "Theologia Scholarium" durchgegangen wurden, zeigt folgender Umstand. Wilhelm und Bernhard hatte, wie gesagt, die vierte Fassung vorgelegen, mit den Verbesserungen aufgrund der Einwände Walters von Mortagne. Thomas von Morigny schrieb kurze Zeit darauf eine "Disputatio adversus dogmata Petri Abaelardi", eine "Streitschrift gegen die Lehren des Petrus Abaelardus", eine Schrift, die Abaelard offensichtlich nie kennen lernte oder kennen lernen wollte. In dieser Streitschrift zitiert Thomas die fünfte Fassung der "Theologia Scholarium", die Abaelard erst nach dem Entstehen der Streitschrift fertig gestellt hatte. Dies lässt sich nur so erklären, dass bei dem zweiten Gespräch zwischen Bernhard und Abaelard in Gegenwart von Thomas Abaelard — was ja auch sinnvoll war - seine im Entstehen begriffene neueste Fassung zugrunde legte, und dass sich Thomas davon Notizen machte und, weil er auch durch diese neueste Fassung nicht befriedigt war, dagegen in seiner Streitschrift anging.

Wie auch immer die zweite Begegnung verlief, Abaelard war gewarnt. Ihm war klar, dass Bernhard den ersten Schritt zu einem Häresieverfahren eingeleitet hatte: die brüderliche Zurechtweisung. Jesus hatte angeordnet:

"Wenn dein Bruder sündigt, dann geh zu ihm und weise ihn unter vier Augen zurecht. Hört er auf dich, so hast du deinen Bruder zurück gewonnen. Hört er aber nicht auf dich, dann nimm einen oder zwei Männer mit, denn jede Sache muss durch die Aussage von zwei oder drei Zeugen entschieden werden. Hört er auch auf sie nicht, dann sage es der Gemeinde. Hört er aber auch auf die Gemeinde nicht, dann sei er für dich wie ein Heide oder ein Zöllner." (Matth.18,15-17)

Aus dieser Textstelle war inzwischen ein kirchenrechtliches Lehrzuchtverfahren entwickelt worden, das folgende Verfahrensschritte vorschrieb: brüderliche Zurechtweisung (correctio fraternalis), Feststellung der brüderlichen Zurechtweisung vor Zeugen, die Anzeige vor der Gemeinde (denuntiatio Evangelica}, die Verurteilung durch die Gemeinde - ein Konzil oder den Papst - und der Ausschluss aus der Gemeinde - aus der Kirche -, die Exkommunikation. Abaelard wusste, was ihm bevorstand.

Aber was jetzt geschah, ist nicht eindeutig. Abaelard selbst arbeitete an der Korrektur seiner Schriften weiter, auch seinen mündlichen Vortrag dürfte er geändert haben. Arno Borst meint: "Vermutlich stellte Abaelard bei der Zusammenkunft die nahe liegende Bedingung, dass Bernhard öffentlich nichts mehr gegen ihn unternehme; Bernhard forderte, dass der Professor die verdächtigen Sätze nicht weiter unter seinen Schülern verbreite." Abaelard tat sicher alles, um ein neues Ketzerkonzil gegen sich zu vermeiden. Grenze allerdings seines Nachgebens gegenüber Bernhard war seine Magisterehre.

Seine Studenten hatten von dem Treffen erfahren, ein solches Ereignis ließ sich nicht verheimlichen, und auch über den Anlass und sein Ergebnis dürften Nachrichten, aber auch Gerüchte umgelaufen sein. Genau wurde verfolgt, ob und wie sich der Vortrag Abaelards änderte. Ob Heißsporne am Werk waren, die jetzt besonders Abaelards im mündlichen Vortrag sicher zugespitztere Thesen verbreiteten, ob lediglich Abaelards alte Thesen weiter umliefen, wir wissen es nicht, wir wissen nur, dass Bernhard nicht beruhigt war und dass er auch die Schüler Abaelards verwarnte. Die Bischöfe werden auch dies, die Adhortatio Plurium Scholarium, dem Papst berichten. Abaelard reagierte "am Ende seiner Geduld und gekränkt". Bernhard hatte ihn zum ersten Mal in seiner Magisterehre verletzt. Zudem erfuhr er, dass Hugo Metellus ihn schon beim Papst angezeigt hatte. Dieser hatte nach Rom geschrieben, ohne die Bücher Abaelards gelesen zu haben, offensichtlich allein auf mündliche Informationen Bernhards hin. Die Fronten versteiften sich. Gottfried von Auxerre berichtet, inzwischen auf die Seite Bernhards gewechselt: Petrus wurde durch schlechten Rat beeinflusst, vertraute auf die Kräfte seines Genies (ingenium) und unglücklicherweise besonders auf seine Fähigkeiten in der Diskussion, und so kehrte er sich wieder von seinem gesunden Vorsatz ab.

Welchen Rat Gottfried meint, wissen wir nicht. Die Schüler können es nicht gewesen sein. Vielleicht hatte er an Arnold von Brescia gedacht. Abaelard fühlte sich jedenfalls an die Vereinbarung mit Bernhard nicht mehr gebunden. Er erkannte, dass Nachgeben, Verheimlichen Bernhard nur um den Preis der Kapitulation zufriedenstellen würde. Jetzt wollte Abaelard den Kampf, den Sieg. Er vertraute auf seine eigene Rechtgläubigkeit, auf seine Fähigkeit zur mündlichen Verteidigung, auf seine Freunde in der gallischen Kirche und am königlichen Hof und auf seine Anhänger an der Kurie in Rom. "Kaum jemals besaß ein Professor eine solche Machtstellung" (A. Borst)...

Der öffentliche Angriff in Paris

Bernhard wusste jetzt, dass die Correctio fraternalis, die brüderliche Zurechtweisung, nichts genützt hatte. Für ihn stand damit auch fest, dass Abaelard an seiner gefährlichen Lehre und Lehrweise festhielt. Bernhard wusste auch, dass er einen schweren Gang ging. Da aber "keine Sache Gottes ihm fremd war", das heisst, dass Gottes Sache auch seine, Bernhards Sache war, wie er einst an den Kanzler der römischen Kirche, Haimerich, geschrieben hatte, war Bernhard bereit, diesen Weg zu gehen.

Er erbat und erhielt vom Bischof von Paris, Stephan von Senlis, die Erlaubnis, dort zu predigen. Eine ähnliche Predigt, von der nur Abaelard berichtet, soll vorher schon in Sens stattgefunden haben. Bernhard suchte den unmittelbaren Einfluss auf die Studenten. Vermutlich fand die Predigt in Paris in der bischöflichen Kathedralkirche Notre-Dame statt. Wenn Bernhard predigte, strömten die Menschenmengen herbei. Die hohe Geistlichkeit dürfte anwesend gewesen sein, die Großen des Hofes, die Studenten der Domschule und sicher auch die Studenten der freien Magister von Sainte-Genevieve. Alle hörten gespannt zu und warteten auf ein Wort gegen Abaelard. Bernhard aber beginnt unverfänglich oder leicht ironisch angesichts der vermuteten Erwartung seiner Hörer:

"Das Wort Gottes zu hören, seid Ihr gekommen. Jedenfalls glaube ich das. Einen anderen Grund als diesen scheint es mir jedenfalls für Euer verlangendes Herbeiströmen nicht zu geben. Und so billigen wir Euer Verlangen und freuen uns über Euren lobenswerten Eifer. 'Selig sind nämlich die, die das Wort Gottes hören und befolgen.' (Luk.11,28)"

Über lange Passagen führt Bernhard dann zur Einsicht, dass alles in dieser Welt eitel ist, dass nur die Weltverachtung Heil bringt und dass zu dem Verachtenswerten auch die Meinungen gehören, die man durch Arbeit, durch Studium erwirbt. Hier werden die Studenten zum ersten Mal aufgehört haben, denn Bernhard legt nicht einfach den Prediger Salomon aus, sondern er zitiert einen Satz des Philosophen Boethius aus dessen Schrift "Der Trost der Philosophie". Aber noch bleibt Bernhard allgemein, wenn er auch schon gelegentlich Sätze einstreut, die den Schulbetrieb treffen: "Nicht der Gewinn weltlichen Dienstes bringt Bildung und Gelehrsamkeit, sondern die göttliche Ordnung, nicht das Wissen, sondern nur das Gewissen begreift es." Dann schlägt Bernhard plötzlich zu. Zuerst stellt er die hohe Geistlichkeit bloß, die Abaelard unterstützt, die bei ihm mehr als bei Gott in die Schule gegangen ist. Sein Name aber fällt in der ganzen Predigt nicht. Alle wissen aber jetzt, wovon er spricht:

"Wehe Euch, die Ihr nicht nur den Schlüssel zum Wissen in der Hand haltet, sondern auch den Schlüssel der kirchlichen Autorität... Angemaßt habt Ihr Euch die Schlüssel, nicht empfangen habt Ihr sie... Hat doch unverschämterweise ein Mensch die Stellung der Friedfertigen und den Platz der Kinder Gottes eingenommen, der den Ruf Gottes zur Rückkehr seines Herzens nicht gehört hat, oder wenn er ihn einst gehört hat, seine Ohren verschloss, flüchtend wieder zu seinen (Pergament-)Blättern, auf dass er sich in ihnen versteckte... Geld, nicht Gerechtigkeit erstrebt er, seine Augen blicken nur nach oben, unersättlich hungert er nach Würden, dürstet er nach menschlicher Ehre... Fünf Häupter sind der Hydra schon abgeschlagen, aber unzählige wachsen nach."

Eine doppelte Anspielung auf Abaelard. Seine Einnahmen aus der Lehrtätigkeit dürften nicht gering gewesen sein. Hatte der Mönch sie an den Parakleten weitergeleitet? Unentgeltlich dürfte er nicht gelehrt haben, denn Johannes von Salisbury hebt hervor, dass Arnold von Brescia nach Abaelards Fortgang die Armen umsonst unterrichtet habe. Die Häupter der Hydra beziehen sich auf die Verurteilung in Soissons. Eines nur kann helfen. Die Kleriker - die Studenten - müssen den weltlichen Wissen- schaften abschwören und Christus anhangen.

Rettet Brüder, ich ermahne Euch, rettet Eure Seelen, seid eingedenk des Blutes, das für Euch vergossen wurde, hütet Euch vor der schrecklichen Gefahr, dem Feuer, das den Fehlenden bereitet ist... Flüchtet aus der Mitte Babylons, flüchtet und rettet Eure Seelen. Eilet zu den Stätten der Zuflucht, wo Ihr das Vergangene bereuen, gegenwärtige Gnade erlangen und zukünftige Herrlichkeit erwarten könnt.

Stätten der Zuflucht, urbes refugii, das sind die Klöster und besonders die Zisterzen, die Klöster Bernhards von Clairvaux. Noch am selben Abend bekehrten sich Studenten "von den inhaltslosen Studien zur Pflege der wahren Weisheit", wie Gottfried von Auxerre berichtete. Er war einer dieser bekehrten Studenten.

Die öffentliche Anklage vor dem Papst

Die Predigt änderte an der Situation natürlich nichts. Aber sie war die dramatische Einleitung der öffentlichen Anzeige, der "denuntiatio evangelica". Jetzt konnte Bernhard nicht mehr zurück. In Schreiben an alle zuständigen Instanzen gab er bekannt, dass die brüderliche Zurechtweisung erfolglos verlaufen sei, dass Abaelard wieder Irrlehren verbreite und dass es Aufgabe der Bischöfe und des obersten Bischofs, des Papstes, sei hiergegen vorzugehen. Die zuständigen Instanzen waren der Bischof von Paris, Stephan, der Erzbischof von Sens, Heinrich, und Papst Innozenz II.

Erhalten sind die Briefe nach Rom. Der Brief an den Papst ist ein langer Traktat und versehen mit einer Liste der Irrtümer Abaelards, fortentwickelt aus der Irrtumsliste Wilhelms von Saint-Thierry. Hinzu kam ein offizielles Schreiben an die Bischöfe und Kardinale der Kurie. Da Abaelard an der Kurie Freunde hatte, schickte Bernhard zusätzlich noch Briefe an Einzelempfänger, gewissermaßen persönliche oder private Briefe, an Kardinal Guido von Città di Castello, den Freund und Schüler Abaelards und späteren Papst Coelestin II., an einen uns nicht bekannten Kardinal G. und einen ebenfalls unbekannten Abt.

Der Brief an den Papst versucht zuerst, die Methode Abaelards zu beschreiben, sein wissenschaftliches Ziel, die innere Bewegung Abaelards zu erkennen. Dies gelingt ihm nur durch übertreibende Verächtlichmachung. Hier zeigt sich die tiefe Kluft zwischen monastischer Tradition und beginnender Wissenschaft. Bernhard spürt die Bedrohung; worin das Neue aber liegt, kann er nicht beschreiben, kann er nur als persönliches Fehlverhalten eines Magisters fassen.

"In Franzien ist aus einem alten Magister ein neuer Theologe geworden, der seit seiner Jugend mit der Kunst der Dialektik spielte und nun in den Heiligen Schriften Unheil anrichtet. Schon verurteilte und überholte Lehren, eigene und fremde, wagt er wieder zu vertreten und fügt neue hinzu. Alles weiß er, alles kennt er, was im Himmel droben ist und auf Erden hienieden, alles außer dem einen, dem 'Ich weiss es nicht'. Er hebt seinen Mund zum Himmel und erforscht die Höhe Gottes, er kehrt zur Erde zurück und beschert uns unaussprechliche Worte, die keinem Menschen auszusprechen erlaubt ist. Er ist bereit, für alles einen Vernunftgrund zu liefern, selbst für das, was über alle Vernunft ist, gegen jede Vernunft, ja gegen den Glauben. Was denn widerspricht mehr der Vernunft, als zu wagen, mit der Vernunft die Vernunft zu übersteigen (ratione rationem conari transcendere)? Und was widerspricht mehr dem Glauben, als nicht glauben zu wollen, was der Vernunft unerreichbar ist?"

Es entsteht ein Zerrbild, ja in zahlreichen Punkten das Gegenbild zu Abaelards Bemühungen und Einstellungen, wenn ein Prediger versucht, die Methode eines Wissenschaftlers wiederzugeben, dessen Einstellung er für gefährlich, für teuflisch hält. Bis hin zur bewussten Wissenschaftsfälschung durch Abaelard geht Bernhards Vorwurf:

"Dieser Mensch sucht immer das Neue, und wenn er es nicht findet, erfindet er es; was es nicht gibt, behauptet er, als wenn es sei."

Bernhard geht dann auf die einzelnen Felder des Glaubens ein, die Dreifaltigkeitslehre, die Erlösungslehre, die Gnadenlehre und die Ethik. Er orientiert sich dabei an der Irrtumsliste, ohne sie im einzelnen abzuarbeiten. Abaelard wird später in seiner Apologie zu Recht bemerken, dass er einige der aufgestellten Lehren nicht vertreten habe, dass andere nur in einer veränderten Fassung aus Darstellungen seiner Schüler stammen, und nur einige seine Lehren seien. Von diesen wird er dann darzulegen versuchen, dass Bernhard sie missverstanden habe. Die Einzelheiten interessieren nur den Theologiehistoriker. Einige Bemerkungen Bernhards treffen aber noch heute auf allgemeines Interesse. Der Erkenntnisdrang Abaelards, der diesen nie zur Ruhe kommen lässt, der in seiner "Dialektik" geschrieben hatte: "Unter uns Sterblichen kann die Wissenschaft nie so wachsen, dass sie nicht noch weitere Vermehrung vertrüge", diesen Erkenntnisdrang kann Bernhard nur missverstehen.

Augustinus sagt: "Glauben ist nicht durch Vermuten zu erreichen oder durch eine Meinung, die jemand bei sich hegt, sondern er ist festes Wissen in der Zustimmung des Gewissens." Ferne sei es, ferne sei es also, dass der Glaube Grenzen habe. Meinungen der Akademiker sind dies, die über alles zweifeln wollen und nichts wissen.

Diese Stelle bezieht sich auf Abaelards Definition des Glaubens als "das Fürwahrhalten (existimatio) von nicht erscheinenden Dingen, das heisst solchen, die nicht mit den Sinnen des Körpers erfahren werden können". Hier soll nicht darauf eingegangen werden, dass existimatio damals ein Terminus technicus war, den Bernhard durchgängig uminterpretiert als aestimatio, "Meinung". Deutlich wird jedoch aus Bernhards Einwand, dass er zweierlei nicht versteht. Er versteht nicht, dass Abaelard einen Unterschied gemacht hat zwischen dem Glauben als Gegenstand der theologischen Wissenschaft, dem Glauben, der für den Gläubigen unverbrüchlich und für den Wissenschaftler einfach gegeben, hinzunehmen ist, und der Wissenschaft über diesen Glauben, innerhalb deren es nur wissenschaftliche Meinungen gibt, subjektive und im Gang der Wissenschaft zu verbessernde. Daraus ergibt sich dann, dass Bernhard auch nicht verstehen kann, dass die Wissenschaft in einem währenden Diskurs aller Wissenschaftler immer weiter fortschreitet. Genau dieser Diskurs, von den einzelnen, besonders den Studenten, manchmal betrieben aus bloßer Freude am Diskutieren, am Rechtbehalten wollen, am Sieg in dieser dialektischen Florettkunst, genau dieser Diskurs ist Bernhard der eigentliche Stein des Anstoßes, Ursprung aller Übel, die er bekämpft. Disputare, "erörtern, untersuchen oder diskutieren" kommt von putare, "vermuten, meinen, glauben, denken", und so ruft Bernhard in dem Brief an den Papst Abaelard rhetorisch zu: "Es ist Dir nicht erlaubt, über den Glauben zu meinen oder zu denken (putare) oder zu erörtern oder zu diskutieren (disputare), wie es Dich drängt (pro libitu)": Der Versuch, die Wissenschaft aufzuhalten beim ersten gesellschaftlich verwirklichten Versuch, in Europa Wissenschaft zu betreiben.

Die Atmosphäre der jetzt anhebenden Auseinandersetzung wurde vollends gestört durch eine Verbalinjurie Bernhards. Der Titel der Werke Abaelards, "Theologia", war Bernhard und seinen Freunden ein Greuel, bezeichnete er bis dahin doch die heidnische Götterlehre. Und so persifliert er "Theologia" – "Lehre von Gott" durch "Stultilogia" – "Lehre von der Torheit". Im ersten Entwurf des Traktat-Briefes an den Papst steht diese Verbalinjurie übrigens nicht. Thomas von Morigny war der Scharfmacher.

Die anderen Briefe nach Rom, kürzere oder längere, gehen psychologisch und diplomatisch genau auf den oder die Adressaten ein, wiederholen aber in ähnlichen Wendungen immer wieder dieselben Vorwürfe. So ermahnt er die Bischöfe und Kardinale der Kurie als Körperschaft an ihre Pflicht zu handeln:

"Handelt entsprechend der Stellung, die Ihr einnehmt, entsprechend der Würde, die Euch einflussreich macht, entsprechend der Amtsgewalt, die Ihr empfangen habt."

Der Brief an Kardinal Guido, den späteren Papst Coelestin II., ist oben schon zitiert worden. In dem Brief an den unbekannten Kardinal G. heisst es:

"Wir gehen gefährlichen Zeiten entgegen. Magister haben wir mit geilen Ohren, Schüler mit verschlossenen Ohren, der Wahrheit abgewandt, dem Gerede zugewandt. Wir haben in Franzien einen Mönch ohne Regel, einen Vorsteher (praelatus) ohne Sorge (für die Seinen), einen Abt ohne Zucht: Petrus Abaelard, der mit den unreifen Jungen diskutiert und mit den Frauen Umgang pflegt.... In seinen Reden führt er Ungeistliche Neuheiten ein, an Worten wie an Inhalten. Die geistige Nacht, in der Gott wohnt, betritt er nicht allein, wie Moses es tat, sondern mit Scharen und Schülern. In Dörfern und auf Gassen wird über den katholischen Glauben diskutiert."

Apokalyptisch wird schließlich die Angst Bernhards in dem Brief an einen Abt:

"Gott ist im Streit. Die Wahrheit gleitet dahin. Die Kleider Christi werden zerschnitten, die Sakramente der Kirche zerrissen. Von den Fußsohlen bis zur Stirn wird das Heil zerstört, die Einfalt der Gläubigen verhöhnt. Nahe ist die Zeit, da der Löwe sich von seinem Lager erhebt, der Feind der Kirche und Räuber der Völker. Petrus Abaelard schreitet voran vor dem Antichristen, ihm den Weg zu bereiten."

Die Angst vor dem Neuen

Aus Zitaten lediglich auszuwählen kann einen Gegner vernichten. So hatte Bernhard aus Abaelards Schriften und denen seiner Schüler Zitate ausgewählt und eine Irrtumsliste erstellt, die Abaelard zwar nicht traf, ihn aber erledigte. Genauso kann man mit Bernhard verfahren, und dem heutigen Leser mit heutigem Verständnis lassen die angeführten Zitate nur ein vernichtendes Urteil über den doctor mellifluus, "den honigfließenden Lehrer", zu, wie Bernhard im Mittelalter genannt wurde. Zu diesem Zweck sind sie aber nicht angeführt worden.

Zuerst ein Wort zur Aggressivität der Briefe. Sie sind aggressiv. Aber das ist keine Besonderheit Bernhards. Klerikerbriefe des 12. Jahrhunderts sind fast immer in einer emotionalen Extremlage geschrieben: Sie drücken Freundschaft aus und sind dann meist überschwänglich, oder sie drücken Gegnerschaft aus und sind dann aggressiv, oft bösartig... Die Aggressivität der Geistlichen war nur die Aggressivität der Gesellschaft, und sie schloss, wie gerade Bernhard zeigt, die Fähigkeit zur Zärtlichkeit, zur Innigkeit, zur Liebe nicht aus.

Der Traktat-Brief an den Papst und die anderen Briefe nach Rom zeigen die Begabung Bernhards als Redner und seine Begrenztheit als Wissenschaftler. Bernhard steht kein begriffliches Kategoriensystem zur Verfügung, das es ihm gestattete, die Lehre seines Gegners argumentierend zu widerlegen. Bernhard weiß um seine Schwäche, und diese Unsicherheit wendet er in Aggression. Bernhard argumentiert in seinen Briefen nicht, sondern er predigt, das heißt, er versucht unmittelbar mit seinen Worten Einstellungen und Handlungen der Adressaten zu bewirken, nicht Verständnis und Einsicht, aus denen heraus dann erst in Verantwortung des Einsehenden Einstellungen und Handlungen erwachsen können. Bernhards Sprachverwendung ist genau entgegengesetzt der Sprachverwendung Abaelards.

Die Lehren, die er Abaelard vorwirft und die er für häretisch hält, werden nur benannt, nicht beschrieben. Soweit Abaelard nicht überhaupt bestreitet, sie vertreten zu haben - und die heutige Quellenlage gestattet uns festzustellen, dass Bernhard trotz aller Mühe, die er sich mit den ihm fremden Texten gegeben haben mag, sehr unmethodisch und oft nachlässig mit ihnen umging -, soweit war es Abaelard ein leichtes, Bernhards Vorwürfe zu zerpflücken. Seine "Apologia Ne iuxta Boetianum" gegen Bernhard, von der uns leider nur der Anfang erhalten ist, zeigt dies und auch, welchen geistigen Hochgenuss die Zuhörer hätten gewinnen können, und welcher Niederlage Bernhard entgegengegangen wäre, wäre das öffentliche Streitgespräch zustande gekommen, das Abaelard erstrebte und dessen Verhinderung Bernhard auf der Höhe seiner diplomatischen Kunst zeigt.

Was Bernhard und die Seinen aufstört, verstört, ist die Neuheit der Zeit. Die göttlichen Dinge waren Jahrhunderte in den Klöstern bedacht und als Liturgie gefeiert worden. Sie waren Arcana, in der Abgeschlossenheit der Klöster tradierte Geheimnisse, Mysterien, angebetet, im gläubigen Vollzug vergegenwärtigt, ehrfurchtsvoll in Miniaturen, Elfenbeinschnitzereien oder Fresken dargestellt, immer umhüllt durch die Darstellungsart in Schleier und Gleichnis. Wie Moses den Berg Sinai bestieg und Gott in der Dunkelheit der Wolken hört (2. Mos.19,20) - all so soll sich der Gläubige den Geheimnissen des Glaubens nähern. Diese geistige Welt der Ehrfurcht und der Verehrung hatte Abaelard in den Augen Bernhards profaniert, entheiligt, beschmutzt, zerstört. Adriaan Bredero hat es so ausgedrückt: "Die Lehre Abaelards hat der Heilige Bernhard nicht verstanden, aber eines hat er gespürt, dass dessen Weise, Theologie zu lehren, eine Bedrohung der monastischen Lebensweise der Zisterzienser war." Dabei konnte Bernhard natürlich nicht erkennen, dass dies mit einem grundsätzlichen sozialen Wandel der Zeit zusammenhing, der geistiges, politisches und ökonomisches Leben von den Klöstern und Burgen in die Städte verlagerte. In immer neuen Bildern ruft Bernhard den Empfängern seiner Briefe diese Schuld Abaelards vor Augen: den frevelhaften Umgang mit dem Heiligen: die Diskussion; den Ort des Frevels: Gassen, Dörfer, Burgen und Kreuzungen; die Verführten: Schüler, unreife Jugendliche, Dumme und Frauen; und das Ergebnis: Neuheiten...

Bernhard hat sich Rechenschaft über sein Verhalten abgelegt. Vorwürfe werden ihn während der Auseinandersetzung erreicht haben. Und so benützt er die Gelegenheit der Predigten vor seinem Konvent, um seine Haltung darzulegen. Die 36. bis 38. Predigt über das "Hohe Lied der Liebe" widmet er dem Thema des Wissens. An drei aufeinander folgenden Tagen unterbricht er die laufende Auslegung, die inzwischen bei Vers 8 des 1. Kapitels angelangt war. "Disputatio" nennt er den Exkurs. Seinen Kritikern ruft er zu:

"Es könnte vielleicht scheinen, ich ginge in der Verhöhnung der Wissenschaft zu weit, ich behindere die Gelehrten und wolle das Studium der Wissenschaften verbieten. Das stimmt nicht! Aber die Zeit des Lebens ist kurz, und wichtig ist nur das Heil. Erwerb von Wissen verbraucht kostbare Zeit. Darum muss man unnützes Wissen vom nützlichen unterscheiden: Es gibt solche, die wissen wollen, ausschließlich zu dem Zweck, zu wissen. Das ist verwerfliche Neugier. Dann gibt es solche, die wissen wollen, auf dass sie selbst bekannt werden. Das ist verwerfliche Eitelkeit... Dann gibt es solche, die wissen wollen, um ihr Wissen zu verkaufen, für Geld zum Beispiel oder für Ehren. Das ist verwerfliche Bereicherung. Schließlich gibt es solche, die wissen wollen, um (andere) aufzubauen. Das ist Liebe. Und letztendlich gibt es solche, die wissen wollen, um aufgebaut zu werden. Das ist Lebensklugheit."

Allein die beiden letzten haben Wissen im Wortsinn, die anderen missbrauchen das Wort "Wissen". Bernhard bleibt sich treu. Wissenschaft im Sinne Abaelards soll es nicht geben. Ihn, Abaelard, und seine Schüler treibt Neugier, Ruhmsucht oder Habgier...

Im 12. Jahrhundert war Wissenschaft etwas Neues. Je rascher sie sich ausbreitete, um so mehr wuchs die Angst der Alten. Wächst die Angst in der Gesellschaft, wächst sie in der Intensität der Bedrohung, die die Alten empfinden, wächst sie in der Zahl derer, die sich bedroht fühlen, fühlen sich insbesondere jene bedroht, die Inhaber der Macht sind, dann wird die Angst, die Angst von Menschen, der Gesellschaft gefährlich. Aus Angst erwächst Aggressivität...

Das Ketzerkonzil von Sens

Der Tag der Entscheidung kam. Die Reliquien waren ausgestellt, die Pilger und die Händler strömten herbei und die Mönche aus den umliegenden Klöstern. Die Großen des Reiches erwiesen den Heiligen ihre Ehre: König Ludwig und sein Hof, die Grafen Theobald von Troyes und Wilhelm von Nevers. Der Erzbischof Heinrich Sanglier hatte zum Konzil oder zur Synode geladen, und so waren alle seine Suffraganbischöfe erschienen außer den Bischöfen von Paris, Stephan von Senlis, und von Nevers, Fromond. Erschienen war auch der Erzbischof von Reims, Samson, mit den Suffraganen Joscelin von Soissons, Gottfried von Châlons und einem weiteren uns unbekannten Bischof. Dazu waren, wie bei solchen Gelegenheiten üblich, zahlreiche Äbte erschienen, unter ihnen der frühere Abt Abaelards, Suger von Saint-Denis. Bernhard hebt in seinem persönlichen Bericht an den Papst noch hervor, dass aus den Bischofsstädten die Leiter der Domschulen erschienen waren und außerdem zahlreiche andere Gelehrte (clerici litterati). Eine "glänzende Gemeinde (ecclesia copiosa)" war zusammengekommen, wie der Chronist berichtet. Ja, und dann war da noch die Gegenseite, "der Magister Petrus Abaelard mit seinen fautores", den Gönnern, Beschützern oder Beifallklatschern, wie die Bischöfe an den Papst schreiben, oder mit seinen "Komplizen", wie Bernhard es ausdrückt. Der Kampf um Worte hat schon immer stattgefunden. Wer über die Worte bestimmt, hat fast schon gesiegt.

Am Morgen des Oktavtages von Pfingsten - heute wird kirchlich an diesem Sonntag das Dreifaltigkeitsfest gefeiert, Trinitatis, im Jahre 1140 fiel dieser Oktavtag auf den 2. Juni - predigte Bernhard von Clairvaux in der Kathedrale und "forderte das Volk auf, für Abaelard bei Gott zu beten". Abaelards Schüler Berengar von Poitiers, der uns die Vorgänge satirisch übersteigert erzählt, fügt Bernhard anklagend hinzu, "innerlich bereitest Du aber alles vor, ihn aus dem christlichen Weltkreis auszulöschen" . Abends versammelte Bernhard die Bischöfe um sich - zur Vorbereitung der ersten Sitzung des Konzils am anderen Tag, wie wahrscheinlich die harmlose Einladung hieß, in Wirklichkeit, um dem Prozess, der Bernhard entglitten war, die entscheidende Wendung zu geben...

Bernhard erreichte es, dass sich die Bischöfe zu diesem Zeitpunkt mit seinen Anklagepunkten gegen Abaelard, einer der Fassungen seiner Irrtumsliste, befassten. Es ist zu vermuten, und die Vermutung wird durch den Bericht Bernhards an den Papst bestärkt, dass der Subdiakon Hyazinth, der eigens zur Verteidigung Abaelards aus Rom nach Sens gekommen war, alles versuchte, um dieses Vorgehen zu verhindern. Ein Licht auf die Vorgänge wirft auch ein späterer Bericht. Als auf Betreiben Bernhards Gilbert von Poitiers im Jahre 1147 auf einem Konzil in Reims unter Vorsitz des Papstes Eugen III. ebenfalls der Ketzerprozess gemacht wurde, wird die Vorgehensweise durch Johannes von Salisbury genau beschrieben. Auch hier versammelte Bernhard am Vorabend der öffentlichen Sitzung die Konzilsteilnehmer, hielt eine Rede, las die einzelnen Sätze aus einer Irrtumsliste vor und ließ über jeden Satz abstimmen. Dazu bemerkten einige Kardinale, "dass Bernhard gegen Abaelard in ähnlicher Weise vorgegangen sei". Gegen Gilbert wird sich Bernhard mit diesem Verfahren nicht durchsetzen. Jetzt hatte die Überrumpelungstaktik Erfolg. Es gelang Bernhard, die Bischöfe mehrheitlich von der Richtigkeit seiner Absicht zu überzeugen. Was dieses Vorgehen kirchenrechtlich bedeutete, ist ihnen vermutlich erst am nächsten Tag deutlich geworden. Es wurde über die einzelnen Sätze abgestimmt, und jeder wurde als häretisch befunden. Durch diese Abstimmung hatte sich die Versammlung der Bischöfe außerhalb der öffentlich tagenden Synode als Gericht konstituiert, das im Offizialverfahren, ohne öffentliche Anklage, verhandelte - was Bernhard immer erstrebt hatte - und die Irrtumsliste verurteilte... Nur, waren die Sätze der Irrtumsliste Lehre Abaelards? Abaelard hatte bestritten und wird bestreiten, dass die Liste oder ihre verschiedenen Fassungen, die im Umlauf waren, seine Lehre wiedergäben. Heute wissen wir aus der inzwischen geklärten Quellenlage, dass Abaelard recht hatte. Ohne Abaelard zu hören, durfte die Liste zwar als häretisch verurteilt werden - was niemanden interessierte -, nicht aber als Liste Abaelardscher Irrtümer...

Am nächsten Morgen versammelten sich die Konzilsteilnehmer, der König, die Großen des Reiches und das ganze Volk in der Kathedrale Saint-Stephan. Die Versammelten waren bis auf die Bischöfe ahnungslos und warteten gespannt auf das Rededuell zwischen Abaelard und Bernhard. Bernhard hatte schon recht, sie warteten nicht auf die Entscheidung des Heiligen Geistes in seiner Gemeinde, sie warteten auf ein Spektakel. Nur wer sehr genau das kirchliche Protokoll kannte, hätte aufmerken müssen: Abt Bernhard von Clairvaux saß unter den Bischöfen oben im Chor, Abt Petrus Abaelard irgendwo unten im Schiff.

Das Konzil begann mit einem feierlichen Pontifikalamt und der Anrufung des Heiligen Geistes. Dann wurde die Sache Abaelards aufgerufen. Abaelard stand auf und trat in den Chor vor den Altar. Da erhob sich Bernhard von Clairvaux, trat in die Mitte des Chores, stellte sich vor Abaelard, las im Namen der Bischöfe die am Abend zuvor verurteilten Sätze vor und fragte Abaelard, ob das seine Sätze seien und ob er diese noch vertrete. Es war die Frage an den Ketzer vor seiner Verurteilung. Sie war notwendig, um von der bereits erfolgten Verurteilung der Sätze zur Verurteilung der Person Abaelards fortschreiten zu können.

Dass der Erzbischof von Sens diesen Ablauf zugelassen hat, zeigt, dass auch im Stil der Eindruck eines fairen Verfahrens nicht mehr erweckt werden sollte. Bernhard war nicht Mitglied des Gerichts, das im Offizialverfahren schon entschieden hatte. Er hatte dort keine Funktion, so wenig wie irgendein anderer der versammelten Äbte. Und er war der Gegner Abaelards. Bernhard hatte erreicht, dass die Verfahrensarten vermischt wurden mit dem Ziel, seine eigene Person, über deren Bedeutung sich der "demütige Abt", wie er sich in seinen Briefen nannte, durchaus im Klaren war, unauswechselbar ins Spiel zu bringen. In den Verurteilungsdekreten des Papstes wird, diesen Formfehler fortsetzend, Bernhard von Clairvaux immer namentlich mit den beiden Erzbischöfen genannt, während die Bischöfe nur als Kollegium erwähnt werden. Er war aufgerückt vom persönlichen Ankläger vor einem Gericht zum öffentlichen Ankläger des Gerichts.

An Abaelard war die Frage als einem angeklagten Häretiker gestellt. Hätte Abaelard jetzt geantwortet, bestritten oder zugestimmt, hätte er sich auf das Amtsverfahren eingelassen, der Verurteilung der Sätze als häretisch wäre die Verurteilung seiner Person als Häretiker gefolgt. Eine freie Darstellung seines Systems der Theologie, wie er sie vorgehabt hatte, eine Befragung Bernhards sozusagen im intellektuellen Kreuzverhör war nicht mehr möglich. Nur die verurteilten 19 Sätze standen noch zur Verhandlung, und einige hiervon fanden sich textlich jedenfalls so ähnlich in seinen Werken, dass dies sicher auch zur Verurteilung seiner Person ausgereicht hätte.

Abaelard hatte die Frage Bernhards gehört und schwieg. Jetzt war Wirklichkeit geworden, wovor er sich seit dem Konzil von Soissons vor fast 20 Jahren fürchtete. Er stand wieder vor einem Ketzergericht, wieder hatten ungerechte Richter einen ungerechten Spruch gefällt, und sie waren dabei, gegen ihn als rückfälligen Ketzer persönlich vorzugehen... Sah er in sich hinein? Horchte er auf die Stimme Gottes, die Stimme seines Gewissens ? Sah er dem vor ihm stehenden Bernhard von Clairvaux in die Augen, horchte er auf die aufkeimende Unruhe in der Kirche, die in die gespannte Stille hinein lauter wirkte, als sie sein mochte? Dachte er an seine Schüler, sein Werk? Abaelard schwieg. In diese Stille hinein wiederholte Bernhard seine Frage, vielleicht mit erhobener, lauterer Stimme. Jetzt jedenfalls sah Abaelard Bernhard an, den Abt von Clairvaux, sah Heinrich an, den Erzbischof von Sens und Vorsitzenden der Synode, sah Gottfried und Hatto an: Bischof Gottfried von Chartres, der ihn in Soissons so unerschrocken verteidigt, und Bischof Hatto von Troyes, der den Parakleten geweiht hatte; er sah Joscelin an, den Bischof von Soissons, der schon vor 30 Jahren von ihm gesagt hatte, er sei eher ein Spötter als ein ernsthafter Redner, eher ein Spaßmacher als ein Lehrer, jetzt sah er sie alle an, und er sagte nein, er wolle nicht Rede und Antwort stehen, er appelliere an den Papst.

Abaelard verzichtete damit nicht nur auf die Einlassung zur Frage Bernhards, die eine Einlassung auf das neue Verfahren gewesen wäre. Abaelard verzichtete auch auf die Darlegung seiner Berufung. Er warf dem Gericht nicht seine Voreingenommenheit vor, nicht das regelwidrige Auftreten Bernhards im Offizialverfahren, nicht das Ränkespiel des heimlichen Austauschs der Verfahren. Abaelard schwieg und zeigte hierdurch dem Gericht, dass er es nicht als die Instanz ansehe, die über ihn zu urteilen habe. Er hatte sein Magisteramt von Gott, er hatte seine Theologie geschrieben mit Hilfe Gottes, diese Bischöfe vor ihm konnten ihm nicht nehmen, was Gott ihm gegeben hatte, sie konnten nicht beurteilen, was Gott ihn hatte denken lassen. Und dieser Abt vor ihm, Bernhard, war nicht sein Richter, sondern sein Feind...

Bernhards Diplomatie: Die Voreinnahme des Papstes

Abaelard hatte an den Papst appelliert. Damit war dem Gericht in Sens der Spruch über die Person entzogen und zugleich der Spruch über die Irrtumsliste zur erneuten Entscheidung in Rom gestellt. Verfahren in Rom gingen ihren gemächlichen Gang. Erschien eine Partei selbst oder ihr Anwalt, ihr Prokurator, so wurde verhandelt, andernfalls wurden Schriftsätze gewechselt. Personen oder Briefe mussten die Alpen überqueren, den Weg an der Küste entlang nehmen oder das Schiff. Abaelard begann sich auf die Berufung vorzubereiten. Anders Bernhard. So wie er in Sens den Verfahrensablauf an sich gerissen hatte, so bestimmte er jetzt mit Hilfe seines Sekretärs Nikolaus von Montier-en-Der den weiteren Ablauf der Ereignisse. Der Abt überließ nichts mehr dem Zufall.

Zuerst mussten die Konzilsakten gefertigt und nach Rom gesandt werden. Drei amtliche Schriftstücke gingen dorthin, alle drei von Bernhard verfasst oder mitverfasst. Der Erzbischof von Sens und seine Suffragane erstatteten ausführlichen Bericht. Der Erzbischof von Reims und seine Suffragane schickten ein Schreiben allgemeinen Inhalts, und den Schreiben wurde die letzte Fassung der Irrtumsliste beigefügt, so wie sie in der Nachtsitzung verurteilt worden war.

Der Brief der Bischöfe der Kirchenprovinz Sens berichtet den Hergang des Verfahrens, die kirchenrechtlichen Schritte der denuntiatio Evangelica durch Bernhard von Clairvaux, Abaelards Versprechen der Korrektur und den Bruch dieses Versprechens, Abaelards Brief an seine Freunde, die Ladung zum Konzil, die anfängliche Weigerung Bernhards, an dem Konzil teilzunehmen, die Teilnehmer des Konzils einschließlich des Königs und seiner Großen und schließlich die Anwesenheit des Abtes Bernhard von Clairvaux und des Magisters Petrus Abaelard und seiner Anhänger. Berichtet wird, dass Abt Bernhard die Irrtümer Abaelards vorlas, und angedeutet, dass sie bereits am Abend zuvor (pridie), also vor der Appellation Abaelards an den Papst, verurteilt worden waren. Weiter wird berichtet, dass Abaelard die Einlassung trotz der Zusicherung freier Rede, sicheren Geleits und fairer Richter verweigert und an den Römischen Stuhl appelliert habe. Daraufhin habe man von einem weiteren Vorgehen gegen ihn als Person abgesehen. Soweit der Sachverhalt. Dann wird die Berufung an den Papst für zulässig erklärt, obwohl dies im Gericht bestritten worden war. Der Erzbischof von Sens wollte kein Risiko eingehen. Die erst kürzlich aufgehobene Suspension von seinem Amt hatte mit einer unterdrückten Berufung zu tun gehabt. Dann folgen die Gründe für die Verurteilung Abaelards. Die verurteilten Sätze (sententiae) seien entsprechend der Autorität des hl. Augustinus und anderer Kirchenväter, wie der Abt von Clairvaux dargelegt habe, irrig (falsae), äußerst gefährlich (perniciosissimae), ganz offensichtlich häretisch (haereticae evidentissimae) und deswegen verurteilenswürdig (damnabiles). Abaelard habe sie auch öffentlich und immer wieder in Vorlesungen vorgetragen. Schließlich enthält das Schreiben den Antrag für die letzte Instanz des Prozesses, der Papst möge das mit der Berufung angefochtene Urteil des Konzils von Sens über die Irrtümer bestätigen und mit unanfechtbarer Rechtskraft versehen, der Person Abaelards ewiges Schweigen mit dem Verbot des öffentlichen Vertrags und des Schreibens auferlegen und seine Bücher, die ohne Zweifel verkehrte Ansichten enthalten, verurteilen...

Der Brief der Bischöfe der Kirchenprovinz Reims ist kürzer, allgemeiner und teilweise unsachlich. Er enthält aber einige interessante Zusätze. Er berichtet, dass das Gericht, das die Sätze Abaelards verurteilt hat, von diesem selbst gewählt worden war, dass er die Berufung wohl nur deswegen eingelegt habe, um Zeit zu haben, seine Übeltaten fortzusetzen, zumal da er sich der Unterstützung Roms rühme, und schließlich dass er ein Rückfalltäter sei, da sein Hauptwerk in Gegenwart eines Päpstlichen Legaten bereits einmal verurteilt worden sei. In dem Bericht der Kirchenprovinz Sens, zu der ja auch Bischof Gottfried von Chartres gehörte, war dieser wichtige, wenn auch prozessual problematische Sachverhalt nicht erwähnt worden, offensichtlich weil damals Bischof Gottfried Abaelards Anwalt war.

Diese amtlichen Briefe ließ Bernhard durch seinen Sekretär Nikolaus in höchster Eile nach Rom expedieren. Gleichzeitig schrieb er dem Papst einen eigenen ausführlichen Bericht und mindestens fünf weitere längere und kürzere Schreiben an Mitglieder der Kurie. Die genaue Anzahl der Briefe ist schwer festzustellen, da von einigen erhaltenen nicht feststeht, ob sie vor oder nach dem Konzil geschrieben sind oder ob es sich nur um Entwürfe handelt. Den Papst fordert er auf, der Häresie zu widerstehen. Geschickt erinnert er ihn an das Schisma und damit an seine, Bernhards, Verdienste um die Anerkennung des Papstes und an das Zusammengehen Abaelards mit Arnold von Brescia, dem alten Feind von Rom. Besonders aber warnt er den Papst vor dem Subdiakon Hyazinth. Dieser habe ihm in Sens Böses angedroht, aber nicht erreicht, was er wollte. Dasselbe schreibt Bernhard dem Kardinalkanzler Haimerich. Allen Briefen ist die Warnung gemeinsam: "Abaelard kommt nach Rom!"

Dem Kanzler der römischen Kurie, Kardinal Haimerich, schreibt er:

"Unser Theologe bekämpft das Gesetz mit den Worten des Gesetzes, wirft das Heilige den Hunden vor und die Perlen den Säuen. Er zerstört den Glauben der Einfältigen und besudelt die Reinheit der Kirche... Der ausgezeichnete Lehrer führt mit Arius Stufen in die Dreieinigkeit ein, ersetzt mit Pelagius die Gnade durch den freien Willen, teilt mit Nestorius Christus... Und bei alledem rühmt er sich, dass er den Kardinalen und Geistlichen der Kurie den Quell der Weisheit eröffnet, dass er seine Bücher und Lehren in die Hände und den Schoß der Römer gelegt habe und so seine Irrtümer in den Schutz derer gelangt sind, von denen er gerichtet und verurteilt werden muss"...

Bernhard hat offensichtlich Angst, Abaelard könne in Rom durch die Fähigkeit seiner Rede und seinen Einfluss auf frühere Schüler und ihm wohlwollende Kirchenmänner einen Sieg erringen. Der Inhalt der Briefe, die Dringlichkeit seines Vorgehens und sicher auch die Instruktionen für seinen Sekretär Nikolaus waren darauf ausgerichtet, eine Verurteilung bereits zu erreichen, ehe Abaelard in Rom ankam. Dabei nahm er in Kauf, dass der Papst einen Rechtsbruch begehen würde. Wollte der Papst nicht nur das Urteil von Sens bestätigen, also die Verurteilung der Irrtumsliste als häretisch, sondern auch die Person Abaelards durch Exkommunikation und Haft, dann musste die Missachtung des Grundsatzes "audiatur et altera pars", "auch die andere Seite muss gehört werden", zu einem Fehlurteil führen, denn die Irrtumsliste gab nicht die Lehre Abaelards wieder...

Die formelle Versöhnung in Cluny

Abaelard ist nicht zufällig eines Abends in Cluny eingekehrt. Der Abt Petrus Venerabilis hatte Zeichen ausgesandt, Abaelard vielleicht sogar förmlich eingeladen. Dafür spricht, dass jetzt, Ende Juni, alles wie nach einem präzisen, sachlich und zeitlich genau festgelegten Plan abläuft mit dem Ziel, Abaelard zu rehabilitieren, ihn in den Klosterverband von Cluny aufzunehmen; ihm Ruhe zu schenken und die Möglichkeit zu seiner letzten großen Arbeit, der Auseinandersetzung mit dem Judentum und dem Islam, einer Auseinandersetzung, die zum wichtigsten Anliegen des Abtes Petrus geworden war...

Etwa am 17. oder 18. Juni war Abaelard in Cluny eingetroffen. In wenigen Tagen müssen sich Petrus und Abaelard über den gemeinsamen Plan wenigstens grundsätzlich geeinigt haben. Ein Bote nach Citeaux ging ab, zwei Tage wird er für die Reise gebraucht haben. Er überbrachte dem Abt von Citeaux, Rainart von Bar-sur-Seine, die Einladung des Abtes Petrus Venerabilis, zu einer gemeinsamen Besprechung nach Cluny zu kommen. Ziel war die Aussöhnung zwischen Abaelard und Bernhard von Clairvaux als Voraussetzung für eine Rehabilitation des in Sens Verurteilten. Diese Einladung an den obersten Abt des Zisterzienser-Ordens und nach dem Filiationsprinzip zugleich den unmittelbaren Vorsteher über Bernhard war ein diplomatischer Meisterzug des Großabtes des Cluniazenser-Ordens. Die ungestüme Art Bernhards dürfte nicht immer die Zustimmung Rainarts gerunden haben, und über sein Verhalten in Sens liefen schon Gerüchte um. Als wenn er auf die Einladung gewartet hätte - vielleicht war er ja auch schon vorgewarnt - brach er rasch nach Cluny auf, spätestens zwei Tage nach der Ankunft der Boten. In Cluny angekommen, stand Petrus und Rainart sicher die schwerste Aufgabe bevor, Abaelard zu bewegen, sich persönlich mit Bernhard auszusöhnen. Abaelard muss tief verletzt gewesen sein. Der sensible und stolze Mann musste die Schachzüge Bernhards als Hinterhalt und Verrat empfunden haben, die Ketzervorwürfe als Verleumdung seiner theologischen Arbeit. Wenn nicht schon Hyazinth ihn in Sens darauf hingewiesen hatte, dass er bei Papst Innozenz II. kaum auf Gerechtigkeit gegenüber Bernhard hoffen konnte, dann dürfte er fest davon überzeugt gewesen sein, seinen rechtmäßigen Glauben und seine theologische Arbeit vom Papst anerkannt zu erhalten. Dass es Verhandlungen gegeben hat, Abaelard also nicht sofort einverstanden war, berichtet Petrus selbst in seinem Brief an den Papst:

"Magister Petrus... kam neulich aus Franzien in Cluny an... Wir fragten ihn, wohin die Reise gehe. Er gab an, er fühle sich von einigen Leuten peinlich verletzt, sie hießen ihn einen Ketzer... Inzwischen erschien der Abt von Citeaux und verhandelte mit mir und Abaelard selbst über die Wege, den Frieden zwischen ihm und dem Abt von Clairvaux herzustellen; seinetwegen hatte Abaelard ja Berufung eingelegt. Ich bemühte mich persönlich, Frieden zu stiften und redete Abaelard zu, mit dem Abt von Citeaux zu Bernhard zu gehen... Also geschah es: Er ging, er kehrte wieder. Mit dem Abt von Clairvaux sei er - so berichtete er nach seiner Rückkehr - dank der Vermittlung des Abtes von Citeaux zu einem friedlichen Ausgleich gekommen; die früheren Anklagepunkte seien niedergeschlagen."

Fünf Tage wird die gemeinsame Reise des Abtes von Citeaux und des verurteilten Ketzers nach Clairvaux gedauert haben. Für Abaelard war es zum zweiten Mal der Abschied von der äußeren Form seiner Berufung, der öffentlichen Lehrtätigkeit. Und er musste dem Mann, den er als Feind, als Verräter, als Verleumder erfahren hatte, die Hand reichen. Aber auch für Bernhard von Clairvaux wird die Aussprache nicht angenehm gewesen sein. Der kirchenrechtlich wichtigste Punkt war: Durch die Unterwerfung hatte Abaelard gezeigt, dass er nicht der halsstarrige Ketzer war, für den Bernhard ihn gehalten hatte, und Festhalten an dem Irrtum, nicht der Irrtum war das Kennzeichen eines Ketzers. Der Antrag der Bischöfe an den Papst, Abaelard zu exkommunizieren und zu inhaftieren, war also von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen. Abaelard allerdings hat klar unterschieden: Als Mensch, als Christ, als Mönch unterwarf er sich in Bernhard der Kirche, als Wissenschaftler bestand er darauf, nur in den Punkten widerrufen zu müssen, in denen er des Irrtums überführt war. Dies zu tun versprach er, dieses Versprechen hat er eingelöst. So blieb Bernhard von Clairvaux nichts anderes übrig, als sich mir Abaelard auszusöhnen. Offensichtlich blieb die Auflage, nicht mehr öffentlich zu lehren und Cluny nicht mehr zu verlassen...
 

Zu A. Podlechs Bernhard-Darstellung siehe auch die kritischen Anmerkungen von Veit Feger innerhalb dieser Seiten

 

Nachtrag: Aktuelles zu Bernhard und Abaelard

 

Die von A. Podlech vorgestellte Reihenfolge der Ereignisse vor und nach der Verurteilung Abaelards in Sens entspricht der tradierten Chronologie E. Vacanards, die das Konzil von Sens als ein Ereignis des Jahres 1140 auffasst. Neuere Forschung hat jedoch an dieser Chronologie begründete Zweifel geäußert. Inzwischen gilt das  Konzilsdatum 25. Mai 1141 als weitgehend gesichert. Eine ähnliche Umdatierung ist auch für Bernhards Predigt De conversione vor den Klerikern von Paris sinnvoll.

Ausführliche Angaben zum Verhältnis zwischen Peter Abaelard und Bernhard und zur neuen Datierung der Ereignisse finden sich innerhalb dieser Seiten in folgendem Online-Buch (über 260 DIN-A-4-Seiten und 700 Fußnoten):

 

Clairvaux heute

Clairvaux heuteClairvaux liegt im Herzen des alten gallischen Forstes, der wie ein dichter Teppich die Hügel und die Täler, die ersten Abhänge des Plateau de Langres, bedeckt. Der Klosterort liegt fünfzehn Kilometer von Bar sur Aube entfernt. Es ist ein stilles Land. Hierher kam der Heilige Bernhard vor acht Jahrhunderten, am 25. Juni 1115, um die Lichtung des Absinth-Tales urbar zu machen und die berühmte Abtei zu errichten, in der er bis zu seinem Tode am 20. August 1153 lebte. Heute verhindern schier endlos lange Mauern - nacheinander angeordnet - jeglichen Blick auf die Spuren des einstigen Glanzes. Clairvaux ist eines der best gehütetsten Haupthäuser Frankreichs. Und dennoch entdecken berechtigte Besucher, dass dieser geschlossene Bezirk architektonische Schätze enthält. Sicherlich existiert die große romanische Abtei nicht mehr, da sie zu Beginn des 14. Jahrhunderts zerstört worden ist. Aber es stehen noch einige Mauern von Clairvaux I, das Monasterium Vetus von 1115-1135, das glänzende Gebäude der Laienbrüder von Clairvaux II, 1135-1708, und der große klassische Kreuzgang von Clairvaux III, 1708-1792. Die Association Renaissance de l'Abbaye de Clairvaux veranstaltet öffentliche Führungen der Abtei - an jedem Samstag, von Mai bis Oktober, um 13.45, 15.15 und 16.45 (Personalausweis notwendig). Aber wegen der Lage des Denkmals und unter Berücksichtigung der Sicherheitsvorschriften empfiehlt es sich, sich vorher in der Hostellerie des Dames zu erkundigen. Gleichermaßen kann man zwei Klosterscheunen von Clairvaux besuchen: Der Cellier de Colombé-le Sec ist ein Vorratskeller aus dem 12. Jahrhundert, die Grange céréalière de Cornay ein Getreidespeicher aus dem 16. Jahrhundert. In der Kirche von Ville-sous-LaFerté befindet sich eine Ausstellung über den Heiligen Bernhard. Diese Kirche aus dem 17. Jahrhundert, welche 1980 auf Betreiben von Abbé Monjardet mit Hilfe der Gemeinde restauriert wurde, enthält auch verschiedenes Mobiliar der Abtei von Clairvaux, das während der Französischen Revolution gesammelt wurde: den Hauptaltar, Taberbakelaufsätze, Altarbilder mit Wappen des Heiligen Bernhard, Reliquien verschiedener Heiliger, eine Reihe von Tafeln über die Zisterzienserabteien in der Welt. Eine Videovorführung belebt diese Ausstellung.


[Zurück zur letzten Seite] [Zum Seitenanfang]