Die Vertreibung Heloïsas und ihrer Mitschwestern aus Argenteuil

© Dr. Werner Robl, Dezember 2001

Argenteuil - Heloisa und ihre Äbtissin, Szene aus dem Film Stealing Heaven von 1988Im Frühling des Jahres 1129 wurde Heloïsa zusammen mit ihren Schwestern aus dem Konvent, in dem sie einst aufgewachsen war, vertrieben. Es handelte sich um das Nonnenkloster Sainte-Marie in Argenteuil, nordwestlich von Paris am Ufer der Seine. Nach der Vertreibung der Nonnen wurde der nicht unbeträchtliche Klosterbesitz Argenteuils der benachbarten Königs-Abtei von Saint-Denis zugeschlagen, und das Kloster selbst in ein mit Mönchen besetztes Priorat umgewandelt. Obdachlos strich die kleine Schar von Nonnen, die sich der Priorin Heloïsa angeschlossen hatten, durch die Lande. Da erfuhr Abaelard in der fernen Bretagne vom Elend der Schwestern. Er begab sich zurück in sein aufgelassenes Oratorium bei Nogent-sur-Seine, das er einst dem Paraklet geweiht hatte, und lud Heloïsa und ihre Mitschwestern ein, sich dort niederzulassen... [1]

Abt Suger von Saint-Denis stand hinter diesem unglaublichem Vorgang. Wie er später bekannte, betrachtete er die Aktion als eine der bedeutendsten seines Abbaziates. Der Zeitpunkt war äußerst günstig gewesen: Von Stephan von Garlande, seinem innenpolitischen Gegner, war kein Widerstand zu erwarten. Der Kanzler des Königs war kurz zuvor in Ungnade gefallen und seines einflussreichen Amtes enthoben worden. Sein Nachfolger wiederum war Simon, ein Neffe und Vertrauter Sugers.

Die ganze Transaktion war durch den Beschluss eines Konzils in Saint-Germain-des-Prés bei Paris kirchlich legalisiert worden. Es war Ende März/Anfang April 1129 unter der Leitung des päpstlichen Legaten Matthäus, Kardinalspriester von Albano, abgehalten worden. König Ludwig VI. hatte persönlich der Versammlung beigewohnt und der Vertreibung der Nonnen zugestimmt.

Wenig später stellte der päpstliche Legat Matthäus über den Vorgang ein amtliches Protokoll aus. Diese Urkunde, deren lateinisch-deutscher Wortlaut im Folgenden wiedergegeben wird, datiert vor dem 14. April 1129, dem Krönungstag des designierten Königs Philipp. [2]

In nomine summi Dei et Salvatoris nostri Jesu Christi, Matthaeus divinae gratiae dispositione Albanensis episcopus et A.S. legatus.

Quoniam ad nostrae dignitatis potestatem pertinere constat, circa ecclesiasticae cultum religionis summa sollicitudine fideliter elaborare, immunda cuncta eliminare, utilia quoque studiose supplantare, ideo summopere nobis injuncto officio oportet invigilare. Eapropter cum nuper in praesentia domini serenissimi Regis Francorum Ludovici, cum fratribus nostris coepiscopis, Remensi scilicet archiepiscopo Rainaldo, Parisiensi episcopo Stephano, Carnotensi episcopo Gaufrido, Suessionensi episcopo Goscelino, aliis quamplurimis, de sacri ordinis reformatione per diversa Galliarum in quibus tepuerat disciplina monasteria, Parisius ageremus, subito in communi audientia conclamatum est super enormitate et infamia cujusdam monasterii sanctimonialium, quod dicitur Argentolium, in quo paucae moniales multiplici infamia ad ignominiam suis ordinis degentem, multo tempore spurca et infami conversatione omnem ejusdem loci affinitatem foedaverant. Cumque omnes qui aderant, illarum expulsioni insisterent, venerabilis abbas Sancti Dionysii Suggerius, emunitatibus suis Apostolicorum confirmatione certissimis in medium ostensis, praefatum monasterium ad jus ecclesiae suae pertinere satis evidenter ostendit. Unde nos, cum fratribus praenominatis communicato concilio, et quia illud venerabile coenobium, potissimum in suis temporibus, inter alia Galliae totius monasteria, Dei misericordia et sanctorum martyrum intercessione, omni religione irradiatum vidimus, non solum eius justitiae, verum etiam illarum miseriae consulentes, hanc ei injunximus obedientiam, illis in religiosis locatis monasteriis, ibidem monachos suos, qui Deo religiose deserviant, substitueret. Et ut haec nostrae restitutionis concessio tam sibi quam posteris firmissime in posterum habeatur, ei apostolica auctoritate nostrique sigilli corroboratione in sempiternum confirmavimus: hoc idem Parisiensi episcopo Stephano, in cuius parochia est, primum faciente et confirmante...

Im Namen des höchsten Gottes und unseres Retters Jesus Christus, Matthäus, von Gottes Gnaden Bischof von Albano und Legat des Heiligen Stuhles.

Weil es ja bekanntlich in der Macht unseres Amtes steht, uns um die kirchliche Glaubenspraxis mit höchster Sorgfalt und Gläubigkeit zu kümmern, alles Unreine zu eliminieren, auch Nießbrauch emsig zu beseitigen, so ist es umso mehr unsere äußerste Pflicht, wachsam zu sein. Deswegen verhandelten wir neulich in Paris in Gegenwart des durchlauchtesten Königs der Franken, Ludwig, mit unseren bischöflichen Brüdern, Erzbischof Rainald von Reims, Bischof Stephan von Paris, Bischof Gottfried von Chartres, Bischof Joscelin von Soissons und vielen anderen mehr über eine Ordensreform in verschiedenen gallischen Klöstern, in denen die Klosterzucht nachgelassen hatte. Da erhob sich plötzlich bei der allgemeinen Audienz ein Geschrei über die ungeheure Ruchlosigkeit eines Nonnenklosters namens Argenteuil, in welchem wenige Nonnen mit vielfach üblem Ruf zur Schande ihres Ordens lebten und immer wieder mit schmutzigem und unanständigem Lebenswandel die ganze Umgebung dieses Ortes besudelt hatten. Während alle Anwesenden für ihre Vertreibung plädierten, legte der ehrwürdige Abt Suger von Saint-Denis einige vom Heiligen Stuhl als absolut echt bestätigte Privilegien vor, mit denen er genügend eindeutig belegte, dass das genannte Kloster in das Besitzrecht seines eigenen Klosters falle. Da beriefen wir mit den genannten Brüdern eine Ratsversammlung ein. Weil wir sahen, dass jenes ehrwürdige Kloster - das bedeutendste seiner Zeit unter den anderen Klöstern ganz Galliens - durch das Erbarmen Gottes und die Fürbitten der Heiligen Märtyrer vom Gottesglauben erleuchtet war, haben wir uns nicht nur um dessen Recht, sondern auch um das Elend jener Nonnen gekümmert und Saint-Denis die Verpflichtung auferlegt, jene Nonnen in verschiedenen Klöstern unterzubringen, ebendort jedoch seine Mönche einzusetzen, damit sie Gott fromm dienten. Und damit diese unsere Zustimmung zur Rückerstattung nicht nur ihm, sondern auch späteren Generationen unverbrüchlich gelte, haben wir es kraft der Apostolischen Autorität mit unserem Siegel auf immer und ewig bekräftigt. Dem hat sich der Pariser Bischof Stephan, in dessen Sprengel das Kloster liegt, als erster der Unterzeichner angeschlossen...

Anlässlich der Krönung des Königssohns in Reims zu Ostern 1129 wurde dann auch ein Königsdiplom über die Restitution veröffentlicht. Bischof Stephan von Senlis wiederum hatte unmittelbar nach der Synode von Saint-Germain-des-Prés ein Schreiben an Papst Honorius gerichtet. Dieser bestätigte schon am 23. April 1129 die Richtigkeit des Konzilsbeschlusses. Nachdem  Innozenz II. im folgenden Jahr die Nachfolge des genannten Papstes angetreten hatte, erwirkte Abt Suger am 2. November 1130 in Cluny von diesem erneut eine Bestätigung der Vorgänge vom Vorjahr. All diese Schreiben, die untereinander nur wenig abweichen, liegen heute nicht mehr als Originale vor, sondern finden sich als Abschriften in drei Kartularien aus Saint-Denis, welche im Nationalarchiv und in der Nationalbibliothek Frankreichs aufbewahrt werden. [3] Soweit die Aktenlage.

Im Folgenden wird nun die Bulle des Papstes Honorius wiedergegeben, der seinerseits auf den vorangegangenen Brief des Pariser Bischofs Stephan von Senlis Bezug nahm: [4]

Honorius episcopus, servus servorum dei, dilecto in Christo filio Suggerio abbati Sancti Dionysii salutem et apostolicum benedictionem.
Tunc religionis amor et caritatis unitas in sui status perfectione servabuntur, si quod a membris ecclesiae rationabili dispositione constituitur, a capite roboretur. Nos igitur in sede B. Petri apostoli, cui Christus ecclesiarum omnium contulit principatum, licet indigni a Domino constituti, unitatem spiritus in vinculo pacis conservare volumus, et quae a fratribus nostris constituta sunt, propensiore studio auctoritate apostolica confirmare. Venerabilis siquidem frater noster Stephanus Parisiensis Episcopus, sicut et suarum litterarum inspectione cognovimus, monasterium Argentolium, in quo quaedam malae, prout dicebatur, vitae mulieres vivebant, quod etiam ex antiquis Regum praeceptis cognoverat jure Monasterio sancti Dionysii pertinere, in presentia venerabilium fratrum nostrorum Matthaei Albanensis Episcopi Apostolicae sedis Legati, Rainaldi Remensis Archiepiscopi, Gaufridi Carnotensis, Gosleni Suessionensis Episcoporum hortatu etiam karissimi filii nostri Ludovici illustris et gloriosi Regis Francorum, dilecte in Domino fili Suggeri Abbas intuitu religionis tibi et monasterio sancti Dionysii salvo jure Parisiensis Ecclesiae concessit, ita tamen, ut mulieribus in religiosis locis ubi animas passint salvare provideas. Quod ergo pro reformandae religionis amore de praefato monasterio a praedicto Stephano Parisiensi Episcopo statutum est, auctoritate nostra firmamus et firmum volumus futuris temporibus permanere. Tuae igitur dilectioni mandamus ut ad religionem et monasticum ordinem in praefato loco statuendum diligenti vigilentia studeas et ne praedictarum mulierum aliqua in tua culpa depereat in locis religiosis solicita cura provideas. Datum Laterani, Nono kal. Maii.

Bischof Honorius, Diener der Diener Gottes, entbietet dem geliebten Sohn in Christus, Abt Suger von Saint-Denis, Gruß und apostolischen Segen! Dann werden die Liebe zur Religion und die Einheit der Nächstenliebe in vollkommenem Zustand erhalten werden, wenn vom Haupt der Kirche das bestätigt wird, was von den Gliedern nach vernünftigem Konzept beschlossen wird. Wir also auf dem Sitz des Apostels Petrus, dem Christus die Herrschaft über alle Kirchengemeinden übertragen hat, wollen - freilich als Unwürdige, obwohl wir vom Herrn eingesetzt sind - die Einheit des Geistes im Band des Friedens bewahren und das, was von unseren Brüdern beschlossen worden ist, mit bereitwilligem Bestreben durch die apostolische Autorität bestätigen. Wie wir aus seinem Brief zur Kenntnis genommen haben, hat unser ehrwürdiger Bruder Stephan, Bischof von Paris, in Erfahrung gebracht, dass das Kloster Argenteuil nach alten Königsdiplomen dem Kloster Saint-Denis gehörte. Deshalb hat er dieses Kloster, in dem - wie man sagte - einige Frauen schlechten Lebenswandels wohnten, in Anwesenheit unserer Brüder, des päpstlichen Legaten, Bischof Matthäus von Albano, des Erzbischofs Rainald von Reims, der Bischöfe Gottfried von Chartres und Joscelin von Soissons, und auf Anmahnen unseres teuersten Sohnes Ludwig, des berühmten und ruhmreichen Königs der Franzosen, Dir, Abt Suger, geliebter Sohn im Herrn, im Hinblick auf Deine Religion, und somit dem Kloster des Heiligen Dionysius, überlassen - unbeschadet des Rechts der Pariser Kirche -, unter der Auflage, dass Du für die Frauen Klosterplätze besorgst, wo sie ihre Seelen retten können. Alles, was aus Liebe, den Ordensstand zu erneuern, von genanntem Pariser Bischof Stephan in Bezug auf das genannte Kloster beschlossen worden ist, bekräftigen wir für jetzt und für alle Zeiten, kraft unserer Autorität. Deiner Wertschätzung vertrauen wir an, dass Du mit Umsicht und Achtsamkeit den Glauben und die Klosterordnung an genanntem Ort etablierst und sorgfältig darauf achtest, dass keine der genannten Frauen aus Deiner Schuld in den Klöstern zugrunde gehe. Gegeben im Lateranspalast, am 23. April.

Papst Honorius selbst hatte sich ganz offensichtlich auf die Angaben des Pariser Bischofs verlassen. Von einer eigenen Prüfung der Besitzurkunden ist keine Rede. Er bestätigte lediglich, dass Stephan von Senlis nach alten Königsdiplomen - ex antiquis regum preceptis -  entsprechende Rückschlüsse über den eigentlichen Besitzstand Argenteuils gezogen hatte. Darauf wird weiter unten noch einzugehen sein. Die spätere Bestätigungsurkunde von Papst Innozenz II. gibt keine weiteren Aufschlüsse und kann deshalb übergangen werden.

Der Brief Stephans von Senlis, auf den sich Papst Honorius bezogen hatte, entspricht im Wortlaut so sehr dem oben stehenden Protokoll des päpstlichen Legaten, dass er ebenfalls keiner ausführlicheren Besprechung bedarf.

Am Tag der Krönung des Prinzen Philipp im Reims, am 14. April 1129, verlasen König Ludwig VI. und sein designierter Nachfolger das Diplom, welches die Besitzansprüche von Saint-Denis an Argenteuil bestätigte. Es war weder in Reims abgefasst worden, noch stammte es aus der königlichen Kanzlei, sondern es war zuvor in Saint-Denis unter der Federführung Sugers angefertigt worden.  [5]

Zunächst sei das oben stehende Protokoll des päpstlichen Legaten Ausgangspunkt, um einige der Hintergründe der damaligen Vertreibung zu erhellen:

 

Das Betragen der Nonnen von Argenteuil

 

Heloisa und Abaelard in Argenteuil - im Refektorium von Argenteuil, gemeinsam mit Sohn Astralabius. Aus: Fessler, I., Abälard und Heloisa, Band I, Karlsruhe 1810 Im Schreiben des päpstlichen Legaten wird von - männlicher - Entrüstung über den ruchlosen Lebenswandel der Nonnen - spurca et infami conversatione - gesprochen. Immerhin wird dieser Vorwurf sogleich eingeschränkt: Nur einige wenige Nonnen - paucae moniales - hätten sich daneben benommen. Gleich danach wird der Vorwurf präzisiert: Sie hätten die Nachbarschaft des Ortes besudelt - omnem ejusdem loci affinitatem foedaverant. Was konnte dies anderes bedeuten, als dass einige der Nonnen den Konvent verlassen hatten, um der Prostitution nachzugehen?

Dass zur Zeit Heloïsas in Argenteuil für konservative Kirchenkreise anstößige Verhältnisse herrschten, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Abaelard selbst hatte berichtet, er habe nach dem Klostereintritt Heloïsas dort noch sexuellen Kontakt mit ihr gehabt, und zwar im Refektorium des Klosters, unter dem Bild der Gottesmutter und vielleicht unter der stillschweigenden Duldung der damaligen Äbtissin: [6]

Nosti post nostri federationem conjugii, cum Argenteoli cum sanctimonialibus in claustro conversareris, me die quadam privatim ad te visitandam venisse, et quid ibi tecum mee libidinis egerit intemperantia in quadam etiam parte ipsius refectorii, cum quo alias diverteremus, non haberemus. Nosti, inquam, id impudentissime tunc actum esse in tam reverendo loco et Summe Virgini consecrato...

Als wir unseren Ehebund schon geschlossen hatten, und Du in Argenteuil bei den frommen Schwestern im Kloster weiltest, da kam ich - Du erinnerst Dich daran - eines Tages zu einem Privatbesuch. Du weißt es noch, was ich bei diesem Besuch in meiner gierigen Unbeherrschtheit mit Dir begangen habe, in einer Ecke des Refektoriums. Wir hatten ja sonst keinen Raum, in den wir uns hätten zurückziehen können. Du erinnerst Dich noch, welch schändliche Dinge wir an diesem ehrwürdigen, der Muttergottes geweihten Ort trieben...

Diese Textstelle der Historia Calamitatum ist bezeichnend. Zwar hatte Heloïsa zum betreffenden Zeitpunkt noch nicht die ewigen Gelübde abgelegt und weilte lediglich als Gast im Kloster. Sie hatte dennoch Zutritt zum inneren Klosterbezirk, ja sogar zum beheizten [7] und viel betretenen Refektorium und konnte dort ein intimes Stelldichein mit Abaelard organisieren.

Keinesfalls darf man aus diesem Vorfall jedoch ableiten, dass die spätere Priorin und Äbtissin Heloïsa - nach ihrer Vertreibung aus Argenteuil - einer entsprechend lasziven Klosterpraxis Vorschub geleistet hätte. Sie und ihre Begleiterinnen scheinen vielmehr eine eher reformatorische Gruppierung dargestellt haben, wie ihre gesamte weitere Ordenslaufbahn belegt. Während ihrer Zeit im Paraklet warnte Heloïsa jedenfalls eindringlich vor den Folgen einer zu liberalen Ordensregel: [8]

0 quam facilis ad ruinam animarum virorum ac mulierum in unum cohabitatio...

Oh wie leicht wird das Zusammenwohnen von Männern und Frauen unter einem Dach zum Verderben der Seelen...

Vielleicht hat diese Äußerung Heloïsas ihre schlechte Erfahrung aus Argenteuil widergespiegelt!

 

Vertreibung als kirchenpolitisches Machtmittel

 

Der im Konzil von Saint-Germain-des-Prés gegen die Nonnen von Argenteuil erhobene Vorwurf war keine Singularität. Auch andere Nonnenkonvente in Frankreich sahen sich damals dem Vorwurf der Unzucht und Kuppelei ausgesetzt. Die Vertreibung von Nonnen war somit beileibe kein Einzelfall, sondern gängige Praxis.

Schon im Jahr zuvor - am Anfang des Jahres 1128 - war der Legat des Papstes Honorius, Matthäus von Albano, selbst Franzose, Freund Bernhards von Clairvaux und Petrus' Venerabilis von Cluny, vormaliger Mönch letzteren Konvents und Prior von Saint-Martin-des-Champs, nach Nordfrankreich gereist, um einige Klöster zu reformieren. Auf dem Konzil von Reims am 1. August 1128 bestätigte er, dass die Nonnen von Notre-Dame und Saint-Jean in Laon aus ihren Konventen entfernt und durch Mönche ersetzt werden sollten. Dieser Beschluss wiederum war schon am 10. Mai desselben Jahres in Arras gefasst worden, ebenfalls mit Zustimmung König Ludwigs VI. Wiederum Jahrzehnte zuvor - im Jahre 1060 - war die vormalige Äbtissin von Saint-Jean wegen moralischer Dekadenz ihres Amtes enthoben und vertrieben worden. Der Vorgang von 1128 hatte also eine historische Vorlage. Die Konzilsakten von Reims sprachen davon, dass die Nonnen unwürdig und ungeheuerlich - indigne et enormiter - lebten; die Mönche wurden zur Hebung des Ordensstandes - ad meliorem religionis statum  - eingesetzt. In einer Bulle des Jahres 1130 bestätigte Papst Innozenz II. das unmoralische und skandalöse Leben der Nonnen aus Laon. [9]

Ein ähnlicher Vorgang hatte sich schon zwei Dekaden früher - im Jahre 1107 - mitten in Paris ereignet. Damals war durch Bischof Galon der Nonnenkonvent von Saint-Eloi im Herzen der Pariser Seine-Insel ebenfalls unter dem Vorwand der Unzucht - fornicationis spelunca - in einer Blitzaktion zerschlagen worden. Wenn man die erhaltenen Akten zu diesem Vorgang liest, ist unschwer zu erkennen, dass ganz andere Motive als bloße Prostitution bei dieser Vertreibung eine Rolle gespielt haben könnten. So hatte zuvor die wackere Äbtissin des Konvents immer wieder versucht, sich der schikanierenden Jurisdiktion des Pariser Bischofs zu entziehen. Ein überliefertes Schreiben zu diesem Vorgang sprach sogar von Verschwörung. Im übrigen verfügte der große Konvent über erheblichen Grundbesitz zwischen dem Königspalast im Westen der Seine-Insel und dem bischöflichen Bezirk im Osten, was territoriale Begehrlichkeiten nach sich gezogen haben dürfte. Die Vertreibung, die von König Philipp I. bestätigt wurde, war der leichteste Weg, eine Umverteilung des Besitzes vorzunehmen. In der Tat wurde der Konvent in ein unbedeutendes Priorat der Mönche von Saint-Maur-des-Fossés mit einer geradezu lächerlichen Mindestbesetzung von zwölf Mönchen umgewandelt. Wenig später wurde der Stadtkern von Paris in großem Umfang neu gestaltet. Dieser Maßnahme fielen auch eine Reihe von Kanonikerhäusern zum Opfer. Jahre später - um 1134 - wurden durch den Abt von Saint-Maur-des-Fossés Bedenken geäußert, dass diese Vertreibung rechtens gewesen sei. Bischof Stefan von Senlis bestätigte mehr oder minder die Unrechtmäßigkeit des Vorgangs - ganz anders als im Falle Argenteuils fünf Jahre zuvor! [10]

Weitere Beispiele für derartige, von Misogynie und Brutalität gekennzeichneten Willkürmaßnahmen ließen sich anführen:

Der normannische Geschichtsschreiber Ordericus Vitalis berichtete ebenfalls über die Brandschatzung von Nonnenklöstern und die Vertreibung ihrer weiblichen Insassen. Seinen Angaben nach wurden bereits auf dem Konzil von Rouen im Jahre 1072 Statuten zur Frage verfasst, wie kirchlicherseits mit vertriebenen Ordensleuten zu verfahren sei.  [11]

Nicht immer war eine solche Vertreibung endgültig. Mitunter kam es auch zur Wiedereinsetzung von vertriebenen Nonnen. Einem Schreiben des Papstes Kallixtus II. an Bischof Wugrinus von Bourges vom 3. Dezember 1120 entnehmen wir, dass dabei auch weltlicher Einfluss eine Rolle spielen konnte. So waren in einem Konvent bei Bourges mit päpstlicher Genehmigung Nonnen vertrieben, später jedoch durch die Intervention des lokalen Adels wieder eingesetzt worden. Der Papst verlangte unter Androhung von Exkommunikation und Kirchenbann die Wiederherstellung der alten Verhältnisse. [12]

Selbst Nonnenkonvente mit großer Tradition, wie der Konvent von Yerres, schienen vor Vertreibung nicht gefeit. Warum hätte sonst der Pariser Bischof Stephan von Senlis expressis verbis in diesem Zusammenhang eine Schutzurkunde ausgestellt? Ne mulieres eicerentur firmavit[13]

Zusammenfassend relativiert sich der Vorwurf der Unzucht durch die Nonnen von Argenteuil vor dem Hintergrund wirtschaftlicher oder machtpolitischer Interessen sehr. Im Falle Argenteuils besteht besonders ein entsprechender Verdacht, da man abschwächend nur von einigen wenigen - paucae - unzüchtigen Nonnen sprach. Außerdem hatten der päpstliche Legat und nach ihm Papst Honorius II. verlangt, dass der Konvent von Saint-Denis für die vertriebenen Nonnen zu sorgen habe - ohne Verlust ihres Status! Nichtsdestotrotz scheint die Vertreibung ein gewaltsamer Vorgang gewesen zu sein. Abaelard bestätigte dies in der Historia Calamitatum: [14]

Conventum inde sanctimonialium... violenter expelleret...

Man vertrieb den Nonnenkonvent unter der Anwendung von Gewalt...

 

Der weitere Verbleib der Nonnen von Argenteuil

 

Es liegen heute keine authentischen Zeugnisse darüber vor, wohin sich die Nonnen Argenteuils nach der Vertreibung wandten. Abt Suger und der Konvent von Saint-Denis schienen sich entgegen der Abmachung mit dem päpstlichen Legaten [15] nicht vorrangig um deren Verbleib gekümmert zu haben. Zumindest ist kein entsprechender Vorgang bekannt geworden. Abaelards Angaben in der Historia Calamitatum nach spaltete sich der Konvent in mehrere Gruppierungen auf. Eine davon führte Heloïsa im Range der Priorin an. Dies muss eigentümlich erscheinen, wäre doch am ehesten zu erwarten, dass sich Heloïsa der Äbtissin angeschlossen hätte. Deshalb wurde vereinzelt darüber spekuliert, ob nicht die Äbtissin kurz zuvor verstorben, und eine Nachfolgerin noch nicht gewählt war. In diesem Fall hätte Heloïsa die kommissarische Ordensleiterin dargestellt. Doch dies ist nicht sehr wahrscheinlich, hatte sie doch nur eine sehr kleine Zahl vertrauter Nonnen mit sich genommen, wie Abaelard später schilderte. Er sprach sogar von Anhängerinnen - so, als ob Heloïsa eine eigene Ordenspolitik vertreten hätte. Auf jeden Fall mussten die Nonnen spätestens bis zum nachfolgenden Herbst/Winter 1129/1130 eine neue Bleibe gefunden haben: [16]

Ubi illa comes nostra prioratum habebat... Que cum diversis locis exules dispergerentur... eam cum quibusdam aliis de eadem congregatione ipsi adherentibus ad predictum oratorium invitavi...

Wo meine Gefährtin das Priorat inne hatte... Sie wurden in verschiedene Richtungen heimatlos versprengt... Da lud ich sie mit einigen Anhängerinnen aus demselben Konvent in mein bereits erwähntes Oratorium ein...

Mitunter ist bestritten worden, dass Heloïsa überhaupt Nonne, geschweige denn Priorin von Argenteuil gewesen sei. [17]

Dem ist entgegenzuhalten, dass ihre Zuordnung zu Argenteuil auch durch das Totenbuch des Paraklet unterstützt wird, welches einen entsprechenden Kommemorationstermin enthielt. [18] Laut Duchesne soll ein weiterer Kalendereintrag bestanden haben, welcher Heloïsa eindeutig als Priorin von Argenteuil auswies. [19] Im Übrigen bestätigte auch Wilhelm von Nangis in der ihm zugeschriebenen, auf zeitgenössischen Quellen basierenden Chronik, dass Heloïsa Nonne von Argenteuil gewesen sei und von dort mit ihren Begleiterinnen vertrieben worden war. [20]

Eine größere Gruppe von Nonnen flüchtete sich in den Konvent Sainte-Marie-de-Footel in Malnoüe bei Champigny an der Marne. Diese Information stammt von Dom Gervaise, einem der ersten Biographen Abaelards und Heloïsas. Dreißig Nonnen seien damals dort eingetreten.  [21]

Argenteuil - Die Vertreibung, Suger und Heloisa, Szene aus dem Film Stealing Heaven von 1988Im Jahre 1164 - 13 Jahre nach Abt Sugers Tod - versuchte Maurice de Sully, Bischof von Paris, die Nonnen von Argenteuil wieder zu reetablieren, wobei er angab, dass die Rechtsgrundlage der Vertreibung eine zweifelhafte gewesen sei. Er ging sogar so weit, die Wiedereinsetzung einer Äbtissin und die Rückerstattung aller Güter zu verlangen. Es kam zu einem Rechtsstreit, und man setzte eine Untersuchungskommission ein. Milo, Erzpriester aus Mailand, Osimund, Kanoniker aus Notre-Dame, und Haimerich, Mönch aus Saint-Denis, trafen sich im Bischofspalast von Paris, im Beisein des Papstes Alexander III. Die Verhandlungen verliefen ergebnislos; man entschied, zunächst alles beim Alten zu lassen. Die Auseinandersetzungen um Argenteuil zogen sich dennoch bis 1207 hin: Als nächstes reklamierten der Pariser Bischof Odo von Sully und die Äbtissin von Sainte-Marie-de-Footel finanziellen Ausgleich für die Aufnahme der Nonnen von Argenteuil. Abt Heinrich von Saint-Denis gab schließlich nach und verpflichtete sich, dem Nonnenkonvent den Zehnten von Tremblay über 200 Arpents Land im Wert von zehn Pfund zu überlassen. Er erhielt dafür im Gegenzug die Aufgabe der Besitzansprüche durch den Konvent von Malnoüe. Der Bischof verpflichtete sich seinerseits, nie mehr die Entfernung der Mönche zu verlangen. Er erhielt dafür von Saint-Denis weitgehende juristische Vollmachten, u. a. das Exkommunikations- und Interdiktsrecht, außerdem - zusammen  mit dem Erzdiakon - eine jährliche Rentenzahlung von je 60 bzw. 20 Solidi. So wurde der Streit beigelegt, ohne dass die Nonnen je Argenteuil zurückerhalten hätten.  [22]

Überraschenderweise machte eigene Nachforschung im Nonnenkonvent von Yerres südlich von Paris die vermutlich letzte Äbtissin des Paraklet ausfindig: Diese Äbtissin hieß Mathilde, wie durch einen Eintrag im aus dem 13. Jahrhundert stammenden Totenbuch der Abtei von Yerres für den 25. März festgehalten ist: VII Kal. Matildis, abbatissa Argentheoli. Wir nehmen an, dass die Äbtissin nach der Vertreibung aus Argenteuil im Jahre 1129 drei Jahre später in diesem Nonnenkonvent aufgenommen worden war. Das Kloster Yerres war im Jahre 1132 unter Bischof Stephan von Senlis reformiert und erneut auf die Benediktsregel verpflichtet worden. Damals wurde von Papst Innozenz II. ein Vertreibungsverbot erlassen. [23]  Einem Eintrag in der Totenrotel des Abtes Vitalis von Savigny aus dem Jahre 1122 zufolge trugen drei zwischenzeitlich verstorbene Äbtissinnen Argenteuils die Namen Asilia, Adela und Judith. [24] Dies passt gut zur Annahme, dass die letzte noch lebende Äbtissin von Argenteuil in der Tat den Namen Mathilde trug, welcher im Totenbuch der Abtei von Yerres für die Zeit nach 1132 erwähnt wurde. Inwieweit diese Äbtissin einen Teil ihres ehemaligen Konvents um sich versammelt hatte, muss offen gelassen werden.

Sicher ist jedoch, dass sowohl die Abtei von Yerres als auch diejenige von Malnoüe unter dem Einfluss des Pariser Bischofs standen. Insofern muss das Verhalten Heloïsas und ihrer Anhängerinnen nach der Vertreibung als der mutige Versuch verstanden werden, sich der bischöflichen Willkür auf Dauer zu entziehen. [25]

 

Abt Sugers Besitzansprüche

 

Saint-Denis, Federzeichnung von Civeton, Christophe, 1796-1831 Mag das ungebührliche Verhalten der Nonnen von Argenteuil Anlass zur Vertreibung gewesen sein, so bestand die eigentliche Rechtfertigung des Besitzübergangs darin, dass Abt Suger von Saint-Denis aufgrund von Dokumenten, die in seinem Besitz zu haben er vorgab, seit alters her bestehende Rechte an dem großen und reichen Nonnenkonvent anmeldete. Seine Version der frühen Geschichte Argenteuils fand Eingang in die allgemeine Geschichtsschreibung von Saint-Denis. Dom Félibien, der wichtigste Chronist von Saint-Denis, bestätigte 1706, Argenteuil habe seit seiner Gründung zu Saint-Denis gehört. Laut einer Carta König Ludwigs des Frommen, des dritten Sohnes Karls des Großen, 778 bis 840, habe dieser verfügt, dass nach dem Tode seiner Schwester, der vormaligen Prinzessin und späteren Äbtissin von Argenteuil, Theodrada, der Konvent von Argenteuil an Saint-Denis zurückfallen solle. [26] Darauf wird noch ausführlicher einzugehen sein. Zunächst ist festzuhalten, dass diese Ansicht von vielen späteren Historikern kritiklos übernommen wurde.

Es lohnt sich, den Formulierungen Sugers etwas gründlicher auf die Spur zu gehen:

Die oben stehende Stellungnahme des päpstlichen Legaten, Matthäus' von Albano, hatte ja nur etwas vage von durch den Heiligen Stuhl als echt befundenen Privilegien gesprochen - emunitates suae Apostolicorum confirmatione certissimae. Welcher Art diese Privilegien waren, blieb in dem Protokoll offen.

Abaelard ließ in seiner Historia Calamitatum seinerseits zweierlei durchblicken: 1. dass Sugers Vorgehen skrupellos war: Ihm war jedes Mittel recht, Argenteuil zu erwerben - quocumque modo acquireret 2. dass er die Besitzansprüche des Abtes für fragwürdig hielt: Als ob die Abtei seit alters her ins Besitzrecht seines Klosters fiele... - abbatiam...tanquam ad ius monasterii sui antiquitus pertinentem. Trotzdem war seine Stellungnahme im Vergleich zu seiner sonstigen Argumentationsweise sehr zurückhaltend. Ja er bezeichnete Suger sogar ehrerbietig als unser Abt - abbas noster. Dies geschah zu einer Zeit, als Abaelard selbst längst Abt in der Bretagne und unabhängig von Saint-Denis war.

Glücklicherweise existieren weitere zeitgenössische Dokumente aus der Hand Sugers, die den Vorgang um Argenteuil wiedergeben: Das Testamentum Sugers (Juni 1137), die Vita Ludovici (gegen 1143) und das De rebus in administratione sua gestis (gegen 1145).

In diesen Dokumenten finden sich folgende Passagen: [27]

Testament Sugers

Es ist uns durch unsere Hartnäckigkeit geglückt, das Kloster von Argenteuil, das Saint-Denis vor fast dreihundert Jahren gegründet und anderen überlassen hatte, und das durch den losen Lebenswandel der Nonnen fast ruiniert worden war, wieder in unseren Besitz zu bekommen - während des Pontifikats des denkwürdigen Papstes Honorius II., der es uns durch ein Privileg bestätigte, und unter der Herrschaft des berühmten Königs Ludwig VI., der es uns gleichermaßen zugestand...

Vita Ludovici VI

Cui successit de Hostiensi Episcopo approbata persona assumptus Papa Honorius vir gravis et severus, qui cum justitiam nostram de Monasterio Argentoilensi puellarum, miserrima conversatione infamato, tum Legati sui Mathaei Albanensis Episcopi, tum domini Carnotensis, Parisiensis, Suessionis, domini etiam Archiepiscopi Remensis Rainaldi et multorum virorum testimonio cognovisset, praecepta Regum antiquorum Pipini, Caroli Magni, Ludovici Pii et aliorum de jure loci praefati, a nuntiis nostris oblata perlegisset, curiae totius persuasione, tam pro nostra justitia, quam pro earum foetida enormitate beato Dyonisio et restituit, et confirmavit...

Ihm folgte... Honorius II. nach, ein ernster und strenger Mann. Er wusste von der Rechtmäßigkeit unserer Sache bezüglich des Klosters Argenteuil, welches durch das schändliche Betragen der jungen Nonnen entehrt worden war. Es war ihm nicht nur von seinem Legaten Matthäus von Albano, sondern auch von den Herren Bischöfen von Chartres, Paris, Soissons, vom Erzbischof Rainald von Reims und verschiedenen anderen Personen bestätigt worden. Er hatte außerdem fast alle Erlässe früherer Könige, Pippins, Karls des Großen, Ludwigs des Frommen und anderer gelesen, die sich auf unser Recht an dem fraglichen Ort bezogen. Die waren ihm durch unsere Boten vorgestellt worden. Da kam der Papst nach Beratung mit seiner Kurie überein, sowohl in Bezug auf die Gerechtigkeit unserer Sache als auch in Bezug auf den schockierenden Skandal der Nonnen: Er erstattete dieses Kloster Saint-Denis zurück, mit Nachdruck...

De administratione

Cum aetate docibili adolescentiae meae antiquas armarii possessionum revolverem cartas et immunitatum biblos propter multorum calumniatorum improbitates frequentarem crebro manibus occurrebat de coenobio Argentoilensi fundationis Carta ab Hermenrico et conjuge ejus Numma in qua continebatur quod a tempore Pipini Regis beati Dionysii Abbatia extiterat. Sed quadam occasione contractus incommodi in tempore Karoli Magni filii ejus alienata fuerat. Praefatus enim Imperator ut quandam filiam suam matrimonium humanum recusantem ibidem Abbatissam sanctimonialium constitueret, eo pacto ut post mortem ejus in usum Ecclesiae reverteretur, ab abbate et fratribus obtinuerat. Sed turbatione regni filiorum filii ejus videlicet Ludovici Pii, altercatione quo ad usque supervixerat, perfici non potuit. Unde cum antecessores nostri saepius super hoc laborantes parum profecissent, communicato cum fratribus nostris consilio nuncios nostros et cartas antiquas fundationis et donationis et confirmationum Privilegia, bonae memoriae Papae Honorio Romam delegavimus: postulantes ut justitiam nostram, canonico investidaret et restitueret scrutinio. Qui ut erat vir consilii et justitiae tutor, tam pro nostra justitia quam pro enormitate monacharum ibidem male viventium eundem nobis locum cum appendiciis suis ut reformaretur ibi religionis ordo, restituit. Rex vero Ludovicus, filius Philippi, charissimus dominus et amicus noster, eandem restitutionem confirmavit et quaecumque regalia, ibidem, habebat auctoritate Regiae Majestatis Ecclesiae praecepto firmavit. Cujus quidem recuperationis tenorem, si quis plenius posse voluerit in Cartis Regum et privilegiis apostolicorum enucleatius poterit reperire...

Als ich im wissbegierigen Jugendalter alte Besitzurkunden im Archiv las und häufig die Kartularien wegen der Unehrlichkeit zahlreicher Schacherer nachsah, da fiel mir immer wieder die Gründungscarta des Klosters Argenteuil durch Hermenricus und seine Frau Numma in die Hand: Dort stand, dass es zur Zeit Pippins, des Kurzen, zu Saint-Denis gehört hatte. Aber unter seinem Sohn Karl, dem Großen, war es durch einen unvorteilhaften Vertrag aufgegeben worden: In der Tat hatte es dieser Kaiser vom Abt und den Brüdern erhalten, um dort seine Tochter, die eine weltliche Hochzeit abgelehnt hatte, als Äbtissin an der Spitze der Nonnen zu installieren - unter der ausdrücklichen Bedingung, dass es nach ihrem Tode an Saint-Denis zurückfallen sollte. Aber diese Rückerstattung konnte nicht stattfinden - zum Teil wegen der Unruhe im Königreich, die durch die Söhne seines Sohnes, Ludwigs des Frommen, hervorgerufen worden war, zum Teil durch das Überleben der Äbtissin bis zu dieser Zeit. Da es unseren Vorgängern trotz wiederholter Versuche nicht geglückt war, dieses Kloster wieder zu erhalten, haben wir uns mit unseren Brüdern beratschlagt und Boten zu Papst Honorius geschickt, die die alten Cartas der Gründung und Schenkung und die Privilegien der Bestätigung bei sich trugen - mit der Bitte, kanonisch unsere Sache zu prüfen und uns Argenteuil zurückzuerstatten. Dieser hat, weil er ein überlegter Mann und Beschützer der Gerechtigkeit war, sowohl wegen unseres Rechts als auch wegen der Ruchlosigkeit und des schlechten Lebenswandels der dortigen Nonnen uns den Ort mit seinen Besitzungen zurückerstattet, damit dort der Ordensstand reformiert werde. König Ludwig VI., der Sohn König Philipps, unserer teuerster Herr und Freund, bestätigte seinerseits dieselbe Rückübertragung. Durch einen königlichen Erlass bestätigte er gleichermaßen die Rückerstattung als auch seine königlichen Rechte an diesem Ort. Wer auch immer den Inhalt der Erwerbung in seiner Gesamtheit kennen lernen wollte, konnte sich sehr leicht in den königlichen Akten und den päpstlichen Privilegien informieren.

Wie unschwer zu erkennen ist, handelte es sich bei den Stellungnahmen Sugers um relativ subjektive Berichte. So reklamierte er zwar in allen Quellen das Recht an Argenteuil, gab aber nur in De administratione überhaupt einen detaillierten Grund dafür an. Dagegen schilderte er das Betragen der Nonnen relativ knapp - in der wichtigsten, zuletzt zitierten Quelle nur als Nebensächlichkeit. Mit keinem Wort erwähnte Suger den Vorgang der Vertreibung, geschweige denn dessen Gewaltsamkeit. Auch Heloïsa fand keine Erwähnung, obwohl diese zur Zeit der Abfassung des Berichts bereits die weit über die Grenzen der Champagne hinaus bekannte Äbtissin des Paraklet war.

 

Die frühe Geschichte von Argenteuil nach alten Urkunden

 

Sugers Schilderung in De administratione wirft in der Tat die Frage auf, wie es mit der damaligen Aktenlage bestellt war. Glücklicherweise kann man sich aufgrund einiger Urkunden, die heute zur Verfügung stehen, ein eigenes Bild machen:

Der bis in unsere Tage überlieferten Version nach soll der Konvent zwischen 650 und 675 von einem gewissen Ermenricus und seiner Frau Mumana gegründet worden sein. [28] Wie soeben zu erfahren war, beruhen diese Angaben im Wesentlichen auf den Aussagen Sugers. Er hatte sie wiederum einer Carta Kaiser Ludwigs des Frommen aus dem Jahr 828 entnommen, deren Authentizität umstritten ist, wie weiter unten noch ausführlich erörtert wird. Insofern liegt die eigentliche Gründung des Klosters Argenteuil im Dunklen. Eine Urkunde darüber hat sich nicht erhalten.

Einem Glücksfall war es zu verdanken, dass Anfang des 18. Jahrhunderts der damalige Prior von Argenteuil und nachmalige Abt Claude Fleury einige sehr frühe Cartas Argenteuils in einem Turm des Priorates wieder entdeckte, darunter auch die bis dato älteste Urkunde, aus der Hand des Merowingerkönigs Childebert III., zugunsten einer Äbtissin Leudesinda. Sie ist datiert vom 3. April  697, war in der Pfalz von Compiègne ausgestellt worden und schildert die Besitzübertragung des Waldgebietes von Cormeilles. Die Echtheit dieser Urkunde wird im Allgemeinen nicht bezweifelt. Demnach muss die Gründung Argenteuils in der Tat vor 697 erfolgt sein. Hier der ausführliche Wortlaut des Dokuments: [29]

(Chrismon) Childeberthus, rex Francorum, v. inl. Se oportuna beneficia ad loca sanctorum, quod pro iuvameni servorum vel ancillarum Dei pertinit, libenti hanimo prestamus et hoc nobis ad aeterna retribucione pertenire confidemus. Ideoque cognuscat magnetudo seu hutiletas vestra quod nus silva nostra, qui vogatur Cornioletus, super fluvium Sequena, in pago Parisiaco, quicquid ibidem a longo tempore fiscus fuit, aut in giro tinuit, vel forestariae nostri usque nunc defensarunt, ad monasthirio sancti Mariae, sancti Petri et Pauli vel citerorum sanctorum, que est constructus in villa Argentoialo, ubi preest inlustris Deo sacrata Leudesinda abbatissa, pro mercidem nostri augimentum vel pro consolacione ancillarum Dei inibi referenti plena et integra gracia visi fuaemus concessisse. Adeo per presentem preceptione decernemus ordenandum, quod in perpetium volemus esse mansurum: ut neque vos, neque iuniores seu socessores vestri, nec quislibit de ipsa silva nostra Cornioletum memorati Leudesindae aut socessoris suas vel ipsius monesthiriae suae Argentoialo contradicere, nec nichil exinde minuare, nec nulla calomnia generare non presumatis, nisi quicquid superius contenitur. Ipsa silva ad integrum, sicut fiscus noster fuit, aut foresteriae nostri defensarunt, iam dicta Leudesinda vel pars ipsius monasthiriae suae Argentoiali aut congregacio ibidem consistencium omne tempore et nostra indulgencia sub aemunetatis nomene valiat habire concessum adque indultum, ita ut ad ipso sancto loco perenniter proficiat in augimentum. Et ut hec precepcio firmior habiatur et per tempora conservitur, manus nostris subscripcionebus subter eam decrivemus roborare.

(Chrismon) Childeberthus rex subscripit. (Chrismon) Vulfolaecus, iussus, optolit. Bene ualete. Datum, quod ficit, minsis abrilis, diaes tres, anno tercio rigni nostri, Compendio. In Dei nomene. Feliciter.

Urkunde Childeberts vom 3. April 697, Bibliothèque Nationale(Chrismon) Childebert, König der Franken, der berühmte Mann. Wenn wir bereitwillig den Kirchen der Heiligen Wohltaten erweisen, die den Dienern und Dienerinnen Gottes Hilfe bringen sollen, so vertrauen wir darauf, dass uns dies in der Ewigkeit zurückerstattet wird. Deshalb soll Eure Größe und Tüchtigkeit wissen, dass wir unseren Wald vom Cormeilles, gelegen an der Seine im Gau von Paris, geben. Außerdem alles, was seit langem zum königlichen Fiskus gehört hat - dort und in der Umgebung, was unsere Forstleute bis jetzt geschützt haben. Die Schenkung geht an das der Mutter Gottes und den Heiligen Peter und Paul und noch anderen Heiligen geweihte Kloster im Dorf Argenteuil, welches von der erlauchten und gottgeweihten Äbtissin Leudesinda geleitet wird. Dies geschieht zur Mehrung unseres Verdienstes und zur Unterstützung der dort lebenden Nonnen. Wir beschließen dies durch die vorliegende Urkunde. Die Schenkung soll auf immer bestehen. Weder Ihr, noch Eure Kinder und Nachfolger sollen es wagen, in Bezug auf den Wald von Cormeilles der Äbtissin Leudesinda oder ihren Nachfolgerinnen oder ihrem Kloster Argenteuil selbst irgendetwas streitig zu machen oder wegzunehmen oder Händel anzuzetteln, außer in dem oben festgesetzten Rahmen. Möge dieser Wald, ganz so wie er unser Fiskus war oder von unseren Forstleuten behauptet wurde, der genannten Leudesinda oder einem Teil des Klosters Argenteuil oder der dortigen Nonnenversammlung, alle Zeit und mit unserem Wohlwollen unter dem Titel der Immunität überlassen und gewährt sein, so dass er auf immer diesem Heiligen Ort förderlich sei. Damit dieser Erlass über die Zeiten hinweg Gültigkeit und Bestand habe, haben wir beschlossen, ihn mit unserer eigenhändigen Unterschrift zu bekräftigen.

(Chrismon) Childebert, der König, hat unterschrieben. (Chrismon) Vulfolaecus hat den Vertrag auf Befehl vorgelegt. Gehabt Euch wohl. Gegeben am dritten Tag des Monats April, im dritten Jahr unserer Herrschaft, zu Compiègne. In Gottes Namen. Glückauf.

Dieser Urkunde nach ist Argenteuil bereits 697 eindeutig als Nonnenkonvent belegt. Von einer Zugehörigkeit zu Saint-Denis ist keine Rede.

Die weitere Frühgeschichte Argenteuils liegt zunächst wieder im Dunklen. Erst im Jahre 768 wird Argenteuil erneut urkundlich genannt. Damals beurkundete der Frankenkönig Pippin III., der Vater Karls des Großen, zugunsten des Klosters Saint-Denis und seines Abtes Fulrad. [30] In dieser Urkunde wird der Konvent von Argenteuil erneut als besitzrechtlich unabhängig von Saint-Denis geschildert - in einer Reihe von weiteren, bedeutsamen Klöstern.

Pippinus gratia Dei Rex Francorum, omnibus Agentibus tam praesentibus quam et futuris... donamus ad basilicam sancti Dionysii, ubi ipse pretiosus corpore requiescit cum suis sanctis sociis, et Fulradus Abba rector praeesse videtur, donatumque in perpetuum pro animae nostrae remedium, seu et propter locum sepulturae corporis mei ad eundem sanctum locum volumus, hoc est foreste nostra cognominante Aequalina, cum omni merito et soliditate sua, quicquid ad ipsa sylva aspicere vel pertinere videtur, sicut usque nunc a nobis fuit possessa... totum et ad integrum praeter tantum quod antea exinde ad loca Sanctorum per instrumenta cartarum noscitur fuisse concessum; id sunt ad sanctum Germanum Parisiensem, et ad cellam quae vocatur Fossatis, quae sita est in ipso Parisiaco, et ad sanctum Benedictum Floriacensis Monasterii, et ad Ecclesiam sanctae Mariae Carnotensis urbe, et ad sanctam Mariam Argentogelensis Monasterii et ad sanctum Petrum Pictavensis Ecclesiae: in reliquis vero pars praefati Monasterii a die presente perpetualiter recipiat ad possedendum...

Signum + Pippini gloriosissimi Regis
Hitherius recognovi et subs.
Data mense Septembrio, anno decimo-septimo regni nostri. Actum in Monasterio sancti Dionysii. Feliciter.

Wir, Pippin, von Gottes Gnaden König der Franken, an alle jetzt und künftig Verhandelnden... Wir schenken zum immerwährenden Heil unserer Seele, bzw. als Entgelt für die künftige Grabstätte meines Leibes, den wir dort bestattet haben wollen, der Basilika des Heiligen Dionysius, wo eben der Leichnam dieses Heiligen mit seinen Heiligen Gefährten ruht, und Abt Fulrad die Leitung innehat, unseren Wald mit dem Namen Iveline, mit all seiner Bedeutung, in all seiner Dichte, und allem, was man dort erblickt und was dazu gehört, so wie wir es bisher in Besitz gehabt haben...

[Es folgt ein ausführliches Besitzstandverzeichnis dieses Waldgebietes]

Und zwar vollständig, mit Ausnahme dessen, was schon früher anderen Konventen mittels Urkunden bekannterweise überlassen worden ist: All das, was Saint-Germain-des-Prés bei Paris, Saint-Maur-des-Fossés ebendort, Saint-Benoît in Fleury, Sainte-Marie in Chartres und dem Kloster Sainte-Marie in Argenteuil sowie Saint-Pierre in Poitiers gehört: Alles andere aber nehme der Teil des besagten Klosters von heute an auf immer in seinen Besitz...

Zeichen Pippins, des glorreichsten Königs
Geprüft und unterzeichnet von Hitherius
Erlassen im September des siebzehnten Jahres unserer Herrschaft. Ausgehandelt in Saint-Denis. Heil.

Im darauf folgenden Jahre 769 bestätigte Pippins Sohn Karlmann, dem danach kein langes Leben mehr beschieden sein sollte - er verstarb bereits 771 - die Benefizien, die von seinen Vorgängern dem Konvent handschriftlich bestätigt worden waren, vor allem die Immunität, d.h. Abgabenfreiheit für alle Besitzungen. Diese Urkunde ist zugunsten einer Äbtissin namens Ailina ausgestellt, was erneut den Konvent als Frauenkonvent bestätigt. [31] Das Schriftstück ist in holprigem und grammatikalisch verderbtem Latein abgefasst. In ihr findet sich auch der eindeutige Hinweis darauf, dass mindestens zwei, vermutlich mehrere königliche Vorgänger dem Kloster Argenteuil Dokumente ausgestellt hatten. Auch dieses Diplom zählte zu den Fundstücken des Abtes Claude Fleury.
Carlomannus gratia Dei Rex Francorum, vir illuster. Decet enim regali clementie suis fidelibus oportuna beneficia libenti praestare, et quod recti postulavit effectum mancipare et fidem. Optenta beneficia quod ab antecessoribus nostris noscuntur habere indulta, pro nostris oracula in eodem volumus firmare, ut eis melius delectet erga regimine nostro fideliter famulare. Igitur in Christo Domino sagrata Ailina Abbatissa de Monasterio Argentoialo climentiae regni nostri direxit, suggerendo eo quod antecessoris nostri quondam Regis per eorum auctoritatem eorum manus roboratas omni aemunitate integri de villas Ecclesiae suae absque introitu judicum concessissent vel firmassent, ita ut neque judex publicus nec ad agendum, nec ad frida exigendum, nec ad mansiones faciendum, nec ulla retributione requirendum de villas jam dicto Monasteriae, quicquid fiscus noster exinde potuerat recipere, ingerere non debeat. Unde et ipsa preceptione antecessorum nostrorum per manibus habere adfirmat, dum et ipsa in presente obtulit relegenda, et ipsi beneficius ab ipsos Reges ei fuit indultum, tempore presente ab eosdem aserere vel conservare. Sed pro integra firmitate petiit Celsitudinem nostri ut circa ipsa nostra hoc plenius deberit auctoritas confirmari. Sed cognoscat utilitas seo magnitudo vestra, quod nos hunc beneficium pro dei amore plenissima voluntati dinuo confirmassit vel concessisse. Proinde ergo jubemus ut dum sicut ab ipsos Regis antecessores nostros per eorum preceptiones manus suas roboratas memorate Monsteriae, vel jam dicte Ailinane Abbatissae de omnes villas suas absque introitum judicum integra aemunitas, ut hoc presenti tempore et futurum hoc beneficium ab eadem conservare videntur, neque vos, neque juniores seo successores vestri, vel quislibet judicariaria potestas in curtis ipsius Monasteriae, vel jam dictae Ailinane Abbatissae, nec ad agendum, nec ad frida exigendum, nec mansiones faciendum, nec ulla retributione requirendum, quicquid fiscus noster exinde potuerat sperare, ingerere nec exigere non presumatur, nisi ex nostra indulgencia perpetualiter maneat inconvulsum. Et ut haec auctoritas firma permaneat, manu nostra signaculum subter decrevimus roborare.

Sign. + domno Carolomanno gloriosissimo Regi.
Maginarius recognovi et s.
Datum in mense Novembri, anno secundo regni nostri. Actum Pontione Palatio publico, in Dei nomen Feliciter.

Karlmann, von Gottes Gnaden König der Franken, der berühmte Mann. Es schickt sich für einen mildtätigen König, seinen Gläubigen willigen Herzens geeignete Wohltaten zu erweisen, und das Richtige, das man gefordert hat, auch getreu umzusetzen. Wir wollen die erwiesenen Wohltaten, die bekanntlich von unseren Vorgängern bewilligt worden sind, unsererseits als Beweis für dasselbe bekräftigen, damit unsere Untertanen mehr Freude daran haben, unserer Herrschaft treu zu dienen. Also hat sich im Namen des Herrn Christus die geweihte Frau Ailina, die Äbtissin des Klosters Argenteuil, an die Milde unserer Herrschaft gewandt und hat das vorgebracht, was durch die Autorität und die Hände unseres Vorgängers, des Königs, bekräftigt und erlaubt worden war: die völlige Abgabenfreiheit der zum Kloster gehörenden Dörfer und das Zutrittsverbot von Richtern. Das heißt: Kein öffentlicher Richter darf dem besagten Kloster Auflagen in Bezug auf das machen, woraus unser Fiskus einst seine Einnahmen bezog. Es dürfen weder Verhandlungen geführt, Schutzzölle erhoben, Gebäude errichtet oder Steuern verlangt werden. Deshalb bekräftigt auch die Äbtissin selbst das, was sie von unseren Vorgängern in den Händen hat. Sie hatte das, was ihr wohlwollend von den Königen selbst bewilligt worden war, gesammelt und aufbewahrt. Nun zeigte sie es vor, damit es jetzt erneut verlesen werde. Zur endgültigen Festsetzung bat sie unsere Erhabenheit, dass das bestätigt werde, was unsere Autorität ihr schuldete. So soll Eure Tüchtigkeit und Größe erfahren, dass wir diese Wohltat aus Liebe zu Gott und aus vollstem Willen erneut bestätigt und zugestanden haben. So befehlen wir also das, was unsere Vorgänger im Amte eigenhändig vorgeschrieben haben, nämlich für das erwähnte Kloster und die bereits erwähnte Äbtissin Ailina die völlige Abgabenfreiheit über all ihre Dörfer und ein Zutrittsverbot für Richter. Damit dieses Benefizium ein für allemal von ihr bewahrt wird, verbieten wir Euch, Euren Kindern und Nachfolgern und jeder beliebigen Richtergewalt, in den Höfen desselben Klosters, bzw. der genannten Äbtissin Ailina, Verhandlungen zu führen, Zins zu verlangen, Gebäude zu errichten, Steuern einzutreiben. Dies bezieht sich auf das, woraus unser Fiskus vormals eigene Einnahmen erwartet hatte. Dies bleibe durch unsere Nachsicht auf immer unumkehrbar. Und um unsere Autorität zu bekräftigen, haben wir beschlossen, eigenhändig unter diesen Erlass unseren Schriftzug zu setzen.

Zeichen des Herrn Karlmann, des glorreichsten Königs.
Geprüft und gegengezeichnet: Maginarius.
Erlassen im November unseres zweiten Regierungsjahres. Ausgehandelt in unserer Pfalz zu Pontoise. Im Namen Gottes. Heil.

Kaiser Karl der Große als Wohltäter von KirchenWie bereits eingangs erwähnt, soll nur wenige Jahrzehnte später der berühmte Bruder Karlmanns, Kaiser Karl der Große, 742-814, seine Tochter Theodrada zur Äbtissin von Argenteuil gemacht haben - unter der Auflage, dass Argenteuil nach ihrem Ausscheiden oder ihrem Tode an Saint-Denis zurückzuerstatten sei. Diese Angaben stammen aus einer Urkunde des Kaisers Ludwig des Frommen und seines Sohnes Lothar I. aus dem Jahre 828: Das war also das Beweisstück, welches Abt Suger von Saint-Denis im Jahre 1129 vorgelegt hatte, um die Besitzrechte von Saint-Denis an Argenteuil nachzuweisen. Die bereits mehrfach erwähnte Urkunde ist somit von eminenter Bedeutung. An ihr entscheidet sich vornehmlich die Frage, ob die Vertreibung der Nonnen aus Argenteuil im Jahre 1129 überhaupt rechtens war.

Hier nun der genaue Wortlaut der Urkunde: [32]

In nomine Domini Dei et salvatoris nostri Jesu-Christi, Hludovicus et Hlotarius divina ordinante providentia Imperatores Augusti. Si ea, quae a Deum timentibus hominibus ad loca divino cultui dedicata solemni donatione largita vel condonata sunt, et postea qualibet occasione inde abstracta esse noscuntur, nostra auctoritate ad statum suum revocamus, et iterum nostrae jussionis oraculo confirmamus, hoc nobis procul dubio ad aeternam beatitudinem adipiscendam, seu stabilitatem imperii nostri roborandam pertinere confidimus. Ideo notum sit omnium fidelium nostrorum tam praesentium quam et futurorum industriae, quia illustris foemina, soror videlicet nostra, Theodrada Deo sacrata, nostrae suggessit mansuetudini, qualiter compertum habuisset quod Monasterium, vocabulo Argentogilum, situm in pago Parisiaco super fluvium Sequanae, quod ipsa primo per beneficium domni et genitoris nostri Karoli serenissimi Imperatoris, et postea per nostram largitionem tenebat, ad monasterium beati et gloriosi Christi Martyris Dionysii, ubi praesenti tempore vir venerabilis Hilduinus Abba, et sacri palatii nostri Archicapellanus, rector praeesse videtur, pertinere debet: Petiitque ut pro mercedis nostrae augmento ad statum pristinum illud revocari fecissemus, eo videret modo, ut memoratum Monasterium post suum ab hac luce discessum, si tamen aliud Monasterium ei antea in comparatione pro ipso a nobis datum non fuerit, aut propria voluntate eum dimittere non voluerit, ad potestatem Monasterii S. Dionysii absque ulla contrarietate vel cujusquam interrogatione reciperetur. Nos vero, audita illius salubri ac religiosa petitione, praedictum venerabilem virum Hilduinum, quia praesens aderat, si quid de hac re compertum haberet interrogavimus. Qui statim donationem cujusdam Deum timentis ac religiosi hominis nomine Ermenrici ac conjugis Mumanae, qui praefatum Monasterium in suo proprio construxerant, et id per testamenti paginam ad B. Dionysii Martyris Christi Monasterium solemni donatione contulerant, necnon et praeceptum confirmationis Hlotarii quondam Regis, quod super eandem donationem conscribere jusserat, nobis ad relegendum ostendit: quibus inspectis placuit nobis petitioni memoratae dilectae sororis nostrae Theodradae annuere, et sicut petebat, per nostram auctoritatem supradictum Monasterium Argentogilum ad potestatem S. Dionysii preciosissimi Christi Martyris revocare. Quapropter hanc nostrae auctoritatis confirmationem fieri praecipimus, per quam omnimodis decernimus atque jubemus ut jam dictum Monasterium Argentogilum post ipsius dilectae sororis nostrae ab hac vita discessum, ad Monasterium et potestatem saepe dicti beatissimi Christi Martyris Dionysii, ad quam primitus ad dei amorem et ipsorum Sanctorum reverentiam piamque intercessionem a supradictis Dei fidelibus traditum vel condonatum fuisse noscitur, absque ullius personae contradictione, aut nostra vel successorum nostrorum interrogatione recipiatur, et in jure ac dominatione ipsius Monasterii, cum omni integritate vel appendiciis suis, quicquid ibidem praesenti tempore cernitur pertinere, revocetur. Et si forte contigerit ut eadem soror ipsum Monasterium aut spontanea voluntate, ut diximus, aut pro commutatione alterius Monasterii ante finem vitae suae dimittere velit, tunc nihilominus absque ulla contradictione aut expectata consignatione, ad praefati Monasterii Martyris Christi Dionysii Monasterium, sicut supra insertum est, perpetualiter ad habendum recipiatur: et in postmodum nullo umquam tempore ulla qualibet dignitate aut potestate praedicta persona rectoribus Monasterii praefati ac beatissimi Christi Martyris Dionysii aliquam requisitionem facere, aut ullam calumniam ingerere praesumat: sed liceat illis, sine cujuslibet injusta interrogatione, praefatum Monasterium Argentogilum, sicut caeteras res ad B. Dionysii potestatem simili modo condonatas ac pertinentes, quieto ordine tenere ac disponere et quidquid pro oportunitate atque utilitate ipsius Ecclesiae secundum Christianae Religionis regulam facere voluerint, liberam in omnibus habere potestatem. Et ut haec auctoritas confirmationis seu redditionis nostrae per futura tempora inviolabilem atque inconvulsam obtineat firmitatem, manibus propriis nostris subter eam firmavimus, et annuli nostri impressione signari jussimus.

Signum Hludovici serenissimi Imperatoris.
Signum Hlotarii gloriosissimi Augusti.
Durandus Diaconus ad vicem Fridugisi recognovit.

Im Namen unseres Herrn und Gottes, unseres Erlösers Jesu Christi, Ludwig und Lothar, durch die weise Vorsehung Gottes Kaiser Augusti. Wenn bekannt wird, dass das, was von gottesfürchtigen Menschen den der Gottesverehrung geweihten Orten durch feierliche Schenkung gespendet und geschenkt wurde, später aus beliebigem Anlass von dort wieder entwendet wurde, so bestehen wir kraft unserer Autorität auf dem früheren Stand und bekräftigen ihn erneut durch den Spruch unseres Befehls. Denn so erlangen wir zweifelsohne die ewige Glückseligkeit und wir vertrauen darauf, dass es die Stabilität unserer Herrschaft stärkt. Deshalb geben wir dem Eifer all unserer Gläubigen jetzt und in Zukunft bekannt, dass unsere Schwester, die berühmte Frau und Nonne Theodrada, unserer Milde, so wie sie sie kannte,  folgendes mitgeteilt hat: Das Kloster namens Argenteuil im Pariser Gau am Ufer der Seine war ihr zunächst als Benefizium von unserem Herrn und Vater, dem durchlauchtesten Kaiser Karl, überlassen worden. Später hielt sie es durch unsere Schenkung weiter inne. Dennoch gehört es eindeutig zum Kloster des heiligen und ruhmreichen Märtyrers Christi Dionysius, wo gegenwärtig der ehrwürdige Abt Hilduin, auch Erzkaplan unserer Pfalz, die Leitung inne hat. Sie hat uns darum gebeten, um der Mehrung unseres Verdienstes willen dafür zu sorgen, dass wir für die Rückerstattung sorgen. Das heißt, dass das erwähnte Kloster nach ihrem Tode wieder in die Herrschaft des Klosters Saint-Denis gebracht werde, ungeachtet jeglichen Widerspruchs oder Einwandes - vorausgesetzt, es sei ihr bis dahin von uns kein anderes Kloster als Ersatz verschafft worden, aber selbst dann, wenn sie es nicht freiwillig aus der Hand geben wolle. Wir haben jedoch, als wir ihre heilsame und gottesfürchtige Bitte vernommen hatten, den genannten ehrwürdigen Abt Hilduin, der gerade anwesend war, gefragt, ob er diesbezüglich etwas in Erfahrung gebracht habe. Dieser hat uns sofort zum Lesen eine Bestätigungsurkunde des einstigen Königs Lothar vorgelegt, der eine Schenkung hatte aufzeichnen lassen. Es handelte sich um die Schenkung eines gottesfürchtigen und frommen Mannes namens Ermenricus und seiner Gattin Mumana, die das genannte Kloster auf ihrem Eigenbesitz errichtet und es testamentarisch in Form einer feierlichen Schenkung dem Kloster des Dionysius, des Märtyrers Christi, vermacht hatten. Wir haben die Urkunde inspiziert und beschlossen, der Bitte unserer geliebten Schwester Theodrada zuzustimmen und durch unsere Autorität das oben erwähnte Kloster Argenteuil dem hochgeschätzten Märtyrer Christi, dem Heiligen Dionysius, zurückzuerstatten, so wie sie es erbat. Deshalb wollen wir unsere Autorität bestätigen, setzen unumstößlich fest und befehlen, dass das genannte Kloster Argenteuil nach dem Tod unserer geliebten Schwester wieder in die Herrschaft des vielgenannten allerseligsten Märtyrers Dionysius falle, dem es bekanntlich ursprünglich zur Liebe Gottes, zur Verehrung dieser Heiligen und zu den frommen Fürbitten von den genannten Gottgläubigen übergeben und geschenkt worden war. Kein Einspruch sei erlaubt. Es möge auf unser oder unserer Nachfolger Ersuchen hin in das Recht und die Herrschaft desselben Klosters zurückfallen, und in seiner Gesamtheit, mit all seinen Besitzungen - das heißt mit allem, was derzeit als zugehörig angesehen wird - zurückerstattet werden. Und sollte zufälligerweise unsere Schwester eben dieses Kloster aus freien Stücken oder - wie gesagt - wegen des Wechsels in ein anderes Kloster vor ihrem Lebensende verlassen wollen, dann soll es nichtsdestotrotz ohne Einspruch oder notwendige Beurkundung an das genannte Klosters des Dionysius, des Märtyrers Christi, zum ewigen Besitz zurückfallen - so wie es oben erläutert wurde. Und keiner darf fürderhin - gleich, in welcher Würde und mit welcher Macht - den Klostervorständen des genannten allerseligsten Märtyrers Christi Dionysius irgendeine Rückforderung stellen oder irgendeinen Rechtsstreit anhängen. Vielmehr dürfen diese - frei von irgendwelchem ungerechten Einspruch - das genannte Kloster Argenteuil und alle anderen in die Herrschaft des Heiligen Dionysius gegebenen und gehörigen Dinge in Ruhe behalten und darüber verfügen. Und wenn sie etwas zum Vorteil und Nutzen dieses Klosters nach der Regel der christlichen Religion bewerkstelligen wollen, sollen sie in allem freie Hand haben. Und dass diese Urkunde der Bestätigung, bzw. unserer Rückerstattung, ein für alle Mal unverletzliche und unumstürzbare Festigkeit erhalte, haben wir hier eigenhändig durch unsere Unterschrift bekräftigt und durch den Abdruck unseres Ringes besiegeln lassen.

Zeichen des durchlauchtesten Kaisers Ludwig.
Zeichen des hochberühmten Augustus Lothar.
Geprüft: Diakon Durandus in Vertretung für Fridugisus.

Der hier urkundlich erwähnte Abt Hilduin war einer der bedeutendsten Männer seiner Zeit. Er war nicht nur Abt von Saint-Denis, sondern auch von Saint-Médard in Soissons und Saint-Germain-des-Prés. Außerdem fungierte er als Erzkaplan des Kaiserpalastes und war deshalb von hohem politischen Einfluss.

Abt Suger erwähnte später in seiner Schrift De administratione (a.a.O.) erneut die Kaisertochter Theodrada, diesmal jedoch ohne Namensnennung:

Praefatus enim Imperator ut quandam filiam suam matrimonium humanum recusantem ibidem Abbatissam sanctimonialium constitueret...

Genannter Kaiser setzte eine seiner Töchter, die die Ehe verweigerte, dort als Äbtissin der Nonnen ein...

Über das Leben Theodradas weiß man nur wenig. Irgendwann um 785 war sie geboren worden. Zirka zehn Jahre später - um 794 - verstarb ihre Mutter Fastrada. Um 796 erscheint Theodrada in einem Gedicht Théodulfs von Orléans, wenig später - um 796 und 799 - in zwei Gedichten Angilberts. [33] Diesen Werken nach soll die junge Theodrada sehr schön und verführerisch gewesen sein. Im Todesjahr ihres berühmten Vaters - 814 - soll sie in Argenteuil eingetreten sein. [34]

Die Quellenlage zum Aufenthalt Theodradas in Argenteuil ist dürftig. Im Jahre 824 tauschten eine Äbtissin von Argenteuil namens Theodrada und Abt Einhard, vermutlich von Saint-Wandrille in der Normandie, Menschen aus: den Priester Gulfocus gegen zwei Unfreie namens Imbold und Vulframn. Der Vertrag ist unter dem Titel commutatio mancipiorum inter Theodradam abbatissam monasterii sanctae Mariae Argentogilansis et Eginhardum abbatem erhalten geblieben. [35] Dieser Tausch ist insofern interessant, als der Priester offensichtlich ein Unfreier war - eine Konstellation, welche in der Karolingerzeit zunehmend in Misskredit gekommen war. Es ist jedoch in dieser Urkunde nicht expressis verbis von der Tochter Kaiser Karls des Großen die Rede. Die Chronik von Saint-Wandrille weist im Übrigen das Ende des Abbaziates von Eginhard bereits für das Jahr 823 aus.

Kartendetail 18. Jahrhundert, Collection Vieil ArgenteuilIn nur einer einzigen Carta wird die Kaisertochter Theodrada indirekt als Äbtissin von Argenteuil bestätigt. Dies ist eine Urkunde, ausgestellt von Ludwig dem Frommen im Jahre 824 über den Tausch von Land zwischen Argenteuil und dem eben genannten Abt Einhard. [36] In ihr wird die Äbtissin Theodrada als eine aus dem Hochadel und höchstem Hause stammende Frau qualifiziert -  nobilissima und praecelentissima. Dies waren Attribute, welche nach anderen zeitgenössischen Urkunden nur der Kaiserfamilie vorbehalten waren. Letztere Bezeichnung - praecellentissima - ist übrigens auch in der eben genannten Urkunde von 824 zu finden.

Durch einen Brief des irischen Mönchs Dungal Scotus ist außerdem bestätigt, dass Theodrada Nonne geworden war.  [37]

Die Existenz einer Äbtissin Theodrada in Argenteuil ist somit weitgehend gesichert, ihre Identität mit der Tochter Karls des Großen jedoch nicht hundertprozentig bewiesen. [38]

Später ist dieselbe Theodrada viel weiter im Osten, im Kloster Münsterschwarzach am Main, als Äbtissin bezeugt. Die Tatsache, dass der Kult des Heiligen Sebastian, dessen Gebeine in Saint-Médard in Soissons ruhten, um 826 in Münsterschwarzach eingeführt wurde, lässt daran denken, dass Theodrada zur selben Zeit nach Münsterschwarzach gewechselt war. [39] Wahrscheinlich hatte sie sich nach den Einfällen der Normannen, die auch den Unterlauf der Seine heimsuchten und nach 820 bis Paris vorgestoßen waren, in Argenteuil nicht mehr sicher genug gefühlt. Theodrada hatte im Übrigen ein Erbrecht auf Münsterschwarzach, denn der Ort Schwarzach mit seinen Dependenzien hatte bereits vor ihr ihrer Mutter Fastrada gehört.

Über den weiteren Verbleib Theodradas gibt es nur wenig Zuverlässiges zu berichten. Eventuell trat sie um 840 als Gönnerin von Fulda auf. Nach den Totenbüchern von Fulda ist die Äbtissin Theodrada im Jahre 861 verstorben, nach zwei Urkunden des Kaisers Ludwig des Deutschen dagegen bereits im Jahre 848. [40]

Bis heute wurde keine weitere zeitgenössische Urkunde aufgefunden, die die Behauptung Abt Sugers von Saint-Denis bestätigt hätte, dass Argenteuil nach dem Tode Theodradas an Saint-Denis zurückzuerstatten gewesen sei.

Die Heilige Tunika von ArgenteuilNach der Tradition von Saint-Denis soll übrigens Kaiser Karl der Große seiner Tochter Theodrada die Heilige Tunika - auch cappa pueri domini Jesu genannt - geschenkt haben. Er hatte sie einst von einer Reise ins Heilige Land mitgebracht - als Geschenk der byzantinischen Kaiserin Irene. Zumindest behauptet dies eine Legende, deren Urheberschaft Odo von Deuil, Abt von Saint-Denis und Argenteuil zwischen 1151 und 1163, zugeschrieben wird. [41] Im Jahre 1156 - also noch zu Lebzeiten Heloïsas - war die zwischenzeitlich verschollene Gewandreliquie im Priorat Argenteuil "wiederentdeckt" und dem Volk feierlich zur Verehrung präsentiert worden - in einer Prozession nach Saint-Denis. [42]

Nach den Normanneneinfällen im 9. Jahrhundert scheint der Konvent von Argenteuil über einen Zeitraum von zirka hundertzwanzig Jahren völlig heruntergekommen zu sein. Es ist wahrscheinlich, dass er im Jahre 880 von den Normannen verwüstet wurde. Über diese dunkle Epoche existiert kein Urkundenmaterial, das nähere Aufklärung gäbe. Bei Félibien findet sich noch der Name der Nachfolgerin Theodradas, eine Nonne namens Oda; zur Zeit ihres Abbaziates soll das Kloster von den Normannen geplündert und gebrandschatzt worden sein. Seit dieser Zeit lag es in Ruinen und war verwaist.

Unter der Herrschaft König Roberts II., des Frommen, wurde der Konvent faktisch neu gegründet. Die Königsmutter Adelheid, die Frau Hugo Capets, ließ aus dem Fiskalgut ihres verstorbenen Mannes die Gebäude restaurieren, versammelte erneut zahlreiche Nonnen unter der Regel des Heiligen Benedikt und beschenkte den jungen Konvent reich mit Ländereien, Hofstellen und Besitzrechten. Dies bezeugen zwei Dokumente. Helgaud, ein Mönch aus dem Kloster Fleury an der Loire, erwähnte die Gründungsleistung der Königsmutter in seiner Biographie König Roberts: [43]

Mater quoque ejus supradicta Adhelaidis, admiranda satis in sancta devotione Regina... construxit et Monasterium in territorio Parisiensi, villa quae dicitur Argentoilus, ubi numerum ancillarum Dei non minimum sub norma sancti Benedicti vivere paratas adunavit, ad laudem et gloriam bonorum omnium Inspiratoris, et sub honore sanctae Dei genicitris et perpetuae Virginis Mariae omnipotenti Domino dedicari et consecrari voluit...

Die oben erwähnte Mutter König Roberts, diese wegen ihrer Frömmigkeit reichlich bewundernswerte Königin... hat auch im Gebiet von Paris ein Kloster gebaut. In dem Dorf, das Argenteuil genannt wird, hat sie eine nicht unbedeutende Zahl von Mägden Gottes, die sich bereit fanden, unter der Regel des Heiligen Benedikt zu leben, versammelt - zum Lobpreis und Ruhm aller Guten des Schöpfers. Sie hat es zur Ehre der Heiligen Mutter Gottes und ewigen Jungfrau Maria dem allmächtigen Herrn widmen und weihen lassen...

Diese Weihe bestätigt kirchenrechtlich den Vorgang der Neugründung. König Robert selbst bestätigte und bewilligte die Schenkungen am Osterfest des Jahres 1003. Darüber hat sich ein ausführliches Königsdiplom erhalten. [44]
Regis regum nutu Francorum Rex Robertus. Nostris fidelibus ac cunctis Catholicis palam id fieri volumus, quod a praedecessorum nostrorum cultu circa sacrae religionis jura constituta nequaquam deviare volentes, hortamur omnes ad finem beatitudinis tendentes, quatinus summopere invigiliando auxilientur nobis ad privilegia erga res Dei Sanctorumque ejus corroboranda, ut recipiant ipsi nobiscum remissionem peccaminum pro hujusmodi re digne exequenda. Precibus etenim nostrae genicitris scilicet Adhelaidis Reginae insignis, cui prorsus nihil denegare, verum omnimodis devote inservire debemus, promoti, super quarundam Ecclesiarum villarumque astipulatione praecepti, qua Monialibus Deo famulantibus in Monasterio S. Mariae Argentolio ab animae suae, patris quoque nostri videlicet Hugonis beatae memoriae, atque nostrae requiem, dedit libenter, ejus paruimus voluntati et dictis faventes, petitionem ipsius idonea ratione persolvere curavimus. Sunt autem res collocatae haec: in primis ea quae possidebat Argentolio Rex Hugo, donans illa Deo sacratisque inibi degentibus. Ad hoc Cavenoilus ubi haberi estimantur mansa XXX cum ecclesia in honore S. Petri. Villa quoque Montiliachus cum mansis septem et Ecclesia in honore S. Martini. In Aconiaco vero vico mansa duo. In Otrevilla similiter duo mansa et dimidium. Inter Alnedum et Disyvillam mansum unum. In Villena quoque mansum unum, in Satrovilla mansa XX cum duabus piscationibus in insula Beliseia, et in villa Tornella altera piscatio. In Argentolio mercatum, et theloneum, rotagium, atque tensamentum vini. In Lupocurte mansa sex: villa Trapas quoque et quicquid ad eam pertinet, cum Ecclesia. Monsterolum quidem villa cum Ecclesia. S. Livini villa cum Ecclesia et molendino uno, cum arpennis vinearum XVIII, cum arpennis pratorum XII. Bratheias villa cum omnibus appendiciis suis et Ecclesia. Merlant quoque villa. Carisius quoque villa cum tribus molendinis atque pratis. Haec omnia supradicta praedictis Monialibus data, ob amorem Dei et reverentiam beatissimae Dei genicitris Mariae, comformamus auctoritate nostra, quatenus semper sub plenissima defensione et emunitatis tuitione rata permaneant; ita videlicet ut nullus abhinc ad causas exigendas, aut freda, vel tributa, aut mansiones, vel paratas faciendas, vel fidejussores tollendos, aut homines ejusdem Ecclesiae tam ingenuos quam servos super terram earum commanentes injuste distringendos, nec ullos redditus, aut illicitas occasiones requirendas, nostris et futuris temporibus ingredi audeat, vel ea quae supra memorata sunt exigere praesumat; sed liceat ipsis supradicta sub firmitatis defensione quieto ordine possidere, ad stipendia earum finetenus ibi Deo militantium. Hanc itaque auctoritatem, ut firmior in Dei nomine habeatur, et a fidelibus quoque sanctae Dei Ecclesiae et nostris diligentius conservetur, manu propria subterfirmavimus, et sigilli nostri impressione signari jussimus.

Actum in Pascha apud S. Dionysium, anno XVI regni Roberti gloriosissimi Regis Francorum, Indictione I. Franco Cancellarius ex regio praecepto recognovit atque subscripsit.

Karte aus dem 18. Jahrhundert, Kollektion Vieil ArgenteuilAuf Veranlassung des Königs der Könige der Franken: König Robert. Wir wollen den Gläubigen und allen Katholiken bekannt machen, dass wir von der Glaubenspraxis unserer Vorgänger in Bezug auf die festgelegten Gesetze der Heiligen Religion nicht abweichen wollen. Deshalb ermahnen wir alle, die zur Glückseligkeit streben, uns mit höchster Wachsamkeit zu unterstützen, die Privilegien zu den Angelegenheiten Gottes und der Heiligen zu stärken, damit sie selbst zusammen mit uns deswegen die Vergebung der Sünden würdig erlangen. Auf die Bitten unserer Mutter hin, der ausgezeichneten Königin Adelheid, der wir durchaus nichts abschlagen können, sondern möglichst demütig dienen müssen, sind wir über eine Übereinkunft bezüglich mancher Kirchen und Dörfer aufgeklärt worden. Es handelt sich um eine freiwillige Spende an die Gottesdienerinnen im Kloster Argenteuil, zum Gedenken an Ihre Seele und der unseres seligen Vaters Hugo und zu unserer ewigen Ruhe. Deshalb entsprachen wir ihrem Willen, zeigten uns ihren Worten gewogen und sorgten dafür, ihr Gesuch auf passende Art und Weise einzulösen. Es handelt sich um folgende Aufstellung: Vor allem schenkte sie den in Argenteuil wohnenden Gottgeweihten das, was König Hugo in diesem Ort besaß. Dazu kam Cavenoilus, wo sie schätzungsweise dreißig Hufen Land zusammen mit der Kirche zu Ehren des Heiligen Petrus besaß. Auch das Dorf Moniliachus mit sieben Hufen und der Kirche zu Ehren des Heiligen Martin. Im Dorf Aconiacum zwei Hufen. In Otrevilla gleichermaßen zweieinhalb Hufen. Zwischen Alnedum und Disyvilla eine Hufe. In Villena auch eine Hufe. In Satrovilla zwanzig Hufen mit zwei Fischereien auf der Insel Beliseia. Im Dorf Tornella eine weitere Fischzucht. In Argenteuil den Markt, den Wege- und Fuhrzoll und den Schutzzoll für Wein. In Lupocurtis sechs Hufen. Auch das Dorf Trapas und alles, was dazu gehört, einschließlich der Kirche. Auch das Dorf Monsterolum mit der Kirche. Das Dorf des Heiligen Livinus mit der Kirche und einer Mühle, mit zwölf Arpents Wiesen. Das Dorf Bratheias mit all seinen Besitzungen und der Kirche. Auch das Dorf Merlant. Weiterhin das Dorf Carisius mit drei Mühlen und Wiesen. Dies alles schenkte sie den oben erwähnten Nonnen, aus Liebe zu Gott und aus Ehrfurcht gegenüber der Heiligsten Gottesmutter Maria. So bestätigen wir dies kraft unserer Autorität, damit all dies immer unter der vollsten Verteidigung und dem Schutz der Immunität bleibe. Keiner soll es jetzt und künftig wagen, sich daran zu machen, Prozesse zu führen, oder Zinsen und Steuern zu verlangen, Gehöfte zu bauen, Bürgen zu beseitigen oder Menschen dieses Klosters, ob frei oder unfrei, die auf dem Land der Nonnen verweilen, ungerecht wegzuschleppen, irgendwelche Einkünfte oder unerlaubte Nutzungen zu Siegel Roberts II.beanspruchen. Keiner soll sich trauen, das oben Erwähnte zu fordern. Den Menschen selbst sei es erlaubt, das oben Genannte unter fester Verteidigung und in ruhiger Ordnung zu besitzen - zum Lohn derer, die dort bis zu ihrem Ende Gott dienen. Damit diese Erlaubnis umso fester im Namen Gottes beibehalten und auch von den Gläubigen der Heiligen Kirche Gottes und den Unseren umso sorgfältiger beachtet werde, unterzeichnen wir diese Urkunde eigenhändig und lassen sie mit dem Abdruck unseres Siegels versehen.

Verhandelt an Ostern im Kloster Saint-Denis, im sechzehnten Regierungsjahr Roberts, des ruhmreichsten Königs der Franken, unter der Indiction 1. Kanzler Franco hat es entsprechend der königlichen Vorschrift überprüft und unterzeichnet.

Obwohl der Vertrag im Kloster Saint-Denis abgefasst worden war, fand sich keinerlei Hinweis darauf, dass dieser Konvent irgendwelche Rechte an Argenteuil besaß. Vielmehr belegt die lange Liste der Schenkungen, in welche glückliche Lage der noch vor kurzem danieder liegende Konvent gekommen war. Seit dieser Zeit war Argenteuil ein ausgesprochen reiches Kloster. Es verfügte u. a. über zahlreiche Dörfer, Freibauern und Leibeigene, reichlich Acker- und Wiesenland, wertvolle Weinberge und sogar einen eigenen Seinehafen. Ein Besitzstandverzeichnis - pouillé - von 1411 bestätigte, dass das Priorat Argenteuil 6000 Pfund wert war.

Über die inneren Strukturen des Klosters zur damaligen Zeit gibt es nahezu keine Kunde. Immerhin konnte die Reihe der Äbtissinnen rekonstruiert werden - wenn auch mit beträchtlichen Lücken. Lesort hatte folgende Äbtissinnen ermittelt: Leudesinda 697, Ailina 770, Theodrada 828, Oda, Tochter Pippins, Basilia, Adele, Judith, Tochter Karls des Kahlen, Romilde, Rotilde, verstorben 928, Ermentrude, Gisla, und zuletzt Heloïsa, abgesetzt 1129. Letztere Angabe ist mit Sicherheit nicht korrekt, dennr Heloïsa stand zum Zeitpunkt der Vertreibung im Range der Priorin. Dies wurde bereits weiter oben untermauert. [45] Ansonsten spricht die Tatsache, dass noch zwei weitere Königstöchter Äbtissinnen des Konvents waren, für seine Bedeutung und eine lokal unabhängige Stellung.

Es existiert ein weiteres authentisches Dokument aus dem Kloster Argenteuil, abgefasst einige Jahre vor der Vertreibung der Nonnen. Als im Jahre 1122 der bekannte Abt Vitalis von Savigny verstorben war, kursierte in den Konventen Frankreichs und Englands eine sogenannte Totelrotel, d. h. eine Rolle mit aneinander gehefteten Kondolenzschreiben. Ein Titel stammte aus Argenteuil, wo das Rotel im Frühjahr 1123 Halt gemacht hatte. Es handelt sich dabei um ein elegisches Gedicht, stilvoll und geschickt verfasst, aus der Hand einer gelehrten Nonne. Es wird deshalb vermutet, dass Heloïsa persönlich das Gedicht verfasst haben könnte. Dafür gibt es allerdings keinen Beweis. Zumindest aber belegt die Ausführung des Titels, dass in Argenteuil zur damaligen Zeit die Wissenschaften gepflegt wurden. Näheres hierzu findet sich innerhalb dieser Seiten unter: Eine Elegie Heloïsas auf der Totelrotel des Vitalis von Savigny?

 

Grundlagen der Vertreibung: Fälschung und Rechtsbruch?

 

Suger kniend, Glasfenster, Marienkapelle, Saint-Denis, 12. JahrhundertDie Frage, ob es sich bei der Carta Ludwigs des Frommen und seines Sohnes Lothar um eine fromme Fälschung gehandelt haben könnte, liegt auf der Hand. Denn außer dieser Carta ist keine einzige authentische Quelle bekannt, die die Zugehörigkeit Argenteuils zu Saint-Denis je bezeugt hätte. Im übrigen hat auch kein einziges Papstdiplom vor dem Jahr 1129 diese Verbindung je behauptet.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts hatte die Forschung ermittelt, dass in der Tat eine ganze Reihe von Karolinger-Urkunden aus Saint-Denis Fälschungen waren. [46] Neuere Arbeiten haben die Liste der Falsifikate noch um einige Stücke erweitert. [47] Seit längerem ist auch bekannt, dass zahlreiche zeitgenössische Königsurkunden aus dem Fundus von Saint-Denis die persönliche Handschrift Sugers trugen. Dieser Abt war also ein fleißiger Schreiber, wenn es um die Mehrung des Prestiges und Besitzes von Saint-Denis ging. [48] Weitaus schwieriger als die Frage, ob aus dem Skriptorium von Saint-Denis gefälschte Urkunden hervorkamen, ist jedoch der Nachweis, dass Abt Suger persönlich in Fälschungsabsicht zur Feder gegriffen hat.

Der Diplomatiker Groten konnte durch akribischen Text- und Stilvergleich nachweisen, dass eine andere wichtige Urkunde des Klosters Saint-Denis, das Krönungsprivileg Karls des Großen aus dem Jahre 813, eine Fälschung war und ziemlich sicher die persönliche Handschrift Sugers trug. [49] Groten verstand diese Fälschung als einen Versuch des Abtes, das Krönungsritual, welches traditionell und mit päpstlicher Erlaubnis - zuletzt durch Papst Urban II. im Jahre 1089 - in Reims vollzogen worden war, auf Dauer an Saint-Denis zu binden. Die Chancen hierfür standen zunächst gut, denn König Ludwig VI. selbst war mit nachträglicher Sanktionierung durch den Kirchenrechtler und Bischof Ivo von Chartres am 3. August 1108 in Orléans gekrönt worden. Trotzdem musste Suger seine Ambitionen bezüglich des Krönungsprivilegs später fallen lassen. Denn nach Wiederauffindung der Sainte Ampoule in Reims - das war das legendäre Tauföl König Clodwigs - und angesichts der Freundschaft mit dem Reimser Metropoliten rüttelte König Ludwig VI. nicht erneut an diesem Krönungsort. Unmittelbar nach den Vorfällen um Argenteuil ließ er seinen Sohn Philipp in Reims krönen. Groten verstand somit die Restitution von Argenteuil an Saint-Denis als eine Ausgleichsmaßnahme des Königs, um das durch die Verweigerung der Krönungszeremonie etwas sinkende Prestige von Saint-Denis wieder zu heben.

Im Gegensatz zur Kaiserurkunde von 813 hatte Groten an der Urkunde Ludwigs des Frommen von 828 nicht in gleichem Maße Sugersche Formulierungen nachweisen können. Deshalb hielt er eine persönliche Fälschung Sugers eher für unwahrscheinlich. Er  widersprach damit einer Aussage Waldmans, der sich zuvor in einer ausführlichen Analyse für eine derartige Fälschung ausgesprochen hatte. [50]  Waldman hatte mehrere Parallelen zwischen der Carta Ludwigs des Frommen und anderen, gefälschten Karolinger-Cartas aus Saint-Denis, sowie auch zu Sugers De Administratione nachgewiesen. Auch ein weiteres Falsifikat, eine Urkunde Ludwigs des Frommen für Saint-Denis, hatte auffallende Textparallelen zu der Urkunde bezüglich Argenteuil gezeigt. [51] All diese Merkwürdigkeiten gaben Waldman den Anlass, Abt Suger als eigenhändigen Fälscher zu brandmarken.

Schreiber im Scriptorium bei der ArbeitKeines der vorgebrachten Argumente ist jedoch so stichhaltig, dass man a priori die Fälschungshypothese dadurch allein aufrecht erhalten könnte. Insbesondere scheint nicht abschließend geklärt, in welcher Richtung und zeitlichem Zusammenhang die erwähnten Dokumente sich gegenseitig beeinflusst haben. Vielleicht ist es gar nicht so entscheidend, die persönliche Tat Sugers nachzuweisen. Falls er die Urkunde nicht persönlich diktiert hatte, so konnte er genauso gut auf die Dienste der Experten in seinem Skriptorium zurückgegriffen haben, die sich damals intensiv mit den Urkunden der Karolingerzeit befassten. Ihnen stand zur Erarbeitung ein gut sortiertes Archiv und eine reich bestückte Bibliothek zur Verfügung.

So finden sich denn auch unabhängig von den Argumenten der Diplomatiker eine ganze Reihe von Ungereimtheiten und Auffälligkeiten, die die Echtheit der Urkunde Ludwigs des Frommen von 828 in Frage stellen:

Schon die zitierte Carta Pippins hatte indirekt die besitzrechtliche Unabhängigkeit von Argenteuil belegt. Die Urkunde Karlmanns von 769 ging noch darüber hinaus. In ihr ist davon die Rede, dass mindestens zwei königliche Vorgänger nahezu gleich lautend die Immunität für Argenteuil ausgesprochen hatten. Äbtissin Ailina habe persönlich die Handschriften vorgelegt. Somit müssen einst mehrere nahezu identische Urkunden existiert haben, die die Unabhängigkeit Argenteuils als Frauenkonvent belegt haben. Von einer Zugehörigkeit zu Saint-Denis ist in Karlmanns Diplom keine Rede. Es existiert außerdem ein Besitzstandsverzeichnis von Saint-Denis von 750, welches in Übereinstimmung mit Karlmanns Diplom in keiner Weise Argenteuil zu Saint-Denis gehörig ausweist. [52]

Nach der Carta Ludwigs des Frommen sei der Konvent von Argenteuil nach seiner Gründung zunächst im Eigenbesitz der Gründungspersonen Ermenricus und Mumana verblieben. Nur dadurch konnte er überhaupt testamentarisch an Saint-Denis vermacht werden. Faktisch bedeutete dies eine zur Merowingerzeit an sich nicht ungewöhnliche Besitzübertragung eines sogenannten Eigenklosters an einen unabhängigen Konvent. Abt Hilduin von Saint-Denis habe den ungewöhnlichen Vorgang durch Vorlage einer alten Urkunde bewiesen. Diese Angaben über Abt Hilduin sind sehr fragwürdig. Von der Urkunde Ludwigs des Frommen, deren Original heute verloren ist, existieren nur eine handschriftliche Abschrift und zwei frühe Druckversionen. Im Cartulaire Blanc von Saint-Denis aus dem 13. Jahrhundert findet sich der Zusatz betreffend Abt Hilduin überhaupt nicht innerhalb des Urkundentexts, sondern nur als handschriftliche Randnotiz aus dem 17. Jahrhundert. Duchesne und Sainte-Marthe (Gallia Christiana) haben ihn deshalb in ihren Druckausgaben übergangen, während er von Doublet übernommen wurde. Insofern steht die Behauptung, Abt Hilduin sei in der ursprünglichen Carta vermerkt gewesen, auf sehr tönernen Füßen. [53] Auf jeden Fall erscheint es ungewöhnlich, dass einem vormaligen Eigenkloster durch die nachfolgenden Könige mehrfach die Immunität zugesprochen wurde.

Waldman konnte deutlich machen, dass die Gründungsgeschichte Abt Hilduins wahrscheinlich aus einer anderen zeitgenössischen Carta abgeschrieben war: Diese Urkunde aus dem 16. Herrschaftsjahr König Clothars III., die von einer adeligen Dame namens Clotilde für den Konvent von Bruyeres ausgestellt worden war,  wies frappierende Parallelen in den Namen der beteiligten Personen auf. Es fand sich neben einer Äbtissin namens Mummola auch ein erster Zeuge namens Ermenrigus - vir illuster Ermenrigus. [54] Die Affinität der Namen ist nicht zu übersehen: Mummola - Ermenrigus sowie Hermenricus und Numma (verderbt?) aus Sugers De administratione bzw. Ermenricus und Mumana aus dem Diplom Ludwigs des Frommen.

Die Angaben Abt Sugers weisen im übrigen einen gravierenden chronologischen Widerspruch auf: Wenn Argenteuil wirklich seit seiner Gründung zu Saint-Denis gehört hätte, müsste es logischerweise zwischen 629 und 639, der Herrschaftszeit Dagoberts, des Gründers von Saint-Denis, und dem Jahr 697, dem Beurkundungsjahr König Childeberts III., gegründet worden sein. Abt Suger wiederum behauptete die Existenz einer weiteren, privaten, nicht datierten Gründungscarta eines Königs Clothar, wahrscheinlich Clothars III., der zwischen 657 und 673 regierte: preceptum confirmationis Hlotarii quondam regis. Damit widersprach er seiner eigenen Angabe in De administratione, dass Argenteuil zu Saint-Denis erst seit der Zeit König Pippins, der von 751 bis 768 regierte, gehört hatte.

Abgesehen von der umstrittenen Carta Ludwigs des Frommen existiert kein einziges Dokument, das die Verpflichtung Theodradas, der Tochter Karls des Großen, nach ihrem Tod Argenteuil an Saint-Denis zurückzuerstatten, bestätigt hätte. Die Carta Ludwigs des Frommen enthielt eigentümlicherweise auch einen Passus, der die Rückgabeverpflichtung erweiterte. Nicht nur der Tod Theodradas, sondern auch ihr Ausscheiden aus Argenteuil sei dafür ausschlaggebend. Es ist schwer zu glauben, dass Karl der Große seiner Tochter diese Verpflichtung auferlegt hätte - Jahrzehnte vor dem tatsächlichen Weggang Theodradas konnte er ein derartiges Ereignis wohl kaum vorausgesehen haben. Deshalb war diese Klausel wahrscheinlich ex post - nach Kenntnis des eingetretenen Faktums - eingefügt worden.

Falls die Urkunde nun tatsächlich eine Fälschung des 12. Jahrhunderts war - woher konnte der Fälscher von Theodrada überhaupt erfahren haben? Darin lag wohl kein Problem, denn die Biographie Einhards [55] war damals bereits weit verbreitet. Und ihr war zu entnehmen, dass Karl der Große in der Tat eine Tochter namens Theodrada gehabt hatte.

Das Diplom Ludwigs des Frommen zeigt weitere Auffälligkeiten. So ist in ihm mit großer Penetranz immer wieder von Saint-Denis  - innerhalb weniger Zeilen wird der Name achtmal erwähnt - die Rede, während Argenteuil selbst weitaus weniger genannt ist. Üblicherweise wurde in derartigen Urkunden der Inhaber von Rechtstiteln maximal dreimal erwähnt: Bei der narratio, der dispositio und eventuell nochmals bei der sanctio. Die Formulierungen wirken also geradezu so, als wollte der Verfasser die Rechte von Saint-Denis dem Leser einbläuen. Im übrigen weist die gesamte Urkunde einen Tenor auf, wie er nicht besser zu Sugers Ambitionen passte. So verbot z. B. die Urkunde alle späteren Rückforderungen und Rechtsstreitigkeiten und sprach sogar den Verzicht aus, dass der Besitzübergang von Theodrada auf Saint-Denis schriftlich fixiert werden müsse. Eine derartige Urkunde hatte Suger in der Tat im Jahre 1129 auch nicht vorlegen können.

Wenn man alle bisher vorgebrachten Argumente zusammenfasst, dürfte am Fälschungscharakter der Urkunde Ludwigs des Frommen kaum mehr ein Zweifel bestehen.

Unabhängig davon war die Übertragung von Argenteuil an Saint-Denis ein kirchenrechtlich höchst umstrittener Vorgang:

Nach dem fast völligen Ruin des Klosters zur Normannenzeit war der Konvent von König Robert II. und seiner Mutter Adelheid faktisch neu gegründet worden. Die Angaben des Biographen Helgaud von Fleury lassen daran nicht den geringsten Zweifel: Beide ließen die Gebäude restaurieren oder erneuern, schufen eine eigene, neue Nonnenkongregation, schenkten umfangreichen Landbesitz und zahlreiche Besitzrechte aus dem Fiskalgut des verstorbenen Königs Hugo Capet - unter anderem das Marktrecht in Argenteuil. Erst dadurch kam der Konvent von Argenteuil überhaupt zu seinem Reichtum. Es erfolgte außerdem eine neue Weihe des Ortes!

Diese Neugründung und der damit verbundene Zuerwerb an weltlichen Gütern war durch die Besitzverfügung eines fast zweihundert Jahre vorher lebenden Kaisers Karl, bzw. seines Sohnes Ludwigs des Frommen, in keiner Weise gedeckt. Allenfalls hätte man daraus Teilrechte am ursprünglichen Klostergut ableiten können. Interessanterweise war die Carta Roberts II. aus dem Jahre 1003 in Saint-Denis abgefasst worden. Hätten damals Rechte von Saint-Denis an Argenteuil bestanden, so wären sie mit Sicherheit in der Formulierung der Urkunde in irgendeiner Weise aufgetaucht. Dies war jedoch in keiner Weise der Fall. Der Abt von Saint-Denis hatte die Urkunde nicht einmal mit unterzeichnet. Somit war Argenteuil erneut indirekt als ein unabhängiger, abgabenfreier Frauenkonvent bestätigt worden.

Rechtlich unhaltbar ist auch die Tatsache, dass vor dem Konzilsbeschluss von Saint-Germain-des-Prés die beschuldigten Nonnen in keiner Weise angehört wurden. Im übrigen zeigte Abt Suger in seinen späteren Schriften auffallende Gedächtnislücken und Argumentationsschwächen: Als er in De administratione von Theodrada sprach, nannte er sie Äbtissin der Nonnen - ibidem abbatissam sanctimonialium. Damit bestätigte er expressis verbis die Präexistenz eines Nonnenkonvents! Im weiteren ging er nicht nur kommentarlos über den Gewaltakt der Vertreibung hinweg, sondern sagte auch schlichtweg die Unwahrheit, als er behauptete, er hätte mehrere Urkunden zur päpstlichen Inspektion vorgelegt. Papst Honorius hatte  lediglich bestätigt,  durch einen Brief des Pariser Bischofs über den Sachverhalt aufgeklärt worden zu sein. Dieser habe wiederum vorher aus alten Königsdiplomen - ex antiquis regum preceptis - die entsprechende Information erhalten. Auch dies darf auf Grund der genannten Argumente dahingestellt bleiben. Die Examinierung der Urkunden im Rom durch den Papst selbst ist auf jeden Fall in keiner Weise bezeugt. Widersprüchlich sind auch die vorliegenden Zeitangaben: Während Suger in De Administratione von einem lange eingeklagten Besitzrecht sprach, war z.B. der Tenor des päpstlichen Legaten ein ganz anderer. Er sprach von einem plötzlich - subito - sich erhebendem Geschrei.

Auch das Königsdiplom Ludwigs VI. und seines Sohnes Philipp trägt keinen Beweischarakter. Die Carta war wohl in Reims zu Ostern 1129 verlesen worden, aber sie stammte nicht aus der kaiserlichen Kanzlei, sondern aus Saint-Denis und war unter Sugers Mitwirkung verfasst worden. Wohl ist sie frei von frappierenden Fehlern und somit ziemlich sicher authentisch. Aber sie spiegelt eine suspekte Vertrautheit mit der karolinischen Epoche wider. Es finden sich hier neben wörtlichen Auszügen aus der Carta Ludwigs des Frommen, sowie den Stellungnahmen Stephans von Senlis und Matthäus' von Albano auch Anspielungen zu anderen Königsurkunden für Saint-Denis. Waldman hatte zahlreiche Parallelen zu gefälschten Urkunden aus der Zeit Dagoberts nachgewiesen, besonders aber zu einer gefälschten Carta Roberts des Frommen. [56] In ihr wurde die enge Allianz zwischen dem König Ludwig und der Abtei von Saint-Denis bekräftigt. Saint-Denis sicherte sich die Führungsrolle im Pariser Becken als Königsabtei, welche wiederum Prestige und Einfluss dem Königtum zukommen ließ. Die kennzeichnende Angabe - wir wollen in Saint-Denis bestattet werden - ipsis sacris martyribus apud quos sepeliri oportamus - belegt wohl die eindeutige Parteinahme des Königs zugunsten des Konvents.

Alles in allem kann auf Grund der Fülle von Indizien am manipulatorischen Vorgehen Sugers kaum gezweifelt werden.

Woraus bezog der Abt von Saint-Denis seine Motive, Argenteuil in seinen Besitz zu bringen? Relativ unverblümt äußerte er sich zu dieser Frage in seiner Schrift De administratione:

Wer sich weise für diese Frage interessierte, rechnete nach, was der Erwerb dieses Klosters und seiner Dependancen Trappes, Elancourt, Chavenay, Borudonné, Chérisy, das Land von Montmélian, Bony und Montereau-sur-le-Jard wert war. Für den alten Zins von Argenteuil, der nicht zur Abtei gehörte, ist der Zuwachs zwanzig Pfund, denn während wir einst nur zwanzig Pfund besaßen, hatten wir nun vierzig. Und für den Zins an Weizen hatten wir einst sechs Pfund und nun bezogen wir fünfzehn...

Demnach hatten sich die Zinserträge von Saint-Denis durch den Erwerb von Argenteuil mehr als verdoppelt! Es waren also handfeste ökonomische Interessen gewesen, die den Abt zu seinem fragwürdigen Vorgehen veranlasst hatten. Es wird kein Zufall gewesen sein, dass wenige Jahre später die Neuorganisation und der Ausbau von Saint-Denis in Angriff genommen wurde: Ab 1130 begannen die ersten Baumaßnahmen, aber 1137 die Errichtung des Westwerks der Abbaziale und ab 1140 die Neugestaltung des Chorumgangs, welcher die Inaugurierung des gotischen Stils mit sich brachte. Schon der Zeitgenosse Bernhard von Clairvaux und später Wilhelm von Nangis hatten bestätigt, dass die Wiedererlangung Argenteuils nur Teil eines umfassenden Reform- und Konsolidierungsprogramms war, mit welchem Abt Suger dem unter seinem Vorgänger Adam eingerissenen Sittenverfall in Saint-Denis entgegenwirkte und Hand in Hand mit dem erstarkenden Königtum Saint-Denis zur Königsabtei schlechthin machte. [57]

 

Zusammenfassung und Ausblick

 

Als im Frühling 1129 das Kloster Argenteuil im Westen von Paris den Besitzer wechselte, ging damit die mehr als 450-jährige Tradition eines Nonnenkonvents zu Ende. Abt Suger von Saint-Denis, einflussreichster Berater des französischen Königs Ludwig VI., hatte die Gunst des Augenblicks ergriffen und alte Besitzrechte geltend gemacht. Alles im allem sprechen die Hintergründe, die Motive, die Begleitumstände und einige Fälschungsindizien dafür, dass der ganze Vorgang ein abgekartetes Spiel, ein widerrechtlicher Akt war. Der Zweck heiligte die Mittel: In einer konzertierten Aktion, bei der neben dem französischen König auch die einflussreichsten Bischöfe der Franzia und sogar der Papst in Rom mitwirkte, wurden die in Argenteuil ansässigen Nonnen ihres Besitzes enthoben, und das Kloster samt seinen Liegenschaften Saint-Denis zugeschlagen.

Dass in der frühen Geschichte Argenteuils zu keinem Zeitpunkt ein Besitzrecht des Männerkonvents von Saint-Denis an diesem Kloster bestand, ist nach den heute noch vorliegenden Urkundentexten weitgehend gesichert. Eine in diesem Zusammenhang deutlich aus der Reihe fallende Urkunde Kaiser Ludwigs des Frommen, die von Abt Suger hauptsächlich als Beweismittel benutzt worden war, bezog sich wiederum auf eine Verfügung Kaiser Karls des Großen, dessen Legende in Saint-Denis auch anderweitig nach Kräften gefördert wurde. Sie ist mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Falsifikat aus dem dortigen Skriptorium.

Unabhängig vom Fälschungscharakter dieser Urkunde war die Vertreibung der Nonnen ein kirchenrechtlich fragwürdiger Vorgang, denn seit der Neugründung des Konvents kurz nach dem Jahr 1000  - einschließlich einer Neuformulierung seines Besitzes und einer erneuten Weihe - deckte die Reklamation von Altrechten den vollständigen Besitzübergang überhaupt nicht ab.

Inwieweit der gleichzeitig den Nonnen gegenüber erhobene Vorwurf der Hurerei zutraf, darf dahin gestellt bleiben. Auf jeden Fall wurden die Betroffenen vor dem in Saint-Germain-des-Prés einberufenen Konzil überhaupt nicht gehört. Auf Grund der in den Protokollen erhaltenen Formulierungen mögen die Beschuldigungen eher als Rechtfertigung für die Gewaltsamkeit der Vertreibung gedient haben.

Entsprechend den päpstlichen Vorschriften wurden die vertriebenen Nonnen zur Rettung ihres Seelenheils in Frauenkonvente der Nachbarschaft eingewiesen. Zwei dieser Konvente konnten identifiziert werden: Yerres und Malnoüe.

In diesem Zusammenhang muss die Tatsache, dass Heloïsa, die zuletzt in Argenteuil den Rang der Priorin eingenommen hatte, sich mit einigen Begleiterinnen dieser Internierungspraxis entzog, als der mutige Versuch einer willensstarken Frau verstanden werden, der misogynen Willkür der Kirchenobrigkeit Widerstand zu leisten. Lieber streifte Heloïsa mit einigen Begleiterinnen obdachlos durch die Lande, als sich auf diese Art zum ewigen Schweigen bringen zu lassen. Ungeklärt bleibt die Frage, wie Abaelard im fernen Saint-Gildas so rasch von der Vertreibung der Nonnen erfahren konnte. Es würde nicht verwundern, wenn Heloïsa persönlich einen entsprechenden Hilferuf abgesetzt hätte.

Prieuré de Notre-Dame d'Argenteuil, aus Monasticon Gallicanum, 1674Nach 1129 war Argenteuil nur noch eine relativ unbedeutende Dependance von Saint-Denis. Die angebliche Wiederentdeckung der Heiligen Tunika war wohl der Versuch, die heruntergegangenen Einkünfte des Klosters wieder zu mehren. Die weitere Geschichte Argenteuils war bewegt. Immer wieder kam es zu Zerstörungen, Plünderungen und Bränden. Vom 17. Jahrhundert an bis zur Französischen Revolution verfielen nach und nach die Konventgebäude. Im Jahre 1790 wurden die letzten Reste als Nationalgut verkauft. Lediglich das Refektorium existierte bis 1947. Heute erinnern keine Ruinen oder sonstigen Überreste mehr an diesen traditionsreichen Konvent. Und von den denkwürdigen Ereignissen des Jahres 1129 sind außer den bereits zitierten Dokumenten nur ein paar Chronikeinträge erhalten geblieben: [58]

MCXXVIIII Hoc anno Philippus puer, vivente patre, Remis coronatus est. Restitutum est Monasterium Argentolii Ecclesiae B. Dionysii, studio domni Sugerii Abbatis.

 1129 In diesem Jahr wurde der Knabe Philipp, noch zu Lebzeiten des Vaters, in Reims gekrönt. Das Kloster Argenteuil wurde auf Betreiben des Herrn Abtes Suger der Kirche von Saint-Denis zurückerstattet.

Fußnoten

 

[1] Siehe: Historia Calamitatum, z.B. Edition Hicks, E., La vie et les epistres Pierres Abaelart et Heloys sa femme, Traduction du XIIIe siècle, avec une nouvelle édition des textes latins d'après le ms. Troyes Bibl. min. 802, Paris, Genf, 1991, Seite 36.

[2] Der Text stammt aus einem Manuskript aus dem 17. Jhd., heute im Archiv Seine-et-Oise, fonds d'Argenteuil. Siehe auch: Dutilleux, Héloise à Argenteuil, Revue de l'histoire de Versailles et de Seine-et-Oise, 1902, 241-260. Oder: Charrier, Ch., Héloise dans l'histoire et dans la légende, Paris, 1933, Seite 159.

[3] Die Texte folgender Urkunden finden sich in folgenden Dossiers: Archives Nationales, LL 156 und LL158, und B.N.lat. 5415.: 1. Carta von Ludwig, dem Frommen und seinem Sohn Lothar (auch Böhmer Nr. 848). Dies ist das einizge sicher von Suger verwendete Dokument. 2. Bestätigung des Bischofs Stephan von Senlis, vor dem 14. April 1129, 3. Bestätigung von Matthäus, Kardinalpriester von Albano, vor dem 14. April 1129, auch: Doublet, Seite 48, 4. Bestätigung von Ludwig VI. und seinem Sohn Philipp, Reims, 14. April 129, auch: Luchaire, Nr. 433, 5. Bestätigung von Papst Honorius II., Lateran, 23. April 1129, auch: Jaffé, Nr. 7372, 6. Bestätigung von Innozenz II., Cluny, November 1130; auch: Jaffé, Nr. 7426.

[4] Zitiert aus: Charrier, a.a.O., Seite 160. Dort zitiert aus: Doublet, J., Histoire de l'Abbaye de Saint-Denys en France, Paris, 1625, Buch II, Seite 483.

[5] Das Königsdiplom endete folgendermaßen: Actum apud S. Germanum de Pratis, in praesentia D. Matthaei Albanensis episcopi A.S. legati, et Gaufridi Carnotensis episcopi et aliorum supradictorum episcoporum. Datum autem et confirmatum Remis in solemni curia Paschae, in auctore domni Philippi gloriosissimi Regis, anno incarnati Verbi MCXXIX, indict. VII, etc.

[6] Brief 5, Abaelard an Heloïsa, z.B. Hicks, E., a.a.O., Seite 78.

[7] Das Refektorium lag i. d. Regel zwischen calefactorium (Wärmehaus) und coquina (Küche) und diente der Mahlgemeinschaft der Nonnen.

[8] Brief 6, Heloïsa an Abaelard, z.B. Hicks, E., a.a.O., Seite 89.

[9] Siehe: Waldman, Th., Abbot Suger and the nuns of Argenteuil, Traditio, XLI, 1985, 239ff.

[10] Zu den Vorgängen siehe: Cartae 143, 144, 253, in: Lasteyrie, R. de, Cartulaire Générale de Paris, Tome premier 528-1180, Paris, 1887, Seite 161ff. und 251f.

[11] Concremato apud Almaniscas sanctimonialium monasterio, ut dictum est, tener virginum conventus misere dispersus est... Und: Item monachi et sanctimoniales qui, relictis suis ecclesiis, per orbem vagantur, alii pro nequitiis suis a monasteriis expulsi, quos pastorali auctoritate oportet compellere ut ad monasteria sua redeant; et si expulsos abbates recipere noluerint, victum eleemosynae eis tribuant, quae etiam manuum labore acquirant, quousque si vitam suam emendaverint videantur... Ordericus Vitalis, Historia Ecclesiastica, Pars III, Liber XI, in Migne, Patrologiae Cursus Completus, Band 188, Seite 796.

[12] Papst Kallixtus II. schrieb an den Bischof Wulgrinus von Bourges am 3. Dez. 1120, dass dessen Vorgänger Leodegar von Bourges aus dem Kloster Sancta Maria de Carenonio Nonnen vertrieben bzw. auf andere Klöster verteilt und Regularkanoniker eingesetzt hätte - propter minus honestam earum conversationem. Es habe dazu eine Bestätigungsurkunde des Papstes Paschalis gegeben. Nach seinem Tod hätten einige Kanoniker mit weltlicher Unterstützung - quidam fratrum vestrorum canonicorum S. Stephani cum laicorum favore - die Regularkanoniker vertrieben und die Nonnen wieder eingesetzt. Kallixtus II. verlangte nun, dass Wulgrinus die alten Verhältnisse wieder herstellte. Ansonsten drohe den Insassen des Klosters Exkommunikation und Kirchenbann! Siehe Patrologia Latina Cursus Completus, Band 163, Spalte 1189.

[13] (29) III kal. Stephanus, Parisiensis episcopus (1142), qui hanc abbatissam anno incarnati Verbi milesimo centesimo tricesimo secundo construxit, ad ordinem secundum regulam sancti Benedicti sanctimonialibus statuit, et auctoritate apostolica Innocencii pape suo anathemate ne mulieres eicerentur firmavit, et multa alia bona innumerabilia fecit nobis. Siehe Molinier, A., Obituaires de la Province de Sens, Tome 1 et 2, diocèses de Sens et de Paris, Paris, 1902, 1906, Obituaire de l'abbaye d'Yerres, Seite 619.

[14] Siehe: Hicks, E., a.a.O., Seite 36.

[15] Illarum miseriae consulentes...illis in religiosis locatis monasteriis...substitueret - Er sollte sich um ihre Notlage kümmern und sie auf verschiedene Klöster verteilen." Siehe oben.

[16] Siehe: Hicks, E., a.a.O., Seite 36.

[17] Siehe: Benton, F., Fraud, fiction and borrowing in the correspondence of Abelard and Heloise, in: Pierre Abélard, Pierre le Vénérable, Actes du Colloque du Cluny, 1972, Seite 486.

[18] 27 aug. Commemoratio Argentoillensium. Siehe: Obituaire Latin, in: Boutillier du Retail et Piétresson de Saint-Aubin, Recueil des historiens de la France, Obituaires de la province de sens, IV, Diocèse de Meaux et e Troyes, Seiten 386ff.

[19] Heloysa, neptis Fulberti canonici parisiensis, primo Petri Abaelardi conjux, deinde monialis et priorissa Argenteoli, post oratorii Paraclitici abbatissa, quod ab anno MCXXX ad annum MCLXIV prudenter atque religiose rexit. Siehe: Duchesne, A., Abaelardi opera, Paris, 1616, Seite 1187.

[20] Chronique de Guillaume de Nangis, in: Guizot, M., Collection des mémoires relatifs à l'histoire de France, Paris, 1825, Seite 23. Auch: Geraud, Chron. lat. G. de Nangis, Paris 1843.

[21] Die Angaben D. Gervaises dürfen im Allgemeinen als nicht besonders zuverlässig gelten, sind jedoch hier zutreffend. Siehe: Gervaise, Dom, Vie de Pierre Abélard et celle d'Heloise son épouse, Paris, 1720, I, Seite 273. Auch: Sainte-Marthe, Denis de et al., Gallia Christiana, Band VII, Paris, 1720-1770, Spalten 586-596 und Band XII, Spalte 570: Non omnes tamen Argentolii sanctimoniales ad Paraclitense oratorium se contulerunt, sed aliae in diversis locis dispersae sunt. Ex his non paucae ad locum quendam pagi Parisiensis, qui Malanoa vulgo appellatur, se receperunt, sex leucis positum inter Sequanam et Matronam. Außerdem: McLeod, E., Heloise, Paris, 1941, Seite 87. Siehe auch: Dutilleux, A., Héloïse à Argenteuil, in: Revue de l'histoire de Versailles et de Seine-et-Oise, Académie de Versailles, JG 4, 1902, Seite 254ff.

[22] Siehe: DHGE, Band IV, Spalte 25. Außerdem: Félibien, M., Histoire de l'abbaye royale de Saint-Denys en France, Paris, 1706, Preuves I, 87, 109, 110. Und: McLeod, E., a.a.O., Seite 85. Auch: GC, VII, Spalten 84ff. Auch: Vanel, J.B., Histoire de la Sainte-Tunique d'Argenteuil, nach einem Manuskript von Dom Wyard, Paris, 1894.

[23] Siehe: Molinier, A., Obituaires de la Province de Sens, Tome I, diocèses de Sens et de Paris, Paris, 1902, Seiten 615 und 619.

[24] Siehe: Delisle, L., Rouleau mortuaire du bienheureux Vital, abbé de Savigny, contenant 207 titres écrits en 1122-1123 dans différentes églises de France et d'Angleterre, Paris 1909.

[25] Siehe dazu auch: Robl, W., Heloisas Herkunft: Hersindis Mater, München, 2001, Seite 257ff.

[26] Siehe: Félibien, M., a.a.O., Seite 163.

[27] Deutsche Übersetzung nach Waldman, Th., Abbot Suger and the nuns of Argenteuil, Traditio, XLI, 1985, 239ff. Lateinischer Auszug aus: Charrier, Ch., a.a.O., Seite 158 und 161. Dort zitiert nach: Duchesne, A., Sur un ancien ms. de Saint-Denis - Script. Franc., Band IV, Seite 333. Und: Felibien., a.a.O., Preuves, 2. Teil, Nr. 3. Sowie: Doublet, J., Histoire de l'Abbaye de Saint-Denys en France, Paris, 1625, Buch 2, Seite 482.

[28] Siehe z.B.: Fossier, L., Argenteuil, in: Lexikon des Mittelalters, 1980, Band 1, Spalte 923.

[29] Die Carta wurde Anfang des 18. Jahrhunderts vom Prior von Argenteuil, Claude Fleury, in einem Turm des Priorats gefunden. Seit 1841 befindet sie sich in der Bibliothèque Nationale. In der Urkunde ist der Wald von Cormeilles erwähnt: Cornioletus soll wohl Cormioletus heissen. Die Carta ist editiert von Atsma, H., Vezin, J., Chartae latinae antiquiores, Zürich, 1984, Seite 60, Nr. 654. Auch in: Patrologia Latina Band 88, Ven. Fort., 1095ff.

[30] Siehe: Böhmer, J.F., Regesta Imperii I. Karolinger, 2. Auflage, 1908, Urkunde 110, Seite 56.

[31] Siehe: Böhmer, a.a.O., Urkunde 123, Seite 58. Hier zitiert aus: Delisle, L. (ed), Recueil des historiens des Gaules et de la france, Band 5, Paris, 1869, Seite 718f.

[32] Siehe: Böhmer, a.a.O., Urkunde 848, Seite 332. Hier zitiert aus: Delisle, L. (ed), Recueil des historiens des Gaules et de la France, Band 6 Paris, 1870, Seite 542f. Auch in: Doublet, a.a.O., Seite 736.

[33] Siehe: Büll, F., Das Monasterium Suuarzaha, ein Beitrag zur Geschichte des Frauenklosters Münsterschwarzach von 788 bis 877, Münsterschwarzach, 1992. Auch in fr. Übersetzung: Theodrade, fille de Charlemagne, Abbesse d'Argenteuil et de Schwarzach, in: Le vieil Argenteuil, Bulletin de la Société historique & archéologique d'Argenteuil & du Paris, Argenteuil 1993, Seite 14.

[34] Siehe: Büll, F., a.a.O., Seite 20.

[35] Original in den Archives Nationales, K 9, Nr.2. In: Mabillon, J., De re diplomatica, Paris, 1681, Buch VI, Band 1, Seiten 535ff. Auch in: Tardif, J., Monuments historiques, Paris, 1866, Seite 82.

[36] Tardif, J., a.a.O., Nr. 118.

[37] Harley, B.L. 208 und B.N. nouv. acq. lat. 1096, siehe auch: MGH, Briefe IV, Seite 581.

[38] Über das Leben Theodradas siehe auch: Wolf, Gunther G.: Prinzessin Theodrada, Tochter Karls des Großen und der Fastrada, Äbtissin von Argenteuil, Münsterschwarzach und St. Felix und Regula in Zürich, 1998.

[39] Siehe: Büll, F., a.a.O.Seite 11.

[40] Siehe: Büll, F., a.a.O., Seite 12. Newman, W.M., Catalogue des actes de Robert II, roi de France, Paris, 1037, Nr. 19.

[41] Damals soll Karl der Große dem Kloster Saint-Denis auch den Heiligen Nagel und die Heilige Krone gebracht haben: Iter hierosolytanum, descriptio qualiter Carolus magnus clavum et coronam Domini a Constantinopoli Aquisgrani attulerit qualiterque Carolus Calvus hec ad S. Dionysium retulerit. Zitiert aus: Bur, M., Suger Abbé de Saint-Denis, Régent de France, Paris 1991, Seite 324.

[42] Siehe auch: Le Quéré, F., La Sainte Tunique d'Argenteuil, Histoire et examen de l'authentique Tunique sans couture de Jésus-Christ, Paris, 1997. Und: Hesemann, M., The Robe of Jesus - The tunique of Christ in Trier or in Argenteuil, Lecture of the One-Day-Congress "12 siècles de presence de la Sainte Tunique de Jesus à Argenteuil", Argenteuil, 11. Nov. 2000.

[43] Bautier, R H., Labory, G., Helgaud de Fleury, Vie de Robert le Pieux, Paris, 1965, Seite 82f. Hier zitiert aus: Delisle, L. (ed), Recueil des historiens des Gaules et de la france, Paris, 1874, Band 10, Seite 104.

[44] Siehe: Delisle, L. a.a.O., Band 10, Seite 582f.: Multarum possessionum donationem ab Adelaide matre factam Argentoilo Monasterio confirmat. Auch: Doublet, a.a.O., Seite 829. Und: Gallia Christiana, 28, Instrumenta.

[45] A. Lesort, Artikel Argenteuil, in: Dictionnaire d'histoire et de géographie écclésiastiques, Paris, 1930, Band IV, Spalte 31.

[46] Siehe: Böhmer, J.F., Regesta Imperii I. Karolinger, 2. Auflage, Innsbruck, 1908: Z.B. Urkunden Nr. 228, 250, 459, 469, 608, 661.

[47] Siehe z.B.: Prinz, F., Schenkungen und Privilegien Karls des Großen, in: Braunfels, W., Karl der Große, I, 1965, Seite 488.

[48] Es handelt sich um die Königsurkunden aus den Jahren 1118, 1120, 1124, 1129, 1144. Siehe Groten, M., Die Urkunde Karls des Großen für St. Denis von 813 eine Fälschung Abt Sugers? In: Historisches Jahrbuch, 108, 1988, Seite 23f. Oder: Barroux, R., L'abbé Suger et la vassalité du Vexin en 1124, in: Le Moyen Age 64,1958, Seite 1ff.

[49] Siehe: Groten, M., a.a.O., Seite 5ff.

[50] Waldman, Th., Abbot Suger and the nuns of Argenteuil, Traditio 41, 1985, 239ff. Hier zitiert aus: L'abbé Suger et les nonnes d'Argenteuil, in Le vieil Argenteuil, Bulletin de la Société historique et archéologique d'Argenteuil et du Paris, 29, Argenteuil, Seite 5ff.

[51] Tardif, J., a.a.O., Urkunde Nr. 135.

[52] Félibien, M., a.a.O., Urkunde Nr. 33, Seite 23.

[53] Siehe Doublet, J., a.a.O., Seite 736. Auch: Duchesne, A., Notae ad Historiam calamitatum, XLIX, Abaelardi Opera, I, Seite 65. Und: Gallia Christiana, Band VII, Instrumenta, Nr. 8, Spalte 8. Manuskript Archiv. Nat. LL 1458, Band II, Seite 277r. (Referenzen aus Charrier, a.a.O.)

[54] Levillain, L., Ètudes mérovingiennes: la charte de Clotilde, 10 mars 673, in: Bibliothèque de l'Ècole des chartes, Band 105, 1944, 5ff.

[55] Einhard, Vita Caroli magni, ed. Waitz, G., MGH, Scriptores rerum germanicarum, Hannover, 1901, Seite 22. Auch: Werner, K. F., Die Nachkommen Karls des Großen bis 1000, in: Karl der Große, Lebenswerk und Nachleben, Band 4, Düsseldorf, 1967, Seite 445.

[56] Waldman, Th., a.a.O. Seite 17. Siehe auch: Diplomata imperii, ed. Pertz, MGH, Hannover 1972, Nr. 22, 26, 27, 34, 36, 38. Und: Newman, W.M., Catalogue des actes de Robert II, Paris 1937, Nr. 120, Tardif Nr. 249.

[57] Siehe z.B.: Bernhard von Clairvaux, Brief 78, Opera, Tome VII, ed. J. Leclercq et Rochais, Rom, 1974, 201f. Und: Wilhelm von Nangis, Chronik Band 1, a.a.O., Seite 13.

[58] Ex Brevi Chronico ecclesiae S. Dionysii ad cyclos paschales, in: Delisle Léopold (ed.), a.a.O., Band 12, Paris, Seite 215.


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