Kupferstiche des Paraklet-Klosters aus dem 18. Jahrhundert

Die Quellen zu den Baulichkeiten des Paraklet sind spärlich: Einige Schriften Abaelards, einige Papstbullen, einige weitere mittelalterliche und neuzeitliche Dokumente - mehr nicht. Bildvorlagen aus früherer Zeit existieren kaum. Seit Entdeckung des Tiefdruckverfahrens wurden zwar unzählige Abbildungen und Stiche zum Thema Heloïsa und Abaelard angefertigt - dies sind jedoch meistens mehr oder weniger fantasievolle, häufig auch kitschige Werke. Ein Bildnachweis zum Kloster findet sich jeweils in Charlotte Charrier: Heloïse - dans l'Histoire et dans la légende, Paris, 1933 und in René Louis: Pierre Abélard et l'Architecture monastique - L'Abbaye du Paraclet au diocèse de Troyes, Mainz 1951.

Bei Albert Willocx, Abélard, Heloïse et le Paraclet, 1996 findet sich auf Seite 170 auch eine Abbildung des Paraklet aus der Zeit vor der Zerstörung. Der Stich gehört heute zum Fundus des Archive départementale de l'Aube (2 Fi 898). 

 

Michel Picquenot

 

Laut Willocx stammt der Stich vom Kupferstecher Picquenot. Er wird im folgenden kurz Stich 1 genannt. Bei Charrier finden sich dazu unter Iconographie/Gravures folgende ikonographischen Angaben: Vue de l'abbaye du Paraclet, gravée par Michel Picquenot, d'aprés Bruandet, 1747, Manuel de l'amateur d'estampes, par Ch. Le.Blanc, t. III, p.203. Die hier genannte Datierung 1747 kann jedoch nicht stimmen; denn der französische Landschaftsmaler Lazare Bruandet lebte von 1755 bis 1804, kann also das dem Kupferstich zugrunde liegende Bild aus chronologischen Gründen kaum vor 1775 gemalt haben. Der Stich Picquenots enthält als Unterschrift die Widmung:

Vue de l'abbaye du Paraclet, proche de Nogent-sur-Seine dont Abélard fut fondateur et Heloïse première abbesse. Dédiée à Madame de Roucy, abbesse de ce monastère. Par son très humble et très obéissant serviteur Picquenot.

Ansicht der Abtei des Paraklet nahe Nogent-sur-Seine. Abaelard war sein Gründer, Heloïsa seine erste Äbtissin. Gewidmet Madame de Roucy, Äbtissin dieses Klosters. Durch den demütigen und sehr gehorsamen Diener Picquenot.


In einem Antiquariat in Eurasburg wurde kürzlich ein Kupferstich aufgefunden, der die Unterschrift trägt: Le Paraclet. Laut verkaufendem Antiquariat stammt er aus dem Jahre 1795. Diese Angabe ist jedoch ebenfalls nicht korrekt, denn der Kupferstich wurde bereits 1793 in einer französischen Buchreihe veröffentlicht: La Vallée et Brion, Voyage dans les départements de la France - Département de l'Aube, Paris 1793, Seite 20. Er ist 14,5x 9 cm groß, ist in sogenannter Aquatinta-Technik ausgeführt und trägt keine Signatur oder sonstige Angabe des Kupferstechers. Dass es sich bei der Darstellung um das ehemalige Paraklet-Kloster handelt, steht außer Zweifel: Zu eindeutig ist die Übereinstimmung mit der Darstellung des Gebäudeensembles durch Picquenot und der heutigen Situation. Es ist eine handwerklich und motivisch gefällige Arbeit. Der Stich wurde in sogenannter Aquatinta-Technik ausgeführt - eine Halbtöne erzeugende Flächenätzung, die erst zwischen 1765 und 1768 in Frankreich von Jean Baptiste Leprince erfunden wurde. Deshalb kann der Stich nicht vor 1768 entstanden sein. Äußerst fraglich ist jedoch, ob das Bildmotiv wirklich aus der Zeit kurz vor 1793 stammt. Auf den vermuteten Entstehungszeitraum der Bildvorlage wird weiter unten noch eingegangen. 

 

Anonymer Künstler

 

Welche Rückschlüsse kann man aus einer vergleichenden Betrachtung der Bilder ziehen?

Übereinstimmungen

 

Der Graveur Picquenot hat bei Stich 1 die dominierenden Bildanteile - Bildmitte und -vordergrund - detailliert ausgeführt, wobei der Hintergrund, der Landschaftshorizont, nicht der Realität entspricht. In der zentralen Bildgestaltung zeigen beide Stiche erstaunliche Gemeinsamkeiten; deshalb kommt wohl diesen Bildanteilen ein hoher Grad an Authentizität zu:

 

Unterschiede

 

 

Datierung

 


Ein weiterer Kupferstich, im folgenden Stich 3 genannt, gibt die Phase der Zerstörung wieder. Eine Datierung bereitet wegen des Bildmotivs keine Schwierigkeiten: Nach einem Entwurf von Delaval fertigte der Kupferstecher Beaugean um 1795 diesen Stich an. Der Kupferstich ist in folgenden Werken angebildet: Charlotte Charrier, Héloïse dans l'histoire et dans la légende, Paris, 1933 und René Louis, Pierre Abélard et l'Architecture monastique - L'Abbaye du Paraclet au diocèse de Troyes, Mainz 1951.

 

Leider liegt auch Stich 3 nur in Reproduktionen bescheidener Qualität vor. Sein heutiger Standort ist nicht bekannt. Der Stich gibt interessante Details der Abbruchphase des Klosters wieder, und dies obendrein aus rückwärtiger Perspektive. Bei genauerer Betrachtung wirft der Stich allerdings viele Fragen auf:

Zusammenfassend gibt Stich 3 nach einem Motiv von Delaval interessante Details wieder, wirft aber letztlich mehr Fragen auf, als er löst.


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