Saint-Marcel bei Chalon-sur-Saône

Kirche Saint-Marcel bei Chalon-sur-Saône In einer flachen und weiten Flussaue, am linken Ufer der Saône, liegt die große Marktgemeinde Saint-Marcel, heute bekannt für ihren Gemüse- und Blumenanbau. Unmittelbar jenseits des Flusses beginnt Chalon, die ehemalige Bischofsstadt Burgunds. Hier - im Osten der Stadt - lag einst das zu Cluny gehörende Priorat Saint-Marcel, in welchem Peter Abaelard verstarb. Es ist benannt nach dem Märtyrer Marcellus, einem Lokalheiligen Burgunds.

Markt und Kirche Saint-Marcel sind auf einer ehemaligen gallo-römischen Nekropole errichtet. Im Jahre 179 n. Christus erlitt an diesem Ort, der einst den keltschen Namen Hubiliac trug, der Heilige Marcellus den Märtyrertod. Im Jahre 579 errichtete zu seinen Ehren der burgundische König Guntram (561-593) ein Kloster mit einer Basilika, welches später durch Barbareneinfälle wieder teilweise zerstört wurde. Es war das erste Kloster im christlichen Abendland, in dem die laus perennis gefeiert wurde, der ununterbrochene Lobgesang der Mönche. Er wurde liturgisch dadurch vollzogen, dass der ganze Konvent in drei Chöre aufgeteilt wurde, und ein Chor den Gottesdienst fortsetzte, wenn der vorangehende den seinen beendet hatte. König Guntram wurde in dieser Kirche im Jahre 593 beigesetzt. So war Saint-Marcel schon seit dem 6. Jahrhundert eine wahrhaft königliche Abtei. Merowingisch-schlicht war dieser erste Kirchenbau, von dem heute nur noch Reste am Portalvorbau erhalten sind.

Später wurde daraus ein Bischofskloster, dann eine gräfliche Abtei, zeitweise auch ein Kanoniker-Kapitel. Nach zwischenzeitlichem Niedergang fiel das Kloster in den Jahren zwischen 978 und 987 durch Heirat der Landesherrin an das entfernte Anjou. Graf Gottfried Grisegonelle von Anjou (940-987) heiratete 978 in zweiter Ehe Adelaide von Chalon, die Witwe des Grafen Lambert von Chalon. Aus dieser Ehe entstammte ein Sohn namens Moritz. Dem Einfluss des Grafen Gottfried Grisegonelle ist es zu verdanken, dass das Kloster Saint-Marcel mit dem aufstrebenden Cluny vereinigt wurde. Im Jahre 988 errichteten die Mönche von Cluny hier ein Priorat und erbauten im 12. Jahrhundert die gegenwärtige Pfarrkirche. Auf seinem Höhepunkt soll das Priorat um die 30 Mönche gezählt haben.

Saint-Marcel Grundriss Die noch heute erhaltene Kirche stammt im wesentlichen aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts und wirkt aufgrund ihrer Austerität eher wie ein zisterziensisches als wie ein kluniazensisches Bauwerk. Das bedeutende romanische Baudenkmal misst 56 m Länge und 18 m Breite, gemessen in Höhe des Querschiffs. Der Kirchengrundriss ist schlicht: ein Längsschiff mit niederen Seiten, ein Querschiff ohne Vorsprung, ein flacher Chorraum und ein Portalvorbau mit einem viereckigen Glockenturm. Im Jahre 1434 wurde die Fassade von Jean Roulin um den Glockenturm erhöht. Das Eingangsportal mit seinen Säulen erhielt im 17. Jahrhundert einen neuen, aufwendigeren Giebel, im selben Stil wie der Glockenturm. Die linke Hälfte der Fassade stützte 1891 ein und wurde vier Jahre später mit Steinen aus Comblanchien wiedererrichtet. Die Nordseite der Kirche ist mit den regelmäßigen Strebepfeilern, die den Aufbau tragen, neu gestaltet. Die gegenüberliegende, ältere Seite ist dagegen völlig unterschiedlich. Vermutlich schloss sich hier direkt der Kreuzgang des Priorates an, an Stelle eines Stützwerkes. Diese Bauteile wurden zusammen mit dem Priorat während der Französischen Revolution völlig zerstört. Im wesentlichen umfassten die ehemaligen Klostergebäude zwei große, rechtwinklig zueinander stehende Baukörper. Die Schmalseite des einen grenzte an den Chor der Kirche an. Heute steht nur noch das sogenannte Haus des Priors, mit der Hausnummer 1 an der Rue du Prieuré. Das Tor mit der Hausnummer 8 am Kirchplatz stellt mit seiner schönen Steinarkade den einzigen Rest des Priorateinganges dar. Im 19. Jahrhundert errichtete die Gemeinschaft der Sœurs de Saint-Joseph hier ein neues Gebäude.

Saint-Marcel Hauptschiff Nach dem Betreten der Kirche stößt man zunächst auf eine bescheidene Eingangshalle, mit einem schönen Gewölbesaal zur Linken. Nach vorne erblickt man das Hauptschiff mit seinen Kreuzgratgewölben, welche in einem romanischen Gebäudeensemble etwas überraschen. Die zwei Seitenschiffe tragen romanische Kreuzgewölbe. Der Kirchenschmuck beschränkt sich auf die Kapitelle, die sich ausnahmslos unterscheiden. Beim Durchschreiten des Mittelganges bemerkt man die sogenannten Bänke der Bürgermeister. Chor - Engelsgruppe von Boichot Die Pfarrgemeinde Saint-Marcel umfasste nämlich einst fünf Gemeinden. An den Seitenwänden hängen fünf Gemälde, davon zwei Monumentalgemälde des Malers Devosge von 5 x 3 m Größe. Der Chor mit viereckigem Grundriss wird von zwei Apsidiolen flankiert. Die linke enthält einen Altar, dessen Retabel das Leben der Heiligen Katharina von Alexandria darstellt. Die Apsidiole zur Rechten zeigt großartiges Schnitzwerk im Louis-XVI-Stil, welches erst kürzlich restauriert wurde, außerdem einen rosa Marmoraltar. Das Ende des Chores dominiert ein Sockel aus Marmor mit einer großen Engelgruppe des Bildhauers Boichot aus Chalon, errichtet in der Zeit um 1770. Die beiden Engel, von denen der eine mehr weibliche und der andere mehr männliche Züge trägt, stützen einen vergoldeten Holzschrein mit den Reliquien des Heiligen Marcellus und des Heiligen Agricola, des Bischofs von Chalon. Das Chorgestühl und weiteres Schnitzwerk vervollständigen das Chor-Ensemble. Hinten in der Kirche befindet sich im rechten Seitenschiff die Kapelle des Heiligen Marcellus, wo man - abgesehen von der Statue des Heiligen - eine Nachbildung des Brunnens sieht, in dem er zu Tode kam. An den Kapellenmauern befinden sich außerdem zwei tragbare Reliquiare der Heiligen Marcellus und Agricola, und über dem Altar die ehemaligen Wappen des Priorats, mit einer Holzschnitzerei (Kreuzesabnahme). Direkt über dem Eingang liegt die Hochkapelle Saint-Michel mit Wandmalereien aus dem 13./14. Jahrhundert.

In diesem Priorat Clunys war also einst Peter Abaelard verstorben. Wir erinnern uns an die Umstände seines Todes:

Nachdem Abaelard in Folge des Konzils von Sens am 25. Mai 1141 durch Papst Innozenz II. am 16. Juli desselben Jahres rechtskräftig zu Schweigen und Klosterhaft verurteilt worden war, hatte der Großabt von Cluny, Petrus Venerabilis, dem gedemütigten Philosophen in Cluny großzügig Asyl gewährt. Dort war Abaelard den Zugriffen seiner Gegner weitgehend entzogen. Nach den persönlichen Angaben Peters, des Ehrwürdigen, lebte Abaelard in Cluny einige Zeit - in Ehren und unter Fortsetzung wissenschaftlicher Betätigung. Formal war das päpstliche Urteil allerdings erfüllt; Abaelard trat nicht mehr in der Öffentlichkeit auf. Später wurde durch die überragende Diplomatie des Großabtes von Cluny sogar die Aussöhnung mit Bernhard von Clairvaux erreicht. Wie lange Abaelard in Cluny weilte, ist strittig. Petrus Venerabilis sprach von ultimis vitae suae annis, d.h. den letzten Lebensjahren, der Abaelard-Schüler und Historiograph Otto von Freising von non multis post diebus, d.h. nur wenigen Tagen.

Kirchenmauer - Lage des ehemaligen KreuzgangsIm Spätherbst des Jahres 1141 muss sich der gesundheitliche Zustand Abaelards bedenklich verschlechtert haben. Abaelard vernachlässigte zunehmend seine Körperhygiene und entwickelte eine Krätze, außerdem nahm er zunehmend weniger Nahrung zu sich. Nach und nach verließen ihn die Kräfte. Zweifelsohne war er an einem konsumierenden Leiden erkrankt. Ungeachtet dieser gesundheitlichen Verschlechterung arbeitete er weiter an seinem Werk - auch nachts, denn er litt an zunehmender Schlaflosigkeit. Nach dieser Schilderung des Petrus Venerabilis schien er jedoch nur wenig von Schmerzen geplagt gewesen zu sein, brach er doch bis zuletzt seine Arbeiten nicht ab. Alles in allem sprechen die Quellenangaben für das Vorliegen einer Schwindsucht, d.h. einer aktiven Organtuberkulose. Dies war die häufigste Erkrankung des Mittelalters, mitbedingt durch die beengten Verhältnisse und ungünstigen klimatischen Bedingungen in den Klöstern. Cluny selbst beherbergte damals an die fünfhundert Mönche.

Obwohl Petrus Venerabilis dort über das größte und modernste infirmarium seiner Zeit verfügte, welches er um 1132 persönlich hatte errichten lassen, und welches er - wie seinen Statuten zu entnehmen ist - mit großer Umsicht und hervorragendem medizinischem Sachverstand leitete, beließ er Abaelard in seinen letzten Tagen nicht an diesem Ort. Vielmehr sorgte er dafür, dass Abaelard in das Priorat Saint-Marcel - ca. 50 Kilometer nördlich von Cluny - gebracht wurde, das wegen seiner Lage klimatisch weitaus günstiger gelegen war:

Ultimos vitae suae dies consecrans deo, pausandi gratia, nam plus solito, scabie et quibusdam corporis incommodatibus gravabatur, a me Cabilonem missus est. Nam propter illius soli amenitatem, qua cunctis pene Burgundiae nostrae partibus praeminet, locum ei habilem, prope urbem quidem, sed tamen Arari interfluente, provideram.

So widmete er seine letzten Tage Gott, bis er zur Erholung - denn er litt stärker als gewohnt an Krätze und an manch anderen körperlichen Gebrechen - von mir nach Chalôn geschickt wurde. Ich hatte für ihn wegen des milden Klimas, welches fast alle anderen Landesteile unseres Burgunds übertrifft, extra einen Ort ausgesucht, der nahe an der Stadt, aber dennoch durch die Saône von dieser getrennt, lag.

So schrieb Petrus Venerabilis später an Heloïsa.

Saint-Marcel FassadeDer Winter 1141/1142 war nachgewiesenermaßen sehr hart. Hoc anno hyems aspera, fames plurima, languor hominum extitit, d.h. in diesem Jahr war der Winter hart, der Hunger grassierte und die Menschen litten an Entkräftung. So berichtet eine alte Chronik. Doch weil Saint-Marcel viel tiefer als Cluny lag, war dort mit milderen Temperaturen zu rechen. Außerdem hatte Abaelard dort trotz seines Krankenstandes die Möglichkeit, sein Studium fortzusetzen. In der Tat ist Saint-Marcel als Lehrstätte überliefert. Im Jahre 1037 hatte sich dort der Heilige Hugo zum Studium der Grammatik aufgehalten. Somit muss es über eine Bibliothek und ein scriptorium verfügt haben - in unmittelbarer Nähe zur Krankenabteilung. Abaelard hätte in dem großen, kalten und keimbelasteten infirmarium von Cluny - fernab von seinen Büchern - eine weitaus geringere Erholungschance gehabt. Im Übrigen war ihm der Heilige Marcellus, dem das Priorat geweiht war, kein Unbekannter. König Guntram hatte einst auch bei Paris einige Kirchen diesem Heiligen geweiht, so z.B. eine Pfarre von Saint-Denis und die Kirche Croissy-en-Brie bei Lagny.

Rechtes Hauptschiff Allen Bemühungen des Petrus Venerabilis zum Trotz, war dem bereits todkranken Abaelard eine wesentliche Erholung nicht mehr vergönnt. Zwar nahm er in Saint-Marcel seine Studien nochmals auf und er las, schrieb und diktierte, soweit die Kräfte reichten, dann aber verließ ihn vollends die Lebensenergie und er verstarb am 21. April des neuen Jahres 1142. Diese Daten entstammen im wesentlichen zwei Quellen, dem Totenbuch des Paraklet und einer Geschichte der Bischöfe von Paris, welche erwähnte, dass Abaelard im selben Jahr und im selben Alter wie der Bischof von Paris, Stephan von Senlis, verstorben sei. Petrus Venerabilis konnte Abaelard auf dem Sterbebett nicht mehr besuchen, denn er weilte zum betreffenden Zeitpunkt in Spanien. Die Mönche von Saint-Marcel bestatteten Abaelard an Ort und Stelle - wohl mit allen Ehren, die einem Abt gebührte.

Doch der tote Abaelard sollte nicht in Saint-Marcel verbleiben. Im November desselben oder des darauf folgenden Jahres erfüllte der Abt von Cluny das Versprechen, welches er Heloïsa, der Äbtissin des Paraklet und der einstigen Geliebten und Frau Abaelards gegeben hatte: Er ließ den toten Abaelard aus seiner Grabstätte heben und überführte ihn persönlich in das Paraklet-Kloster bei Nogent-sur-Seine. Die dortige Zweitbestattung fand an einem 16. November statt. Der Leichnam Abaelards wurde in einer neuen Gruft und einem neuen Sarkophag in der Kapelle petit moustier, vermutlich dem ersten Paraklet-Oratorium Abaelards, bestattet.

Mitunter ist unterstellt worden, Abaelard sei heimlich - d.h. ohne das Wissen der Mönche von Saint-Marcel und gegen ihren Willen, quasi in einer Nacht- und Nebelaktion - aus Saint-Marcel entführt worden. Doch diese Ansicht ist unsinnig und widerspricht jeglicher Autorität eines Petrus Venerabilis. Ein entsprechendes Zitat des Abtes - corpus eius furtim delatum, d.h. sein Leichnam wurde heimlich weggebracht - bezog sich nicht auf die Exhumierung, sondern lediglich auf einen Transport ohne großes Aufsehen. Vermutlich war Abaelard in Saint-Marcel in einem steinernen Sarkophag bestattet worden, dessen Inhalt - vermutlich ein Holzsarg - nun ungeöffnet den langen Weg ins Paraklet-Kloster machte - verborgen im Gepäckzug des Großabtes. Kaum etwas wissen wir darüber, an welcher Stelle des Priorates Abaelard erstbestattet worden war. Eine gewöhnliche Erdbestattung erscheint wenig wahrscheinlich, da sie Abaelards Position eines Abtes nicht angemessen gewesen wäre. Außerdem hätte die eingetretene Fäulnis und Verwesung des Toten Petrus Venerabilis und seine Helfer bei der Bergung und Überführung des Leichnams vor große Probleme gestellt.

Älteste Teile des Mauerwerkes Als im Jahre 1708 zwei gelehrte Benediktiner, Dom Durand und Dom Martène, durch die Diözesen Frankreichs reisten, besuchten sie auch das Priorat Saint-Marcel und berichteten von einem schönen Kenotaph Abaelards an der rechten Breitseite der Kirche, mit einem gisant, einer Liegendfigur des toten Philosophen, im Gewand eines Mönches. Die Mönchsfigur soll auf eine Steinplatte gebettet gewesen sein, welche von Figuren - zum Teil unter Rundarkaden - gestützt wurde. Der Kenotaph soll nach Auskunft der Mönche einst die Grabstelle Abaelards in der Kapelle des infirmariums geziert haben. Nach der Zerstörung dieses Bauwerkes hätten die Mönche den Kenotaph dadurch gerettet, indem sie ihn in die Hauptkirche bringen ließen.

An dieser Geschichte kann man zweifeln: Zum einen hätte Abaelard wegen seines Ranges eine Bestattung in der Basilika a priori zugestanden, zum anderen ist es wenig wahrscheinlich, dass der Kenotaph mit der Mönchsfigur vor der Mitte des 12. Jahrhundert angefertigt worden war. Dieser Grabschmuck kam  frühestens in der zweiten Hälfte des 12.,  allgemein erst im 13. und 14. Jahrhundert in Mode. Es ist wenig wahrscheinlich, dass man zu diesem Zeitpunkt ein leeres Grab noch so aufwendig gestaltet hätte. Schließlich ruhte der Leichnam des obendrein päpstlich verurteilten Theologen und Philosophen schon längst im Paraklet. So hat die von Durand und Martène beschriebene Grabfigur möglicherweise einer ganz anderen Persönlichkeit gegolten und war erst in der romantischen Epoche mit Abaelard in Verbindung gebracht worden.

Kapelle des Heiligen Marcellus Sogenanntes Grab Abaelards in Saint-Marcel, Stich des Musée des monuments francais, pl. 42, p. 226Nichtsdestotrotz glaubte man auch nach der Zerstörung des Priorates während der Französischen Revolution an die Authentizität des Kenotaphs. Er fiel zunächst in die Hände eines gelehrten Mediziners, Doktor Boysset aus Chalon-sur-Saône. Auf Anfrage Alexander Lenoirs, des bekannten Aufkäufers der nationalen Kulturgüter Frankreichs, erklärte er sich bereit, das Monument nach Paris zu überstellen. Lenoir wiederum war über die Existenz des Kunstwerkes durch den Bildhauer Boichot, der die Engelgruppe am Hauptaltar mit dem Märtyrerschrein gestaltet hatte, ins Bild gesetzt worden. Die Zeichnungen, die er Lenoir zur Ansicht geschickt hatte, sollen sich heute noch im Cabinet du Musée du Louvre in Paris befinden. Am Ende des Jahres 7 der Revolution - im Jahr 1799 traditioneller Zählung - erhielt Lenoir vom Pariser Innenministerium, welches von Lucien Bonaparte geleitet wurde, die Erlaubnis, dieses Kunstwerk und einige andere nach Paris zu bringen, darunter auch die sterblichen Überreste Heloïsas und Abaelards aus der Pfarrkirche Saint-Laurent in Nogent-sur-Seine. Im Sommer 1800 fand die Transaktion statt. Lenoir ließ den Kenotaph und die sterblichen Überreste des Paares später in das Mausoleum integrieren, welches sich noch heute im Friedhof PèreLachaise in Paris befindet. Da die Statue Abaelards bereits erheblichen Schaden genommen hatte, wurde der Kopf nach dem Totenschädel des Philosophen neu gestaltet. Außerdem ergänzte man das Grabmal durch eine Phantasiefigur Heloïsas. Nach dem Zweiten Weltkrieg - im Jahre 1948 - mussten beide Figuren wegen massiver Schäden erneut überarbeitet werden.

In Saint-Marcel verblieb somit nichts Originales, was an das Grabmal Abaelards noch erinnerte. Hinter der Kirche kann sich der heutige Besucher mit einiger Fantasie ein Bild vom einstigen Kreuzgang und der Größe des Priorats machen. Die Lage des ehemaligen infirmariums - Abaelards Todesort - bleibt unklar. Immerhin stammen aus seiner Zeit noch einige Teile der Kirche: Der Portalvorbau und Abschnitte an der Basis des Mauerwerks, in das zuletzt der Kenotaph Abaelards integriert war. Auf einer Steinplatte unbekannten Alters, die vermutlich erst nach der Französischen Revolution angebracht worden war, findet man zu Ehren Peter Abaelards ein Epitaph folgenden Wortlauts:

 

Ort des einstmaligen Kenotaph mit Gedenktafel für Peter Abaelard

HIC PRIMO JACUIT PETRUS ABELARDUS
FRANCUS ET MONACHUS CLUNIACENSIS
QUI OBIIT ANNO 1142
NUNC APUD MONIALES PARACLITENSES
IN TERRITORIO TRECASCENSI REQUIESCIT
VIR PIETATE INSIGNIS SCRIPTIS CLARISSIMUS
INGENII ACUMNIE RATIONU PONDERE DICENDI ARTE
OMNI SCIENTIARUM GENERE NULLI SECUNDUS

HIER LAG ZUERST PETER ABAELARD
FRANKE UND MÖNCH VON CLUNY
ER VERSTARB IM JAHRE 1142 UND
RUHT NUN BEI DEN NONNEN DES PARAKLET
IM GEBIET VON TROYES. ER WAR
EIN MANN VON AUSGEZEICHNETER FRÖMMIGKEIT,
HOCHBERÜHMT DURCH SEINE SCHRIFTEN,
SEINE GEISTESSCHÄRFE,
DAS GEWICHT SEINER VERNUNFT
UND SEINE REDEKUNST.
KEINEM STAND ER IN JEDER
ART VON WISSENSCHAFTEN NACH.

Gedenktafel für Peter Abaelard

Quellen:


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