Petri Abaelardi Soliloquium

Der vorliegende, Abaelard zugeschriebene Text fand sich unter den Werken seines Schülers, Berengar von Poitiers. Es handelt sich um ein Zwiegespräch zwischen den fiktiven Personen P und A. Es liegt auf der Hand, dass damit die Namenskomponenten Abaelards bezeichnet sind: Peter und Abaelard. Somit handelt es sich um ein inneres Zwiegespräch ein- und derselben Person. Da die Originalmanuskripte keinen Titel aufwiesen, nannte Buytaert den Text passenderweise Petri Abaelardi Soliloquium, d.h. Selbstgespräch des Peter Abaelard.

Der Gesprächstext fand sich in insgesamt drei mittelalterlichen Manuskripten: MS Paris BN lat. 2923, MS Oxford BL Add C. 271, MS Paris BN lat. 1896. Das erstgenannte Manuskript ist das älteste, es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Vermutlich handelt es bei allen Manuskripten um Transskriptionen eines verloren gegangenen Originals aus dem Stift Saint-Victor in Paris. Der Text wurde zuerst 1616 von Duchesne und d'Amboise erstmals in Druckfassung veröffentlicht und im 19. Jahrhundert von Migne in seiner Patrologia Latina reproduziert - leider nicht ohne Transskriptionsfehler (Bd. 168, 1876ff). Im Jahre 1859 erschien auch eine etwas verbesserte Ausgabe von Cousin (Petri Abaelardi Opera II, Paris, 1859, 727ff). Im Jahre 1984 veröffentlichte Burnett erstmals eine kritische Edition des Werkes - unter Berücksichtigung aller vorliegenden Manuskripte (Burnett Ch., Peter Abelard's Soliloquium: a critical Edition, Studi medievali, Band: 25/2, 1984, 857ff).

Burnett machte aufgrund seiner inhaltlichen und formalen Analyse erstmals deutlich, dass es sich bei dem Werk nicht um ein Fragment, sondern um eine in sich geschlossene und vollständige Arbeit handelt. Sie zeigt einen sorgfältigen Aufbau: Es finden sich fünf Abschnitte in logischer Anordnung, entsprechend dem Argumentationsfaden. Der innere Dialog wird jeweils eingeleitet durch Abaelardus und erwidert durch Petrus, bis auf den letzten Abschnitt, den Abaelardus allein beschließt. Durch den Wechsel der sprechenden Personen zeigt das Werk eine innere Symmetrie: A - P - A - P - A - P - A - P - A und eine umfangsmäßige Gewichtung: I.A-kurz P-lang II. A-kurz P-lang III. A-lang P-kurz IV. A-lang P-kurz V. A-kurz.

In den ersten drei Abschnitten wird der Name Christus und seine Synonyme sapientia, Weisheit, sowie verbum, Wort, in Verbindung mit je einer adjektivischen Ableitung erklärt: Christus und Christiani, sapientia und philosophi, verbum und logici. Im vierten Abschnitt werden die Ausgangsbegriffe zusammengeführt: Ihre Verbindung steht für die vollkommenen Lehre von Christus, die Beredsamkeit für die Gnade der Verbreitung dieser Lehre. Zuletzt erfolgt die Zweckbestimmung von Vernunft, Wissen und Beredsamkeit im Dienste der gottgewollten apostolischen Sendung. Das innere Zwiegespräch, das von der Frage, was den Christenmenschen ausmacht, seinen Ausgang nahm, endet mit Christi eigenen Worten, die er anlässlich der Aussendung seiner Jünger sprach.

Die Argumentationsweise, die Abaelard in seinem Selbstgespräch verwendet, entstammt seinem ureigenen Metier, der Logik. Er sucht vornehmlich nach der Signifikanz von Begriffen, lat. nomina. Seiner Ansicht nach kann ein Begriff in mehrfacher Weise gedeutet werden - nach seinem Lautgehalt = vox oder appellatio, seiner sprachlichen Ableitung oder Bedeutung = etimologia, seinem Kontext = sermo oder locutio. Bei seiner Darlegung lässt Abaelard ebenso hebräische Vorstellungen von Priestertum, griechische Gedanken zur Philosophie und römische Einstellungen zur Rhetorik einfließen. Die christliche Lehre basiere auf Glauben, Vernunft und Sprache - Vorstellungen und Begriffe, die sich auch in den genannten außerchristlichen Kulturkreisen finden. Die jeweils unterschiedlichen Betrachtungsweisen spiegeln sich in den zwei miteinander Dialog führenden Teilen seiner persona wieder. Abaelard sucht die Verbindung zwischen Theologie und Philosophie mit Mitteln der Logik zu begründen. Seine hier enthaltenen Grundaussagen klingen auch in vielen anderen theologischen und logischen Schriften und persönlichen Notizen an. Vor allem in folgenden Werken Abaelards finden sich Analogien zum Soliloquium: Theologia Christiana, Exhortatio ad fratres et commonachos, Collationes, Hymnarius Paraclitensis, Sermones, Confessio fidei, Epistola XIII. Vermutlich hat Abaelard bei der Abfassung den von ihm sehr verehrten Kirchenlehrer Augustinus zum Vorbild genommen, der ebenfalls die literarische Form des Soliloquiums benutzt hatte. Die Soliloquia des Augustinus erwähnte Abaelard in seiner Expositio in Hexaemeron (PL Bd. 178, 760): "...sicut Boetius in libro de consolatione philosophiae, vel Augustinus in libro soliloquiorum..."

In knappen und eindringlichen Worten spannte Abaelard hier einen großen Bogen von der heidnischen Philosophie hin zum Christenglauben. Es handelt sich dabei um nichts anderes als sein eigenes Lebensprogramm: das Zusammenführen der klassischen Philosophie mit den Grundwahrheiten des Christentums zu einem größeren, gottgewollten Ganzen. Diese Dichte der Gedanken macht den besonderen Wert und Reiz der Schrift aus.

Die nun folgende Version folgt im Wesentlichen der kritischen Edition Burnetts. Schreibvarianten wurden aus Gründen der Lesbarkeit weggelassen.

 

Petri Abaelardi Soliloquium - Peter Abaelards Selbstgespräch

 

Dixit A. P., dixit P.A., dixit eidem idem. Es sprach A. zu P., P. zu A., beide sprachen zu sich selbst.
I.

[Abaelardus] Cum sit, Petre, Christus Deus a quo Christiani dicuntur, sola est gens nostra, ut estimo, que divini nominis appellatione sit insignita.

P[etrus] Ipsi gloria qui tanti nominis gloriam tam infirme concessit creature, ut ipso quoque vocabulo ei capiti cuius membra sumus coniuncti, ex ipsa nominis interpretatione id quod dicimur servare moneamur. Christus quippe Grece a crismate - id est unctione - dictus, Latine unctus interpretatur, quod Hebraice messias sonat. Inungi autem tam reges quam sacerdotes solebant. Ideoque nomine unctionis tam rex esse quam sacerdos ostenditur - rex quidem per potentiam qua suos eruere a periculis ac protegere potest; sacerdos per proprii corporis immolationem, qua quos eruit a diabolo reconciliat Deo. A Christo itaque Christiani quasi a messia Messianite dicimur - id est a rege illo summo sive sacerdote, quasi regales sive sacerdotales. Quod beatus exprimens Petrus, regale nos sacerdotium appellat, quales esse debeamus commemorans - nostre videlicet carnalitatis impetus regendo et, mactatis carnalibus concupiscentiis, nos ipsos Deo quasi sacrificium offerendo. Gratia itaque Christi in nobis dilatata , iuxta illud Apostoli: Quia caritas Dei diffusa est in cordibus nostris per Spiritum Sanctum qui datus est nobis. Nomen quoque dilatari conveniebat, sicut etiam in Cantico Canticorum dicitur: Unguentum effusum nomen tuum. Ac si diceret: nomen tuum, o Christe, quod unguentum - id est unctionem - sonat, est effusum - id est dilatatum - atque in multos dirivatum, qui inde scilicet Christiani dicti sunt.

I.

[Abaelard] Wenn Christus der Gott ist, nach dem die Christen benannt werden, Peter, so ist es allein unser Volk, wie ich meine, welches durch die Benennung mit diesem göttlichen Namens hervorgehoben ist.

P[eter] Gerade ihm sei Ehre, der den Ruhm eines so großen Namens einer so schwachen Kreatur zugestanden hat, so dass wir, die wir gerade durch dieses Wort seinem Haupt als dessen Glieder verbunden sind, durch die Auslegung des Namens gemahnt werden, das zu bewahren, wonach wir benannt sind. Christus freilich wird in der griechischen Sprache nach dem Chrisam - d.h. der Salbung - benannt, weshalb er in der lateinisch Sprache als "der Gesalbte" gedeutet wird, hebräisch jedoch "Messias" heißt. Gesalbt zu werden pflegten aber die Könige ebenso wie die Priester. Und so wird durch den Begriff der Salbung aufgezeigt, dass er König und Priester zugleich ist: König durch die Macht, die Seinen aus Gefahren zu entreissen und schützen zu können. Priester durch die Opferung des eigenen Leibes, mit der er diejenigen mit Gott versöhnt, die er dem Satan entrissen hat. Wenn wir nach Christus Christen genannt werden, so heißt dies für uns gleichsam, nach dem Messias Messianiten genannt zu werden - und ebenso, nach jenem höchsten König oder Priester Königs- oder Priesterleute genannt zu werden. Dies meint der Heilige Petrus, wenn er uns das "Königspriestertum" nennt, wobei er uns erinnert, welcher Art wir sein müssen, nämlich dass wir die leiblichen Gelüste beherrschen und - nach Abtötung unserer fleischlichen Begierden - uns selbst Gott zum Opfer darbieten sollen. Und so macht sich die Gnade Gottes in uns breit, nach jenen Wort des Apostels: "Weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist." So schickte es sich auch, den Namen zu verbreiten, wie sogar im Hohen Lied Salomons gesagt wird: "Wie Salböl ist Dein Name ausgegossen". Als wenn man sagte: "Dein Name, Christus, welcher Salböl, d.h. Salbung, bedeutet, ist ausgegossen - das heißt verbreitet, und auf viele verteilt, die demnach sozusagen Christen genannt werden".

II.

Ab[aelardus] Sed et iuxta Apostolum, cum sit Christus ipsa Dei sapientia quam sophiam Greci nominant, nullos rectius dici philosophos autumo quam qui huius summe ac perfecte sapientie amatores existunt.

P[etrus] Hoc equidem ipsa philosophici nominis ethimologia requirit, et maxime, tam doctrina fidei quam morum disciplina seu vita, ipsos nobis philosophos gentium certum est convenire. Adeo namque de fide Trinitatis aperte disseruerunt, ut mirabile sit eos quoque in plerisque diligentius quam prophetas ipsos totam huius fidei summam exposuisse. Quorum etiam sequaces in tantam ausi sunt insaniam prorumpere, ut dominum quoque Ihesum dicerent ea que de fide Trinitatis predicavit a philosophis didicisse. Unde et beatus Augustinus in libro VIII. De Civitate Dei: Mirantur, inquit, quidam nobis in Christi gratia sociati cum audiunt vel legunt Platonem eum de Deo ista sensisse que multum congruere veritati nostre religionis agnoscuntur. Idem enim in II. De Doctrina Christiana: Quidam lectores et dilectores Platonis ausi sunt in tantam prorumpere dementiam quod dicerent omnes domini nostri Ihesu Christi sententias, quas mirari et predicare coguntur, de Platonis libris eum didicisse. Quod si vitam quoque philosophorum ac morum disciplinam pensemus, nullos aut paucos fidelium Christianorum de contemptu seculi aut morum disciplina eis anteferendos esse censebimus - qui etiam sophum sive philosophum magis ex vita quam ex scientia dicendum esse asserunt. De fide autem philosophorum atque vita seu etiam disciplina morum in exhortatione nostra ad fratres et commonachos nostros satis arbitror a nobis esse expositum. Quam quidem exhortationem quisquis legerit, videbit philosophos non tam nomine quam re ipsa Christianis maxime sociatos. Neque enim Grecia tot philosophicis rationibus armata, evangelice predicationis iugo collatam cito submisisset nisi antea scriptis philosophorum, sicut Iudea prophetarum, ad hoc esset preparata.

II.

Ab[aelard] Aber der Apostel sagt auch: Da Christus gerade die Weisheit Gottes ist, welche die Griechen sophia nennen, so sage ich: Keine Menschen können richtiger Philosophen genannt werden, als diejenigen, die sich als die Liebhaber dieser höchsten und vollkommenen Weisheit erweisen.

P[eter] Das allerdings erfordert gerade die Etymologie des Begriffes Philosoph, und es ist völlig sicher, dass ebenso in Bezug auf die Unterweisung im Glauben wie auf die Sittenlehre oder den Lebensstil selbst die Philosophen der Völker zu uns passen. Denn sie haben so offen über den Glauben an die Dreifaltigkeit diskutiert, dass sie bemerkenswerterweise den gesamten Gehalt dieses Glaubens in den meisten Fällen sorgfältiger als die Propheten selbst dargelegt haben. Doch ihre Epigonen haben es gewagt, sich zur wahnsinnigen Behauptung zu versteigen, dass auch der Herr Jesus selbst von den Philosophen gelernt habe, was er über den Glauben an die Dreifaltigkeit gepredigt hat. Deshalb sagt auch der Heilige Augustinus in seinem 8. Buch über den Gottesstaat: "Es wundern sich manche, die uns in der Gnade Christi verbunden sind, wenn sie Platon hören oder lesen, dass dieser über Gott Dinge gefühlt hat, die sie in großer Übereinstimmung mit der Wahrheit unserer Religion erkannt haben." Derselbe sagt nämlich im zweiten Buch über die christliche Lehre: "Manche, die Platon lesen und schätzen, haben es gewagt, sich zu solch wahnsinniger Behauptung zu versteigen, alle Lehrsätze unseres Herrn Jesus Christus, die wir zwangsläufig bewundern und predigen, habe dieser von den Büchern des Platon gelernt." Doch wenn wir das Leben der Philosophen und ihre Sittenlehre aufwiegen, so glauben wir dennoch, dass keine oder nur wenige der treuen Christen in Bezug auf die Weltverachtung und die Sittenlehre ihnen vorgezogen werden dürfen. Denn sie stellen fest, dass ein Weiser oder Philosoph mehr nach dem Lebensstil als nach dem Wissen so benannt werden darf. Ich denke, dass wir über den Glauben der Philosophen, ihren Lebensstil und ihre Sittsamkeit in unserer "Ermahnung an die Brüder und unsere Mit-Mönche" schon genug dargelegt haben. Jeder, der dieses Mahnschreiben liest, wird sehen, dass die Philosophen nicht so sehr dem Namen als der Sache mit den Christen wesensverwandt sind. Denn Griechenland, das mit so vielen philosophischen Systemen ausgestattet ist, hätte sich nicht gesammelt der schwierigen Verkündigung des Evangeliums so schnell unterzogen, wenn es nicht vorher durch die Schriften der Philosophen darauf vorbereitet worden wäre, so wie Judaea durch die der Propheten.

III.

Ab[aelardus] Verbum quoque Dei - quod Greci logon vocant - solum Christum dicimus. Unde Augustinus in Libro Questionum LXXXIII, capitulo XLIIII.: In principio erat verbum, inquit, quod Grece logos dicitur. Hinc, et iuxta nominis ethimologiam, quicumque huic vero ac perfecto verbo per doctrinam et amorem coherent, vere logici sicut et philosophi dicendi sunt, nullaque disciplina verius logica dici debet quam Christiana doctrina.

[Petrus] Etsi hoc quidem modo sermonis usus non habeat - ut videlicet aut Christianos nunc specialiter nominemus philosophos, aut eorum de Christo scientiam aut a Christo traditam doctrinam appellemus logicam - profitemur tamen his que dicis nominum ethimologias maxime consentire.

III:

Ab[aelard] Auch Wort Gottes, welches die Griechen logos nennen, nennen wir allein Christus. Deshalb sagt Augustinus im Kapitel 44 des Buches der 83 Fragen: "Im Anfang war das Wort, welches griechisch logos genannt wird." Von daher müssen entsprechend der Etymologie des Begriffes all diejenigen wahrhaft Logiker wie Philosophen genannt werden, welche diesem wahrhaftigen und vollkommenen Wort in Lehre und Liebe anhängen. Und keine Lehre darf wahrhaftiger Logik genannt werden, als die christliche Lehre allein.

[Peter] Auch wenn der Sprachgebrauch dieses Wort nicht rechtfertigt, dass wir die Christen nun speziell als Philosophen bezeichnen, oder ihr Wissen von Christus bzw. die von Christus überlieferte Lehre Logik nennen - so gestehen wir dennoch ein, dass die Wortbedeutungen völlig mit dem, was Du sagst, übereinstimmen.

IV.

Ab[aelardus] Immo etiam res ipsas plurimum attestari. Quo enim apud gentiles philosophice potiores sunt discipline, tanto vel multo amplius universis sacris eruditionibus evangelica quam Christus tradidit perfectior est disciplina. Qui etiam suis quantam sermonis habundantiam daret, demonstratus in igneis linguis adventus Spiritus Sancti manifestat, qui eos omnium linguarum varietates - omnium (videlicet) sermonum genera - perfectissime docuit. Unde scriptum est: Non sunt loquele neque sermones quorum non audiantur voces eorum, ac si aperte diceretur non sunt locutionum varietates aut eloquentie ornamenta vel genera que suis ipse non dederit. Quibus etiam promiserat, dicens quod cum veniret Spiritus ille veritatis, doceret illos omnem veritatem - ut tam verbis eos quam scientia perfectos efficeret, ut que perfecte cognoscerent disserere ad integrum possent. Quanto autem de Deo perfectiorem sint adepti scientiam quam antiqui Patres, hii qui ab ipso unigenito Dei sunt edocti, Gregorius in extrema parte Ezechielis homelia III. edisserens, ait: Per temporum incrementa crevit in Patribus scientia Dei. Unde Daniel: Pertransibunt plurimi et multiplex erit scientia.

P[etrus] Et hoc quoque libenter accipimus quod et veritas habet et nostre fidei professionem commendat, quippe, quomodo per predicationem paucorum et simplicium hominum tot in universis mundi partibus Christus acquisisset, nisi eos interius mira sapientia repleret atque exterioribus rationibus verborum atque eloquentie gratia insigniret? Sicut enim in ipsa Rethorice fronte Tullius meminit: Nemo nisi sapientia et eloquentia preditus homines a iocunda sua consuetudine, que presertim iam nature vim obtineret propter vetustatem, convertere et ad diversas rationes vite traducere posset. Quo autem difficiliora videntur ac perfectiora Christi precepta, maior predicatoribus eius discretio et eloquentia conferenda erat.

IV.

Ab[aelard] Mehr noch: Die Dinge selbst werden dadurch reichlichst bezeugt. Je lieber nämlich den Heiden die philosophischen Lehren sind, umso größer und vielfach vollkommener als all die anderen heiligen Lehren ist uns die Lehre des Evangeliums, die uns Christus erteilt hat. Und wieviel überströmende Redekraft er den Seinen gab, erweist das Kommen des Heiligen Geistes, der sich in den Flammenzungen zeigte. Dieser lehrte sie auf das Vollkommenste die Verschiedenheit aller Sprachen und die Arten von allen möglichen Gesprächen. Von daher steht geschrieben: "Es gibt bei ihnen weder Gespräche oder Sätze, deren Worte nicht gehört werden." Im Klartext: "Es gibt keine Verschiedenheiten der Gespräche oder Schmuck oder Arten der Rede, die er den Seinen nicht selbst gegeben hätte." Ihnen hatte er auch das Versprechen gegeben, indem er sagte: "Wenn jener Geist der Wahrheit käme, würde er allen die ganze Wahrheit lehren." - um sie ebenso in den Worten wie im Wissen vollkommen zu machen, damit sie das, was sie vollständig durchschaut hätten, auch gänzlich verdeutlichen könnten. Um wie viel vollkommeneres Wissen über Gott im Vergleich zu den Vorvätern diejenigen erlangt haben, die vom eingeborenen Sohn Gottes selbst belehrt worden sind, erklärt Gregor am Ende seiner 3. Homilie über Ezechiel, wenn er sagt: "Im Laufe der Zeit wuchs in den Vätern das Wissen um Gott". Deshalb sagt Daniel: "Die meisten werden hinübergehen und vielfältig wird das Wissen sein".

P[eter] Gerne nehmen wir auch das an, was sowohl die Wahrheit enthält als auch ein Bekenntnis unseres Glaubens empfiehlt: Denn - wie hätte durch die Predigt weniger und einfacher Menschen Christus so viele Bekehrte in der ganzen Welt erlangt, wenn er diese nicht innerlich mit wunderbarer Weisheit erfüllte und äußerlich mit dem vernünftigen Gebrauch der Worte und der Gnade der Beredsamkeit auszeichnete - so, wie Cicero ganz am Anfang seiner Rhetorika erinnert hat: "Nur ein mit Weisheit und Beredsamkeit begabter Mensch sei in der Lage, die Menschen von ihren bequemen Gedankengängen, die durch ihr Althergebrachtsein natürliche Kraft besäßen, abzubringen und zu gegenläufigen Lebenseinstellungen zu führen." Je schwieriger und vollkommener aber die Gebote Christi erscheinen, umso größere Urteilskraft und Beredsamkeit benötigen seine Prediger.

V.

Ab[aelardus] Certe nichil verius ac magis rationi consentaneum quam ut optimis tam scientie quam eloquentie munirentur armis quorum predicatio ad universum acquirendum mundum a Domino destinabatur, ut cum fiducia verbum omnibus predicarent. Quos et ipse, dum mittit, confortat, dicens: Cum steteritis ante reges et presides, nolite cogitare quomodo aut quid loquamini. Dabitur enim vobis in illa hora quid loquamini.

V.

Ab[aelard] Sicherlich gibt es nichts, was wahrer und mehr im Einklang mit der Vernunft steht, als dass diejenigen mit den besten Waffen des Wissens wie der Beredsamkeit gestärkt werden, deren Predigt vom Herrn dazu ausersehen wurde, die ganze Welt zu gewinnen, so dass sie das Wort Gottes allen mit Verlässlichkeit predigen. Denn er stärkt sie mit folgenden Worten, während er sie entsendet: "Wenn ihr vor den Königen und Fürsten steht, dann denkt nicht darüber nach, wie und was ihr sprecht. Denn es wird Euch in jener Stunde gegeben werden, was zu sagen ist."


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