Eröffnung der öffentlichen Anklage gegen Abaelard

 

Nachdem Wilhelm - bis 1135 Abt von Saint-Thierry bei Reims und zuletzt Schriftsteller-Mönch in der Zisterze Signy - dem Abt Bernhard von Clairvaux im Winter 1139 oder im Vorfrühling 1140 seine Beunruhigung über die Lehren Abaelards zum Ausdruck gebracht und ihm eine Akte mit Anklagepunkten geschickt hatte, antwortete dieser in dem kurzen Brief 327 SBO, dass er sich der Sache annehmen würde, sobald er dazu Zeit gefunden hätte. Er schlug ein persönliches Treffen für die Zeit nach Ostern vor. Bernhards Antwortschreiben wirkt auffallend distanziert, fast unbeteiligt. Den Namen dessen, den man damnächst zu vernichten gedachte, Peter Abaelard, findet man mit keinem Wort erwähnt. Wilhelm hatte für Bernhard logistische Vorarbeit geleistet, indem er einen Anklagenkatalog gegen Abaelard zusammengestellt hatte. Vermutlich wollte Bernhard in dem unvermeidlich gewordenen kirchlichen Disziplinarverfahren gegen den Theologen nun nicht als primum agens erscheinen, sondern eher als reagierender Gutachter und Beschützer der Kirche. Im Übrigen hatte er die von Wilhelm inkriminierten Werke Abaelards nicht zur Hand, weswegen ihm die Vorarbeit Wilhelms entgegen kam. In der nachfolgenden eigenen Anklageschrift 190 SBO verließ sich Bernhard ganz auf dessen Vorgutachten; aus Abaelards Werken selbst übernahm er dagegen so gut wie nichts. Beide - Wilhelm und Bernhard - stießen sich an Passagen der vierten Fassung der Theologia Scholarium, in welche Abaelard bereits Lösungen für vorangehenden Einwürfe Walters von Mortagne eingearbeitet hatte. Bernhard schickte seine Stellungnahme, in der er gegen einige der neunzehn als ketzerisch apostrophierten Thesen Abaelards polemisierte, dem Papst, um ihm sein Vorgehen gegen Abaelard zu begründen und seine Unterstützung zu gewinnen.

Weitere, ausführliche Angaben zur Werksgeschichte und -bedeutung finden sich hier:

Der folgende lateinische Text ist den Sancti Bernardi Opera Omnia, ed. J. Leclercq/H. Rochais, Bd. 8, S. 17-39 und 263, entnommen.

 
EPISTOLA CCCXXVII

RESCRIPTUM BERNARDI AD GUILLELMUM ABBATEM.

Libellum contra Petrum Abaelardum conscriptum laudat, mutuumque colloquium post Pascha fromittit.

Guillelmo carissimo suo, frater Bernardus.

Motum vestrum et iustum iudico, et necessarium. Sed et otiosum non esse, monstrat libellus tundens et obstruens os loquentium iniqua. Non quod illum adhuc attentius, ut iubetis, percurrerim; sed quia ex eo quod cursim potui pervidere, placet fateor, et potentem existimo iniquum dogma obruere. Verum quoniam meo iudicio non satis, ut optime nostis, fidere consuevi, praesertim in tam magnis rebus, operae pretium puto, considerata opportunitate, me atque vos pariter alicubi convenire et conferre de omnibus. Idipsum tamen ante Pascha fieri posse non arbitror, ne, quod praesens tempus indicit, studium orationis impediatur. Porro silentio ac patientiae super his meae patientiam habete, cum horum plurima, et paene omnia, hucusque nescierim. Iam vero ad quod hortamini potens est et Deus dare mihi spiritum bonum vestris orationibus.

Valete.
BRIEF 327

ANTWORT BERNHARDS AN ABT WILHELM.

Er lobt zunächst die gegen Petrus Abaelard geschriebene Abhandlung und verspricht eine Unterredung für die Zeit nach Ostern.

An seinen teuersten Wilhelm, Bruder Bernhard.

Eure Aufregung halte ich gleichermaßen für berechtigt und notwendig. Dass sie aber auch nicht müßig ist, beweist die Abhandlung, die den Mund derer, die Unbilliges sprechen, schlägt und verstopft. Nicht, dass ich sie bis jetzt schon mit größerer Sorgfalt geprüft hätte, wie gewünscht; aber nach dem, was ich flüchtig durchsehen konnte, gestehe ich, dass sie mir gefällt, und ich halte sie für wirksam, die gottlosen Lehren zu ersticken. Weil ich aber, wie Ihr genau wisst, meinem Urteil nicht recht zu trauen pflege, vor allem in so gewichtigen Angelegenheiten, halte ich es der Mühe wert, dass wir uns bei günstiger Gelegenheit an irgendeinem Ort treffen und über alles eine Vereinbarung treffen. Ich glaube jedoch nicht, dass dies vor Ostern geschehen kann; derzeit hindert uns eifriges Gebet. Habt also Geduld mit meinem Schweigen und meiner Langmut über diese Angelegenheit, da mir das meiste davon, ja fast alles, bisher unbekannt war. Gott aber hat die Macht, mir durch Eure Gebete einen klugen Geist zu geben für das, worum ihr bittet.


Lebt wohl!
EPISTOLA CXC

AD EUNDEM [PAPAM]

Contra quaedam capitula illarum haeresum; ita prius epistola inscribebatur, ad modum cuiusdam tractatus vel opusculi.

Amantissimo patri et domino Innocentio, summo Pontifici, frater Bernardus, Claraevallis vocatus abbas: modicum id quod est.

Oportet ad vestrum referri apostolatum pericula quaeque et scandala emergentia in regno Dei, ea praesertim quae de fide contingunt. Dignum namque arbitror ibi potissimum resarciri damna fidei, ubi non possit fides sentire defectum. Haec quippe huius praerogativa Sedis. Cui enim alteri aliquando dictum est: EGO PRO TE ROGAVI, Petre, UT NON DEFICIAT FIDES TUA? Ergo quod sequitur a Petri successore exigitur: ET TU ALIQUANDO, inquit, CONVERSUS, CONFIRMA FRATRES TUOS. Id quidem modo necessarium. Tempus est ut vestrum agnoscatis, Pater amantissime, principatum, probetis zelum, ministerium honoretis. In eo plane Petri impletis vicem, cuius tenetis et Sedem, si vestra admonitione corda in fide fluctuantia confirmatis, si vestra auctoritate conteritis fidei corruptores.

BRIEF 190

AN DENSELBEN [PAPST]

Gegen einige Kapitel jener Irrlehren; so wurde früher der Brief überschrieben, abgefasst wie ein Traktat oder eine kleine Abhandlung.

Dem vielgeliebten Vater und Herrn Innozenz, dem höchsten Pontifex, Bruder Bernhard, genannt Abt von Clairvaux: Das bescheidene, was er ist.

Eurem Apostolat müssen alle Gefahren und Skandale berichtet werden, die im Reich Gottes auftauchen, vor allem die, die den Glauben betreffen. Ich halte es nämlich für würdig, dass die Schäden des Glaubens dort wieder gut gemacht werden, wo der Glaube keine Schwächung spüren darf. Das ist freilich das Vorrecht dieses heiligen Stuhles. Denn welchem anderem ist einst gesagt worden: ICH HABE FÜR DICH GEBETET, Petrus, DASS DEIN GLAUBE NICHT ABNEHME (Lk 22,32)? Das Folgende wird also von dem Nachfolger Petri eingefordert: WENN DU DICH BEKEHRT HAST, STÄRKE DEINE BRÜDER. Das freilich ist bald notwendig. Es ist Zeit, vielgeliebter Vater, dass Ihr Eure Vorherrschaft wahrnehmt, Euren Eifer beweist und Euer Amt ehrt. Darin erfüllt Ihr vollends die Aufgabe Petri, dessen Sitz Ihr innehabt, wenn Ihr durch Eure Ermahnung die im Glauben schwankenden Herzen stärkt, wenn Ihr durch Eure Autorität die Verderber des Glaubens aufreibt.

I. l. Habemus in Francia novum de veteri magistro theologum, qui ab ineunte aetate sua in arte dialectica lusit, et nunc in Scripturis sanctis insanit. Olim damnata et sopita dogmata, tam sua videlicet quam aliena, suscitare conatur, insuper et nova addit. Qui dum omnium quae sunt IN CAELO SURSUM ET, quae IN TERRA DEORSUM, nihil, praeter solum Nescio, nescire dignatur, ponit in caelum os suum et scrutatur alta Dei, rediensque ad nos refert verba ineffabilia, quae non licet homini loqui; et dum paratus est de omnibus reddere rationem, etiam quae sunt supra rationem, et contra rationem praesumit, et contra fidem. Quid enim magis contra rationem quam ratione rationem conari transcendere? Et quid magis contra fidem quam credere nolle quidquid non possit ratione attingere? Denique exponere volens illud Salomonis: QUI CREDIT CITO LEVIS EST CORDE, Cito credere est, inquit, adhibere fidem ante rationem, cum hoc Salomon non de fide in Deum, sed de mutua inter nos credulitate loquatur. Nam illam quae in Deum est fidem beatus Papa Gregorius negat plane habere meritum, si ei humana ratio praebeat experimentum; laudat autem apostolos, quod ad unius iussionis vocem secuti sunt Redemptorem. Scit nimirum pro laude dictum: IN AUDITU AURIS OBOEDIVIT MIHI, increpatos e regione discipulos quod tardius credidissent. Denique laudatur Maria, quod rationem praevenit fide, et punitur Zacharias quod fidem ratione tentavit, et rursum Abraham commendatur, QUI CONTRA SPEM IN SPEM CREDIDIT. I. l. Wir haben in Frankreich von einem alten Meister einen neuen Theologen, der seit dem Jugendalter in der Dialektik gespielt hat und jetzt in den heiligen Schriften herumspintisiert. Lehrmeinungen - sowohl eigene als auch fremde -, die schon längst abgeurteilt und eingeschläfert worden sind, versucht er zu neuem Leben zu erwecken und fügt obendrein noch Neues hinzu. Indem er alles, was IM HIMMEL DORT OBEN UND AUF DER ERDE HIER UNTEN (Deut 4, 39) ist, des Wissens würdigt – nur das Wort nescio, d. h. ich weiß nicht, schließt er aus -, streckt er sein Gesicht in den Himmel und erforscht die Höhen Gottes, und bei seiner Rückkehr spricht er unaussprechliche Worte, die zu nennen keinem Menschen erlaubt ist. Während er sich anschickt, auf alles die Vernunft zu beziehen, nimmt er sich auch Ansichten heraus, die über der Vernunft und gegen die Vernunft sind, aber auch gegen den Glauben. Denn was ist mehr gegen die Vernunft als zu versuchen, mit Vernunft die Vernunft zu übersteigen? Und was mehr gegen den Glauben, als nicht glauben zu wollen, was man mit der Vernunft nicht erfassen kann? Indem er jenes Wort Salomons WER SCHNELL GLAUBT, IST LEICHTEN HERZENS (Sir 19,4) auslegen will, sagt er schließlich: Schnell glauben bedeutet, den Glauben vor der Vernunft anzuwenden, während Salomon nicht vom Glauben an Gott, sondern von der wechselseitigen Leichtgläubigkeit unter uns spricht. Denn jener Glaube an Gott ist, wie der Heilige Papst Gregor spricht, gänzlich ohne Verdienst, wenn ihm die menschliche Vernunft den Beweis gewährt. Er lobt aber die Apostel, weil sie dem Erlöser auf ein einziges Wort des Befehls hin gefolgt sind. Zweifelsohne weiß er, dass als Lob gesagt wurde: ER HÖRTE UND GEHORCHTE MIR (PS 17,45), und dass andererseits die Jünger gescholten wurden, weil sie allzu zögerlich glaubten (Lk 24,25). Schließlich wird Maria gelobt, weil sie mit dem Glauben der Vernunft zuvorkam, und Zacharias wird bestraft, weil er den Glauben durch die Vernunft auf die Probe stellte, und wiederum Abraham wurde anempfohlen, DER ENTGEGEN ALLER HOFFNUNG ZUR HOFFNUNG HIN GEGLAUBT HAT. (Rom 4/18)
2. At contra theologus noster: Quid, inquit, ad doctrinam loqui proficit, si quod docere volumus exponi non potest ut intelligatur? Et sic promittens intellectum auditoribus suis, in his etiam quae sublimiora et sacratiora profunde illo sinu sacrae fidei cominentur, ponit in Trinitate gradus, in maiestate modos, numeros in aeternitate. Denique constituit Deum Patrem plenam esse potentiam, Filium quamdam potentiam, Spiritum Sanctum nullam potentiam, atque hoc esse Filium ad Patrem, quod quamdam potentiam ad potentiam, quod speciem ad genus, quod materiatum ad materiam, quod hominem ad animal, quod aereum sigillum ad aes. Nonne plus quam Arius hic? Quis haec ferat? Quis non claudat aures ad voces sacrilegas? Quis non horreat profanas novitates et vocum, et sensuum? Dicit etiam Spiritum Sanctum procedere quidem ex Patre et Filio, sed minime de Patris esse Filiive substantia. Unde ergo? An forte ex nihilo, sicut et universa quae facta sunt? Nam et ipsa ex Deo esse non diffitetur Apostolus, nec veretur dicere: Ex QUO OMNIA. Quid igitur? Dicemus ex Patre et Filio Spiritum Sanctum non alio prorsus procedere modo quam omnia, id est non essentialiter, sed creabiliter; ac perinde creatum sicut et omnia? Aut numquid tertium inveniet sibi modum, quo eum ex Patre Filioque producat, homo qui nova semper inquirit, et quae non invenit fingit, affirmans ea quae non sunt tamquam ea quae sunt? At si esset, inquit, de substantia Patris, profecto genitus esset, et duos Pater haberet filios. Quasi vero omne quod de substantia aliqua est, continuo ipsum a quo est habeat genitorem. Num vero pediculi, aut lendes, aut phlegmata, vel filii carnis sunt, vel non sunt de substantia carnis, aut vermes de ligno putrido prodeuntes, aliunde quam de ligni substantia sunt, qui tamen filii ligni non sunt? Sed et tineae de substantia pannorum substantiam habent, generationem non habent; et multa in hunc modum. 2. Dem widerspricht unser Theologe: Was nützt es, zur Lehre zu sprechen, wenn das, was wir lehren wollen, nicht so dargestellt werden kann, dass es begriffen wird? Und so verspricht er seinen Hörern die Einsicht, auch in diese allzu sublimen und geheiligten Dinge, die in jenem Schoß des heiligen Glaubens eingeschlossen sind. Er legt in der Dreifaltigkeit Stufen fest, in der Majestät Maße, in der Ewigkeit Zahlen. Schließlich stellt er den Satz auf, dass Gottvater die volle Macht, der Sohn eine gewisse Macht, der Heilige Geist gar keine Macht besäße, und dass der Sohn im Verhältnis zum Vater das ist, was die eine Macht zur anderen, was die Art zur Gattung, was das aus der Materie Gezeugte zur Materie, was der Mensch zum Lebewesen, was das Bronzesiegel zur Bronze ist. Steht dieser nicht über Arius? Wer sollte das ertragen? Wer möchte nicht seine Ohren diesen Gotteslästerungen verschließen? Wer würde vor den gottlosen Unerhörtheiten der Worte und Bedeutungen zurückschrecken? Er sagt auch, dass der Heilige Geist zwar aus dem Vater und dem Sohn hervorgehe, aber keineswegs aus der Substanz des Vaters oder Sohnes sei. Woher denn? Etwa aus dem Nichts, wie auch alles, was erschaffen worden ist? Denn dass auch dies von Gott ist, stellt der Apostel nicht in Abrede, und er scheut sich nicht zu sagen: Von IHM STAMMT ALLES. (l Kor 8/6) Was also? Werden wir sagen, dass der Heilige Geist aus dem Vater und dem Sohn durchaus nicht anders hervorgeht wie alles, das heißt, nicht der Essenz nach, sondern der Schöpfung nach, und dass er also in gleicher Weise geschaffen ist wie alles? Oder wird etwa dieser Mensch für sich eine dritte Art und Weise erfinden, durch die er ihn aus dem Vater und dem Sohn hervorgehen lässt - als ein Mensch, der immer Neues sucht und sich ausdenkt, was er nicht findet, wobei er das, was nicht ist, in gleicher Weise bestätigt wie das, was ist? Aber wenn er aus der Substanz des Vaters wäre, sagt er, dann wäre er in der Tat gezeugt, und so hätte der Vater zwei Söhne. Als ob alles, was aus einer Substanz ist, folglich gerade den zum Erzeuger hätte, von dem es abstammt! Sind etwa die Läuse oder ihre Eier oder der Schleim Söhne des Fleisches, auch wenn sie aus der Substanz des Fleisches sind? Oder stammen die Würmer, die aus dem verfaulten Holz hervor kriechen, anderswoher als von der Substanz des Holzes? Sie, die dennoch nicht Söhne des Holzes sind! Auch die Motten haben ihre Substanz aus der Substanz der Lumpen, nicht ihre Zeugung; es gäbe noch vieles derart zu nennen.
3. Miror autem hominem acutum et sciolum, ut quidem sibi ipse videtur, quomodo cum Spiritum Sanctum fateatur Patri et Filio consubstantialem, neget tamen ex Patris Filiique prodire substantia. Nisi forte illos ex ipsius procedere velit, quod quidem inauditum est et nefandum. Si autem nec is de illorum, nec illi de huius substantia sunt, ubi, quaeso, consubstantialitas? Aut ergo fateatur cum Ecclesia Spiritum Sanctum de substantia illorum esse, a quibus non negat procedere, aut certe cum Ario consubstantialitatem deneget et praedicet aperte creationem. Deinde si Filius de substantia Patris est, Spiritus Sanctus non est, differant necesse est a se invicem, non solum quia Spiritus Sanctus genitus non est, quod Filius est, sed etiam quod Filius de substantia Patris est, quod Spiritus Sanctus non est. Quam quidem posteriorem differentiam Catholica hucusque nescivit. Si eam admittimus, ubi Trinitas, ubi Unitas? Siquidem, Spiritu Sancto Filioque nova a se differentiarum numerositate distantibus, unitas dissipatur, praesertim cum substantialem esse pateat differentiam quam iste conatur inducere. Porro autem Spiritu Sancto a Patris Filiique substantia recedente, non Trinitas remanet, sed dualitas. Neque enim dignum est admitti in Trinitate personam quae nil habeat in substantia commune cum reliquis. Desinat ergo Spiritus Sancti processionem a Patris Filiique substantia separare, ne duplici impietate numerum et Trinitati minuat, et tribuat Unitati, quod utrumque fides abnuit christiana. Et ne de re tanta solis videar humanis inniti rationibus, legat epistolam Hieronymi ad Avitum, et certe videbit, inter ceteras quas redarguit Originis blasphemias, etiam hoc eum detestantem quod dixerit Spiritum Sanctum de substantia Patris non esse. Beatus Athanasius, in libro DE UNITA TRINITATE, ita loquitur: Solum Deum ubi memoratus sum, non solam personam Patris indicavi, quia Filium et Spiritum Sanctum de hac ipsa sola substantia Patris esse non abnegavi. Hoc Athanasius. 3. Ich wundere mich aber, wie ein scharfsinniger und wissbegieriger Mensch, für den er sich allerdings selbst hält, zwar bekennt, dass der Heilige Geist mit dem Vater und dem Sohn von einer Substanz ist, jedoch leugnet, aus der Substanz des Vaters und des Sohnes hervorzugehen. Es sei denn, er möchte, dass jene aus der Substanz des Heiligen Geistes hervorgehen, was freilich unerhört und gottlos ist. Wenn also weder dieser aus der Substanz, noch jene aus der Substanz dieses hervorgehen, wo ist dann bitte die gleiche Substantialität? Entweder soll er also mit der Kirche eingestehen, dass der Heilige Geist aus der Substanz jener ist, aus denen hervorzugehen er nicht leugnet, oder er soll eindeutig mit Arius die Wesensgleichheit leugnen und offen die Erschaffung predigen. Wenn ferner der Sohn aus der Substanz des Vaters ist, der Heilige Geist aber nicht, dann müssen sie sich zwangsläufig voneinander unterscheiden, nicht nur, weil der Heilige Geist nicht geschaffen wurde, aber der Sohn, sondern auch, weil der Sohn aus der Substanz des Vaters ist, was der Heilige Geist nicht ist. Diese letztere Differenz hat freilich die katholische Kirche bislang nicht gekannt. Wenn wir sie zulassen, wo bleibt dann die Dreifaltigkeit, wo die Einheit? Wenn nämlich der Heilige Geist und der Sohn durch eine neue Zahl von Differenzen voneinander getrennt sind, wird die Einheit vernichtet, zumal doch ersichtlich ist, dass der Unterschied, den jener einzuführen wagt, ein substanzieller ist. Andererseits aber, wenn der Heilige Geist von der Substanz des Vaters und des Sohnes abweicht, bleibt keine Dreifaltigkeit, sondern eine Dualität. Denn es ist nicht richtig zuzugeben, dass eine Person in die Dreifaltigkeit eingeschlossen wird, die in der Substanz nichts Gemeinsames mit den beiden anderen hat. Er soll es also sein lassen, das Hervortreten des Heiligen Geistes von der Substanz des Vaters und des Sohnes zu trennen, damit er nicht in einer zweifachen Ruchlosigkeit der Trinität eine Zahl wegnimmt und der Unität eine hinzufügt, was beides der christliche Glaube zurückweist. Und damit es nicht scheint, ich stützte mich in einer so wichtigen Frage nur auf menschliche Vernunftgründe, soll er den Brief des Hieronymus an Avitus lesen, und er wird sicher sehen, dass dieser unter den übrigen Blasphemien, die er Origenes vorwirft, auch die Aussage scharf zurückweist, dass der Heilige Geist nicht von der Substanz des Vaters sei. Der Heilige Athanasius sagt folgendes in seinem Buch ÜBER DIE EINHEIT IN DER TRINITÄT: Wo ich einen einzigen Gott erwähnt habe, habe ich nicht nur die Person des Vaters damit bezeichnet, weil ich nicht abgeleugnet habe, dass der Sohn und der Heilige Geist einzig aus dieser selben Substanz des Vaters sind. Das sagt Athanasius.
II. 4. Videt Sanctitas vestra quomodo, isto non disputante, sed dementante, et Trinitas non cohaeret, et Unitas pendet, nec istud sane absque iniuria maiestatis. Quidquid namque illud est quod Deus sit, id sine dubio est quo non possit maius aliquid cogitari. Si ergo in hac unica et summa maiestate, iuxta considerationem personarum, vel parum aliquid claudicare recipimus, dum quod uni plus datur, alteri minuitur, minus profecto est totum ab eo quo nihil maius valeat cogitari. Maius enim sine dubio est quod totum maximum est quam quod ex parte. Ille vero digne pro sua possibilitate divinam aestimat magnificenciam, qui nil in ea cogitat dispar, ubi est totum summum; nil distans, ubi totum est unum, nil hians, ubi totum est integrum, nil denique imperfectum vel egens, ubi totum est totum. Totum nempe est Pater quod Pater et Filius et Spiritus Sanctus; totum Filius quod ipse Pater et Spiritus Sanctus; totum Spiritus Sanctus quod et Pater et Filius. Et totum, unum est totum, nec superabundans in tribus, nec imminutum in singulis. Nec enim verum summumque bonum, quod sunt, inter se particulariter dividunt, quoniam nec participialiter id possident, sed hoc ipsum essentialiter sunt. Nam quod alter ex altero, vel alter ad alterum veracissime dicitur, personarum sane designatio est, non unitatis divisio. Licet namque in hac ineffabili et incomprehensibili Deitatis essentia, alter et alter, - id quidem requirentibus proprietatibus personarum -, sobrie catholiceque dicatur, non tamen ibi est alterum, et alterum, sed simplex unum, ut nec praeiudicium faciat Unitati Trinitatis confessio, nec proprietatum sit exclusio, vera assertio Unitatis. Tam longe proinde fiat a sensibus nostris quam est et a regula veritatis exsecranda illa de genere et specie non similitudo, sed dissimilitudo, et nihilominus illa de aere aereoque sigillo, quoniam cum genus quidem et species, quod ad se invicem sunt, alterum superius, altera inferior sit, Deus autem unus sit, numquam bene profecto conveniet tantae aequalitati, et tantae disparitati. Et rursum de aere, et quodam aere, quod est aereum sigillum, quoniam quod inde in eamdem usurpatur similitudinis rationem, simile est huic, idem iudicium. Cum enim species, ut dixi, minor sit et inferior genere, absit ut hanc in Patre et Filio diversitatem cogitemus; absit ut huic acquiescamus dicenti hoc esse Filium ad Patrem quod speciem ad genus, quod hominem ad animal, quod aereum sigillum ad aes, quod aliquam potentiam ad potentiam. Sunt quippe cuncta haec, mutua suae connexione naturae, ad se invicem superiora et inferiora, et ob hoc nulla prorsus admittenda similitudo ex his ad illud, ubi nihil est inaequale, nihil dissimile. Videtis de quanta vel imperitia, vel impietate descendat harum adinventio similitudinum. II. 4. Eure Heiligkeit sieht, wie in seinem Disput, vielmehr dummen Gerede die Trinität nicht zusammenhängt und die Einheit in der Luft hängt, was ganz klar nicht ohne Beleidigung der göttlichen Majestät geschehen kann. Denn was auch immer das ist, was Gott ist, es ist ohne Zweifel das größtmöglich denkbare Wesen. Wenn wir also begreifen, dass in dieser einzigartigen und höchsten Majestät nach der Betrachtung der Personen etwas auch nur ein wenig hinkt, wenn das, was dem einen mehr gegeben wird, dem anderen weggenommen wird, dann ist sicherlich das Ganze kleiner als das denkbar Größte: Denn ohne Zweifel ist das größer, was als Ganzes das Größte ist, als das, was es nur zum Teil ist. Der aber sieht auf würdige Weise - entsprechend seiner Möglichkeit - die göttliche Großartigkeit, der in ihr nichts Ungleiches ersinnt, wo das Ganze das Höchste ist, nichts Unterschiedliches, wo das Ganze eins ist, nichts Klaffendes, wo das Ganze unversehrt ist, nichts Unvollkommenes oder Bedürftiges, wo das Ganze eben das Ganze ist. Das Ganze ist doch wohl der Vater, was der Vater und der Sohn und der Heilige Geist sind, das Ganze der Sohn, was der Vater selbst und der Heilige Geist sind, das Ganze der Heilige Geist, was der Vater und der Sohn sind. Und das Ganze ist als eines ganz, weder Überfluss habend in den drei Personen noch vermindert in den einzelnen Personen. Denn sie teilen nicht das wahre und höchste Gut, das sie sind, unter sich in Einzelteilen, da sie es nicht anteilmäßig besitzen, sondern indem sie eben dieses Gut der Essenz nach darstellen. Denn was 'der eine aus dem anderen', oder 'der eine zum anderen' äußerst wahrheitsgetreu genannt wird, so ist das gewiss eine Bezeichnung der Personen, aber nicht eine Teilung der Einheit. Mag man auch in dieser unaussprechlichen und unbegreiflichen Wesenheit der Göttlichkeit vernünftig und der katholischen Lehre entsprechend von dem einen und dem anderen sprechen - dies erfordern die Eigenheiten der Personen -, so ist doch nicht hier das eine und dort das andere, sondern einfach das eine, so dass weder die Bekenntnis der Trinität die Unität präjudiziert noch die Bekräftigung der Unität die Eigenheiten der Personen ausschließt. Sein Unfug bleibe also unserem Denken so fern, wie auch vom Richtmaß der Wahrheit jene verwünschte - nein, nicht Ähnlichkeit, sondern Unähnlichkeit von Gattung und Art - und ebenso jene von Bronze und den bronzenen Siegel. Weil nämlich Gattung und Art in ihrem beiderseitigen Verhältnis stehen - die erste höher, die zweite niedriger; Gott aber ist eins, und daher wird das Modell niemals für etwas passen, was so gleich und verschieden zugleich ist. Dasselbe gilt auch hinsichtlich der Bronze im Allgemeinen und der Bronze im Besonderen, nämlich des ehernen Siegels, das dem Letztgenannten ähnlich ist, weil ja daraus dasselbe Modell in Anspruch genommen wird. Weil nämlich, wie ich gesagt habe, die Art weniger und niedriger ist als die Gattung, liege es uns fern, diese Verschiedenheit auch bei Vater und Sohn zu ersinnen; weiterhin, dass wir dem beistimmen, der behauptet, der Sohn sei im Verhältnis zum Vater das, was die Art zur Gattung ist, der Mensch zum Lebewesen, das bronzene Siegel zur Bronze, oder was eine gewisse Macht zur Macht an sich ist. Alle diese Dinge sind freilich durch ihre gegenseitige natürliche Verknüpfung abwechselnd höher oder niedriger, und deshalb darf ganz und gar kein Analogie von diesem zu jenem gestattet werden, wo nichts ungleich, nichts unähnlich ist. Ihr seht, aus welcher Unerfahrenheit oder Gottlosigkeit die Erfindung dieser Ähnlichkeiten herrührt.
III. 5. Adhuc advertite clarius quid sentiat, doceat, scribat. Dicit proprie et specialiter ad Patrem potentiam, ad Filium sapientiam pertinere, quod quidem falsum. Nam et Pater sapientia, et Filius potentia verissime sunt sanissimeque dicuntur, et quod est commune amborum non erit proprium singulorum. Alia illa sunt profecto vocabula, quae non ad seipsos dicuntur, sed ad alterutrum, et ideo est cuique suum, et non commune cum altero. Nam qui Pater est Filius non est; et qui Filius est Pater non est, quoniam non quod ad se, sed quod ad Filium Pater est, Patris nomine designatur; et item nomine Filii, non quod ad se Filius, sed quod est ad Patrem exprimitur. Non sic potentia, non sic sapientia, neque alia multa quae ad se dicuntur, et Pater et Filius non singulariter, alter respectu alterius. Non, inquit, sed ad proprietatem personae Patris proprie vel specialiter invenimus omnipotentiam attinere, quod non solum cum ceteris duabus personis aeque omnia efficere potest, verum etiam ipse solus a se, non ab alio exsistere habet; et sicut habet ex se exsistere, ita etiam ex se habet posse. 0 alterum Aristotelem! Annon eadem ratione, si hoc ratio esset, et sapientia et benignitas proprie pertineret ad Patrem, cum et sapere, et benignum esse, aeque a se Pater, et non ab alio habeat, quemadmodum et esse, et posse? Quod si non abnuit, - nec enim de ratione potest -, quid, quaeso, facturus est de nobili illa sua partitione, in qua ut Patri potentiam, sic Filio sapientiam, sic Spiritui Sancto benignitatem proprie ac specialiter assignavit? Non enim una et eadem res proprie poterit convenire duobus, hoc est ut cuique propria sit. Eligat quod vult: aut det sapientiam Filio et tollat eam Patri, aut Patri tribuat et auferat Filio; et rursum benignitatem aut Spiritui Sancto sine Patre, aut Patri sine Spiritu Sancto assignet, aut certe desinat nomina communia propria facere, et Patri, quoniam a seipso habet potentiam, non ideo tamen audeat concedere propriam, ne et benignitatem simul et sapientiam, quas a se nihilominus habet, identidem proprias ipsi sua ratione assignare cogatur. III. 5. Nehmt von nun an deutlicher das wahr, was er empfindet, lehrt und schreibt. So sagt er, auf eigenständige und besondere Art gehöre zum Vater die Macht, zum Sohn die Weisheit, was gewiss falsch ist. Denn auch der Vater ist die Weisheit und der Sohn die Macht. Diese Aussage ist ebenso höchst wahrheitsgetreu wie vernünftig. Was also beiden gemeinsam haben, kann nicht Eigenheit des Einzelnen sein. Anders verhält es sich freilich mit jenen Begriffen, mit denen sie nicht selbst benannt werden, sondern im Verhältnis zueinander, und in diesem Sinn hat jeder seinen eigenen, nicht einen mit dem anderen gemeinsamen Namen. Denn wer Vater ist, ist nicht Sohn, und wer Sohn ist, ist nicht Vater. Denn der Vater wird nicht mit dem Namen Vater bezeichnet in Bezug auf sich selbst, sondern weil er Vater ist in Bezug auf den Sohn, und ebenso wird der Sohn nicht mit dem Wort Sohn ausgedrückt, weil er Sohn in Bezug auf sich selbst, sondern in Bezug auf den Vater ist. Anders verhält es sich mit Macht, anders mit der Weisheit und vielem anderen, was in Bezug auf sich selbst benannt wird. Vater und Sohn dagegen werden nicht einzeln, sondern in gegenseitigem Bezug verstanden. Nein, sagt jener, sondern wir finden, dass die Allmacht eigenständig oder auf besondere Art und Weise zur Eigentümlichkeit der Person des Vaters gehört, weil er nicht nur mit den zwei anderen Personen in gleicher Weise alles bewirken kann, sondern er allein auch von sich und nicht von einem anderen existiere; und wie er seine Existenz aus sich heraus hat, so hat er auch das Können aus sich heraus. Ein zweiter Aristoteles! Wenn das Vernunft wäre, würde dann nicht aus demselben Vernunftgrund auch die Weisheit und Güte sich eigenständig auf den Vater beziehen, da der Vater Weisheit und Güte ebenso wie Sein und Können aus sich heraus und nicht von einem anderen hätte? Wenn er das nicht leugnet - und aus der Vernunft heraus kann er es nicht -, was bitte will er dann mit seiner berühmten Teilung machen, in der er eigenständig und in besonderem Maße die Macht dem Vater, die Weisheit dem Sohn und die Güte dem Heiligen Geist zugeschrieben hat? Es wird doch nicht ein und dieselbe Sache eigenständig auf zwei zutreffen können, das heißt, dass sie für jeden ein eigenes Merkmal ist. Er mag wählen, was er will: Entweder schreibt er die Weisheit dem Sohn zu und nimmt sie dem Vater weg, oder er gibt sie dem Vater und spricht sie dem Sohn ab und ebenso schreibt er die Güte dem Heiligen Geist ohne den Vater zu, oder dem Vater ohne den Heiligen Geist; oder er soll es zuverlässig sein lassen, Allgemeinbegriffe zu eigenständigen Wesensmerkmalen zu machen, und es nicht wagen, dem Vater die Macht als eine Eigenheit zuzuschreiben, weil er sie aus sich selbst heraus hat; er wäre sonst nach seiner Logik gezwungen, zugleich auch die Güte und Weisheit, die der Vater nichtsdestotrotz aus sich heraus hat, ihm genauso als Eigentümlichkeit zuzuschreiben.
6. Sed exspectemus adhuc, et videamus quam theorice noster Theologus invisibilia Dei contempletur. Dicit, ut dixi, proprie omnipotentiam pertinere ad Patrem, atque hanc, ut sit integra et perfecta, in gerendo et discernendo constituit. Porro Filio, ut iam dictum est, assignat sapientiam, ipsamque non simpliciter quidem potentiam, sed quamdam in Deo potentiam esse definit, id est potentiam tantum discernendi. Forte timet iniuriam facere Patri, si tantum tribuat Filio quantum et ipsi, et cui non audet potentiam dare integram, concedit dimidiam. Et quod dicit manifestis declarat exemplis, asserens potentiam discernendi, quae est Filius, ita quamdam esse potentiam, quemadmodum homo quoddam est animal, et sigillum aereum quoddam est aes, atque hoc esse potentiam discernendi, ad gerendi discer-nendique potentiam, id est Filium ad Patrem, quod homo ad animal est, quod aereum sigillum ad aes. Sicut enim, inquit, ex eo quod est aereum sigillum, exigit necessario ut aes sit, et ex eo quod est homo, ut animal sit, sed non e converso, ita divina sapientia, quae est potentia discernendi, exigit quod sit divina potentia, sed non e converso. Quid igitur? Vis ut iuxta tuam similitudinem, ad instar praecedentium, etiam ex hoc quod Filius est exigat ut Pater sit, hoc est ut qui Filius est Pater sit, quamquam non e converso? Si hoc dicis, haereticus es; si non dicis, vacat similitudo. 6. Doch konzentrieren wir nun unseren Blick darauf, wie theoretisch unser Theologe das Unsichtbare Gottes betrachtet. Er sagt, wie bereits erwähnt, dass die Allmacht eigenständig dem Vater zukomme, und damit sie unversehrt und vollkommen sei, definiert er sie im Handeln und Entscheiden. Ferner schreibt er dem Sohn, wie ebenfalls bereits gesagt, die Weisheit zu, und er bestimmt, dass dieselbe zwar nicht einfach eine Macht schlechthin ist, wohl aber eine gewisse Macht in Gott, d. h., die Macht zu entscheiden. Vielleicht fürchtet er, dem Vater Unrecht zuzufügen, wenn er dem Sohn so viel zuweist wie dem Vater selbst, und weil er sich nicht traut, ihm die volle Macht zu geben, räumt er ihm die Hälfte derselben ein. Seine Aussage belegt er mit offenkundigen Beispielen, wobei er versichert, die Entscheidensgewalt, die der Sohn darstellt, sei so eine bestimmte Macht, wie der Mensch ein bestimmtes Lebewesen ist und das Bronzesiegel eine bestimmte Bronze; so verhalte sich die Entscheidungsmacht zur Macht des Handelns und Entscheidens, d. h. der Sohn zum Vater, wie der Mensch zum Lebewesen, wie das Bronzesiegel zur Bronze als solche. Wie nämlich, sagt er, daraus, dass es ein bronzenes Siegel gibt, zwangsläufig folgt, dass es Bronze gibt, und daraus, dass es den Menschen gibt, die Existenz des Lebewesens belegt wird, aber nicht umgekehrt, so untermauert die Weisheit Gottes, d. h. die Gewalt zu entscheiden, dass es eine göttliche Macht gibt, aber nicht umgekehrt. Was also? Willst du, dass nach deinem Modell und ganz in Hinsicht der vorangehenden Thesen auch aus der Tatsache, dass es den Sohn gibt, sich auch ergibt, dass es den Vater gibt, das heißt, dass der, der Sohn ist, auch Vater ist, aber nicht umgekehrt? Wenn du das behauptest, bist du ein Ketzer; wenn du es nicht sagst, ist dein Modell ein Hirngespinst.
7. Ad quid enim tibi ipsam tanto circuitu de longe positis rebus, et minus convenientibus emendicas, tanto labore colligis, tanta inculcas inani multiplicitate verborum, tantis effers laudibus, si non facit ad quod adducitur, ut videlicet membra ad membra congruis proportionibus reducantur? Nonne hoc opus, his labor est, ut per ipsam nos doceas eam, quae est inter Patrem et Filium, habitudinem? Tenemus autem, te docente, ad hominis positionem poni animal, sed non e converso, secundum regulam dialecticae tuae, qua non quidem posito genere ponitur species, sed posita specie ponitur genus. Cum ergo Patrem ad genus, Filium ad speciem referas, nonne id ratio similitudinis postulat ut similiter, posito Filio, Patrem poni ostendas, et non converti? Ut quomodo qui homo est, necessario animal est, sed non convertitur, ita quoque qui Filius est necessario Pater sit, et aeque non convertatur. Sed contradicit tibi in hoc catholica fides, quae profecto utrumque recusat, tam Patrem videlicet esse qui Filius est quam esse Filium qui Pater est. Nam alius procul dubio Pater, atque alius Filius, quamvis non aliud Pater quam Filius. Nam per alius et aliud novit pietas fidei caute inter personarum proprietates et individuam essentiae unitatem discernere et, medium iter tenens, regia incedere via, ut nec declinet ad dexteram, confundendo personas, nec respiciat ad sinistram, substantiam dividendo. Quod si per simplex esse dicas vere consequi ut si Filius est, necessario Pater sit, nil te iuvat, cum ratio relationis necessario exigat ut convertatur, et eadem veritas comitetur conversam, quod non congruit adductae de genere et specie, vel de aere aereoque sigillo similitudini. Neque enim, sicut per simplex esse dumtaxat verissime dicitur: Si Pater est, Filius est, et si Filius est, Pater est, ita etiam possumus inter hominem et animal, sive inter aereum sigillum et aes, in veritate convertibilem texere consequentiam. Nam etsi verum sit dicere: Si homo est, animal est, non tamen vera est conversa, qua dicitur: Si animal est, homo est. Et item si sigillum aereum est, necessario sequitur ut aes sit; non tamen si aes sit, necessario sequitur ut aereum sigillum sit. Sed iam pergamus ad reliqua. 7. Wozu sammelst du dies dir denn so mühevoll auf einem so großen Umweg mit weit hergeholten und kaum passenden Sachen, wozu drängst du dies mit solch leerem Geschwätz auf und preist es mit solchen Lobhymnen an, wenn es bewirkt, was es sollte, dass sich nämlich Glied an Glied im rechten Verhältnis fügt? Zielt nicht deine Arbeit und deine Mühe darauf ab, dass du uns durch eben diesen Vergleich das Verhältnis zwischen Vater und Sohn erklären willst? Bei deinen Thesen halten wir aber fest, dass zur Stellung des Menschen das Lebewesen in Bezug gesetzt wird, aber nicht umgekehrt - nach der Regel deiner Dialektik, nach der zwar die Gattung vorausgesetzt, aber nicht die Art in Bezug gesetzt wird, wohl aber im gegenläufigen Sinn. Wenn du also den Vater auf die Gattung, den Sohn aber auf die Art beziehst, verlangt dann nicht die Logik des Modells, dass ähnlich, wenn der Sohn vorausgesetzt und der Vater in Bezug dazu gesetzt wird, keine Umkehrung abgeleitet werden kann? Wie einer, der Mensch ist, notwendigerweise ein Lebewesen ist, aber nicht im Umkehrschluss, so müsste auch der, der Sohn ist, notwendigerweise Vater sein, und der Umkehrschluss wäre ebenso nicht möglich. Darin aber widerspricht dir der katholische Glaube, der eindeutig beides ablehnt: dass freilich Vater ist, wer Sohn ist, und Sohn ist, wer Vater ist. Denn ohne jeden Zweifel ist der Vater der eine und der Sohn der andere, auch wenn der Vater nichts anderes ist als der Sohn. Denn durch die Worte anderer und anderes weiß der fromme Glaube umsichtig zwischen den Eigentümlichkeiten der Personen und der ungeteilten Einheit der Essenz zu unterscheiden; indem er einen Mittelweg einschlägt, versteht er es, die Königsroute zu nehmen (Num 21,22), so dass er weder nach rechts abschweift, indem er die Personen durcheinander mischt, noch nach links blickt, indem er die Substanz trennt. Wenn du sagst, durch ein einfaches Sein folge wahrhaftig, dass das, was der Sohn ist, zwangsläufig der Vaters sei, so hilft es dir nicht, da die innere Logik der Beziehung notwendigerweise verlangt, dass der Umkehrschluss möglich ist und dieser Umkehrung derselbe Wahrheitsgehalt zukommt. Dies aber passt nicht zu dem angeführten Modell von Gattung und Art oder Bronze und Bronze-Siegel. Denn wie durch eine einfache Essenz mit voller Wahrheit gesagt wird: Wenn der Vater ist, ist auch der Sohn, und wenn der Sohn ist, ist auch der Vater, so können wir wahrhaftig nicht auch zwischen Mensch und Lebewesen oder zwischen Bronze-Siegel und Bronze die umgekehrte Reihenfolge bilden. Auch wenn es wahr ist zu sagen: Wenn es den Menschen gibt, gibt es auch das Lebewesen, so ist doch die Umkehrung nicht wahr, die heißt: Wenn es das Lebewesen gibt, gibt es den Menschen. Ebenso folgt aus der Existenz der Bronze nicht zwangsläufig, dass es ein Bronze-Siegel gibt. Aber nun gehen wir auf die übrigen Thesen ein.
8. En iuxta istum habemus omnipotentiam in Patre, quamdam potentiam in Filio; dicat nobis etiam de Spiritu Sancto quid sentiat. Benignitas ipsa, inquit, quae hoc nomine quod est Spiritus Sanctus demonstratur, non est in Deo potentia, sive sapientia. VIDEBAM SATANAM TAMQUAM FULGUR CADENTEM DE CAELO. Sie debet cadere qui ambulat in magnis et in mirabilibus super se. Vides, Pater sancte, quas scalas, immo quae praecipitia iste sibi paraverit ad ruinam. Omnipotentiam, semipotentiam, nullam potentiam. Ipso auditu horreo, et ipsum horrorem puto sufficere ad refellendum. Verumtamen testimonium pono, quod turbato interim occurrit ad removendam Spiritus Sancti iniuriam. In Isaia legitur: SPIRITUS SAPIENTIAE, SPIRITUS FORTITUDINIS, per quod utique aperte satis istius audacia, etsi non comprimitur, convincitur tamen. 0 lingua magniloqua! Esto ut iniuria Filii vel Patris remittatur tibi; numquid blasphemia Spiritus? MANET ANGELUS DOMINI, QUI SECET TE MEDIUM. Dixisti enim: Non est Spiritus Sanctus in Deo potentia, sive sapientia. Ita pes superbiae ruit cum irruit. 8. Seiner Meinung nach haben wir also die Allmacht beim Vater und eine gewisse Macht beim Sohn; nun soll er uns auch sagen, was er über den Heiligen Geistes denkt. Die Güte selbst, sagt er - das ist der Name, mit dem der Heilige Geist bezeichnet wird - ist in Gott nicht die Macht oder die Weisheit. ICH SAH SATAN WIE EINEN BLITZ VOM HIMMEL FALLEN. (Lk 10,18) So muss fallen, wer in Gebieten herumwandelt, die für ihn zu groß und zu wunderbar sind. Du siehst, Heiliger Vater, welche Stufen, vielmehr welche Stürze sich dieser Mensch zum Ruin geschaffen hat: Allmacht, Halbmacht, Ohnmacht! Wenn ich das bloß höre, schaudere ich schon, und eben diesen Schauder halte ich schon für eine Widerlegung ausreichend genug. Ein Zeugnis jedoch führe ich an, das mir zwischenzeitlich in meiner Verwirrung in den Sinn kommt, um das Unrecht am Heiligen Geist zurückzuweisen. Bei Jesaja liest man: DER GEIST DER WEISHEIT, DER GEIST DER STÄRKE (Jes 11,2); durch dieses Wort wird der Übermut dieses Menschen sicher deutlich genug, und wenn auch noch nicht unterdrückt wird, so wird er dennoch überführt. 0 großsprecherische Zunge! Mag sein, dass dir das Unrecht gegen den Sohn oder den Vater vergeben wird. Doch was ist mit der Lästerung des Heiligen Geistes? DER ENGEL DES HERRN WARTET DARAUF, DICH IN STÜCKE ZU HAUEN. (Dan 13,59) Du hast nämlich gesagt: Der Heilige Geist ist in Gott nicht Macht oder Weisheit. So stürzt der Fuß des Stolzes, wenn er stolpert.
IV. 9. Nec mirum si homo, qui non curat quae dicat, irruens in arcana fidei, thesauros absconditos pietatis tam irreverenter invadit atque discerpit, cum de ipsa pietate fidei nec pie, nec fideliter sentiat. Denique in primo limine Theologiae, vel potius Stultilogiae suae, fidem diffinit aestimationem. Quasi cuique in ea sentire et loqui quae libeat liceat, aut pendeant sub incerto in vagis ac variis opinionibus nostrae fidei sacramenta, et non magis certa veritate subsistant. Nonne si fluctuat fides, inanis est et spes nostra? Stulti ergo Martyres nostri, sustinentes tam acerba propter incerta, nec dubitantes sub dubio remunerationis praemio durum per exitum diuturnum inire exsilium. Sed absit ut putemus in fide vel spe nostra aliquid, ut is putat, dubia aestimatione pendulum, et non magis totum quod in ea est, certa ac solida veritate subnixum, oraculis et miraculis divinitus persuasum, stabilitum et consecratum partu Virginis, sanguine Redemptoris, gloria resurgentis. TESTIMONIA ista CREDIBILIA FACTA SUNT NIMIS. Si quominus, IPSE postremo SPIRITUS REDDIT TESTIMONIUM SPIRITUI NOSTRO QUOD FILII DEI SUMUS. Quomodo ergo fidem quis audet dicere aestimationem, nisi qui Spiritum istum nondum accepit, quive Evangelium aut ignoret, aut fabulam putet? scio cui CREDIDI, ET CERTUS SUM, clamat Apostolus, et tu mihi subsibilas: Fides est aestimatio? Tu mihi ambiguum garris, quo nihil est certius. Sed Augustinus aliter: Fides, ait, non coniectando vel opinando habetur in corde in quo est, ab eo cuius est, sed certa scientia, acclamante conscientia. Absit ergo, absit ut hos fines fides habeat christiana. Academicorum sint istae aestimationes, quorum est dubitare de omnibus, scire nihil. Ego vero securus in Magistri gentium sententiam pergo, et scio quoniam non confundar. Placet mihi, fateor, illius de fide diffinitio, etsi iste etiam ipsam latenter insimulet: FIDES EST, ait, SUBSTANTIA RERUM SPERANDARUM, ARGUMENTUM NON APPARENTIUM. SUBSTANTIA, inquit, RERUM SPERANDARUM, non inanium phantasia coniecturarum. Audis substantiam. Non licet tibi in fide putare, vel disputare pro libitu, non hac illacque vagari per inania opinionum, per devia errorum. Substantiae nomine aliquid tibi certum fixumque praefigitur: certis clauderis finibus, certis limitibus coarctaris. Non est enim fides aestimatio, sed certitudo. IV. 9. Kein Wunder, wenn der Mensch, der sich nicht darum kümmert, was er sagt, und in die Geheimnisse des Glaubens hineinstürzt, die verborgenen Schätze der Frömmigkeit so ehrfurchtslos angreift und zerpflückt, da er über die Frömmigkeit des Glaubens selbst weder fromm noch gläubig denkt. Schließlich bezeichnet er gleich am Beginn seiner Gotteslehre - oder eher Torheitslehre - den Glauben als eine Einschätzung. Jeder darf darin gewissermaßen das empfinden und sprechen, was ihm einfällt, und die Sakramente unseres Glaubens hängen an schwankender Leine in unsteten und vielfältigen Vermutungen, statt auf sicherer Wahrheit zu beruhen. Ist nicht unsere Hoffnung umsonst, wenn der Glaube zum Spielball der Meinungen wird? Töricht waren also unsere Märtyrer, wenn sie solch Bitteres für Unsicheres auf sich nahmen und nicht zögerten, durch einen harten Tod eine lange Verbannung anzutreten, unter dem Zweifel der Belohnung. Aber der Gedanke liege uns fern, dass in unserem Glauben oder in unserer Hoffnung, wie dieser glaubt, irgendetwas aufgrund einer zweifelhaften Meinung auf schwankenden Beinen stehe; dass sich nicht vielmehr alles, was in ihm steckt, auf die sichere und feste Wahrheit stützt, durch Prophezeiungen und Wunder von Gott bestätigt, gefestigt und geweiht durch die Geburt der Jungfrau, durch das Blut des Erlösers und den Ruhm des Auferstandenen. DIESE ZEUGNISSE SIND MEHR ALS GLAUBWÜRDIG GEWORDEN. (PS 92,5) So bezeugt schließlich DER GEIST SELBST UNSEREM GEIST, DASS WIR DIE SÖHNE GOTTES SIND. (Rom 8,16) Wie kann es also einer wagen, den Glauben eine Ansichtssache zu nennen, außer er hat diesen Geist noch nicht empfangen, er kennt entweder das Evangelium nicht oder hält es für eine Fabel? Ich weiß, WEM ICH GEGLAUBT HABE UND ICH BIN SICHER (2 Tim 1,12), ruft der Apostel, und du zischst mir ins Ohr: Der Glaube ist eine Ansichtssache? Was das Sicherste überhaupt ist, das, willst du mir einplaudern, sei etwas Ungewisses? Ganz anders spricht Augustinus: Der Glaube, sagt er, besteht nicht darin, dass er in dem Herzen, in dem er liegt, Objekt der Mutmaßung oder Meinung dessen ist, von wem er stammt, sondern er ist ein sicheres Wissen, unterstützt durch das Gewissen. (Augustinus, De Trinitate, 13,3) Es liege uns also absolut fern, dass der christliche Glaube diese Grenzen haben könnte! Das sind Ansichten der Akademiker, für die es typisch ist, an allem zu zweifeln und nichts zu wissen. Ich aber übernehme sicher den Lehrsatz des Lehrers der Völker und weiß, dass ich nicht verwirrt werde. Ich gestehe, dass mir seine Definition des Glaubens gefällt, auch wenn unser Mann da gerade diese insgeheim anzweifelt. DER GLAUBE, sagt er, ENTSPRICHT DEM WESEN UNSERER HOFFNUNGEN, ER IST AUSDRUCK NICHT ERSCHEINENDER DINGE. (Hebr 11,1) ER BESTEHT IN DEN DINGEN, AUF WELCHE WIR HOFFEN DÜRFEN, nicht in der Einbildung leerer Spekulationen! Du hörst, dass er von BESTEHEN spricht; es ist dir also nicht erlaubt, über den Glauben zu mutmaßen oder nach Belieben zu diskutieren, nicht bald nach der einen, bald nach der anderen Seite in hirnlosen Meinungen und abwegigen Irrtümern hin und her zu schwanken. Mit dem Wort Bestehen wird dir etwas Sicheres und Festes eingeprägt; du wirst in sicheren Grenzen eingeschlossen und von sicheren Grenzlinien in Schach gehalten. Denn der Glaube ist nicht eine Ansichtssache, sondern ein Gewissheit.
10. Sed advertite cetera. Omitto quod dicit spiritum timoris Domini non fuisse in Domino; timorem Domini castum in futuro saeculo non futurum; post consecrationem panis et calicis, priora accidentia, quae remanent, pendere in aere; daemonum in nobis suggestiones contactu fieri lapidum et herbarum, prout illorum sagax malitia novit harum rerum vires diversas diversis incitandis et incendendis vitiis convenire; Spiritum Sanctum esse animam mundi; mundum, iuxta Platonem, tanto excellentius animal esse, quanto meliorem animam habet Spiritum Sanctum. Ubi dum multum sudat, quomodo Platonem faciat christianum, se probat ethnicum. Haec, inquam, omnia aliasque istiusmodi naenias eius non paucas praetereo; venio ad graviora. Non quod vel ad ipsa cuncta respondeam: magnis enim opus voluminibus esset; illa loquor quae tacere non possum. 10. Doch konzentriert Euch auf das, was noch kommt. Seine Behauptung, dass der Herr den Geist der Furcht vor dem Herrn nicht besessen habe, lasse ich außer Acht – ebenso, dass es im künftigen Leben keine keusche Furcht vor dem Herrn geben wird, dass nach der Weihe des Brotes und des Kelches frühere Akzidenzien, die zurückbleiben, in der Luft hängen - weiterhin die Behauptung, dass die Einflüsterungen der Dämonen in uns durch die Berührung von Steinen und Kräutern zustande kommen, insofern ihre findige Bosheit erkannt hat, dass verschiedenen Kräfte dieser Dinge imstande sind, verschiedene Laster zu wecken und zu entflammen; dass der Heilige Geist die Weltseele ist, und die Welt nach Platon ein umso hervorragenderes Lebewesen ist, je besser ihre Seele den Heiligen Geist hat. Indem er sich darin abrackert, wie er Platon zum Christen machen könnte, erweist er sich als Heiden. Dies alles, sage ich, und seine anderen, nicht gerade wenigen Spinnereien gleicher Art übergehe ich und komme zu Schlimmerem. Nicht, dass ich selbst auf all dies eine Antwort gäbe: dazu bräuchte man ein vielbändiges Werk; ich spreche nur jenes aus, wozu ich nicht schweigen kann.
V. 11. Mysterium nostrae redemptionis, sicut in libro quodam Sententiarum ipsius, et item in quadam eius expositione epistolae ad Romanos legi, temerarius scrutator maiestatis aggrediens, in ipso statim suae disputationis exordio ecclesiasticorum Doctorum unam omnium de hac re dicit esse sententiam, et ipsam ponit ac spernit, et gloriatur se habere meliorem, non veritus, contra praeceptum Sapientis, transgredi terminos antiquos, quos posuerunt Patres nostri. Sciendum est, ait, quod omnes Doctores nostri post Apostolos in hoc conveniunt, quod diabolus do-minium et potestatem habebat super hominem et iure eum possidebat, ideo scilicet quod homo ex libertate arbitrii, quam habebat, sponte diabolo consensit. Aiunt namque quod, si quis aliquem vicerit, victus iure victoris servus constituitur. Ideo, inquit, sicut dicunt Doctores, hac necessitate incarnatus est Filius Dei, ut homo, qui aliter liberari non poterat, per mortem innocentis iure liberaretur a iugo diaboli. Sed, ut nobis videtur, ait, nec diabolus umquam ius aliquod in homine habuit, nisi forte Deo permittente, ut carcerarius, nec Filius Dei, ut hominem liberaret, carnem assumpsit. Quid in his verbis intolerabilius iudicem, blasphemiam, an arrogantiam? Quid damnabilius, temeritatem, an impietatem? Annon iustius os loquens talia fustibus tunderetur quam rationibus refelleretur? Nonne omnium merito in se provocat manus, cuius manus contra omnes? Omnes, inquit, sic: sed non ego sic. Quid ergo tu? Quid melius affers? Quid subtilius invenis? Quid secretius tibi revelatum iactas, quod tot praeterierit sanctos, effugerit sapientes? Aquas furtivas et panes absconditos, puto, apponet nobis iste. V. 11. Wie ich in einem Buch seiner Sentenzen und ebenso in seiner Erläuterung zum Römerbrief gelesen habe, macht er sich an das Geheimnis unserer Erlösung als leichtsinniger Erforscher der göttlichen Majestät. Gleich zu Beginn seiner Diskussion sagt er, es gäbe darüber eine einhellige Meinung aller Kirchenväter. Er legt sie dar und verschmäht sie sogleich; er rühmt sich, eine bessere zu haben, ohne Furcht, entgegen der Regel des Weisen die alten Grenzen zu überschreiten, die unsere Kirchenväter gesetzt haben. Man müsse wissen, sagt er, dass alle unsere Lehrer seit den Aposteln darin übereinstimmen, dass der Teufel Herrschaft und Macht über den Menschen hatte; und zu Recht besaß er diesen, weil der Mensch sich aus der Freiheit der Entscheidung, die er hatte, freiwillig für den Teufel entschied. Sie sagten nämlich: Wenn jemand einen anderen besiegt hat, wird der Besiegte nach dem Recht des Siegers zum Sklaven. Wie die Kirchenlehrer behaupten, sagt er, ist durch diese Not der Sohn Gottes deshalb Fleisch geworden, damit der Mensch, der auf andere Weise nicht befreit werden konnte, durch den Tod eines Unschuldigen rechtens vom Joch des Teufels befreit würde. Aber, wie uns scheint, sagt er, hatte der Teufel niemals irgend ein Recht über den Menschen, wenn ihm nicht, gleichsam wie einem Kerkermeister, Gott dazu ermächtigte. Der Sohn Gottes nahm nicht das Fleisch an, um den Menschen zu befreien. Was soll ich an diesen Worten für unerträglicher empfinden, die Gotteslästerung oder die Arroganz? Was ist verdammenswerter, die Unbesonnenheit oder die Gottlosigkeit? Müsste nicht ein Mund, der solche Worte ausspricht, eher mit Knüppeln geschlagen als mit Vernunftgründen widerlegt werden? Fordert nicht verdienterweise jemand die Hände aller gegen sich heraus, dessen Hand sich gegen alle erhebt? Alle, sagt er, denken so: ich aber denke anders! Was also denkst du? Was bringst du Besseres? Was erfindest du Scharfsinnigeres? Welches Geheimnis, wie du prahlst, ist dir enthüllt worden, das so viele Heiligen übersahen, das so vielen Weisen entging? Gestohlenes Wasser und heimlich entwendetes Brot will er uns auftischen, denke ich.
12. Dic tamen, dic quidquid illud est, quod tibi videtur, et nulli alteri. An quod Filius Dei non ut hominem liberaret, hominem induit? Hoc plane nemini, te excepto, videtur; tu videris ubi videris. Non enim hoc a sapiente, non a Propheta, non ab Apostolo, non denique ab ipso Domino accepisti. Magister gentium accepit a Domino quod et tradidit nobis. Magister omnium suam doctrinam fatetur non esse suam: NON enim, ait, A MEIPSO LOQUOR. Tu vero de tuo nobis tradis, et quod a nemine accepisti. Qui loquitur mendacium de suo loquitur. Tibi proinde sint quae tua sunt. Ego Prophetas et Apostolos audio, oboedio Evangelio, sed non Evangelio secundum Petrum. Tu novum nobis condis Evangelium! Quintum Ecclesia Evangelistam non recipit. Quid Lex, quid Prophetae, quid Apostoli, quid apostolici viri nobis aliud evangelizant, quam quod solus tu negas, Deum videlicet factum hominem, ut hominem liberaret? Et si Angelus de caelo aliud nobis evangelizaverit, anathema sit. 12. Sag doch, sag, was immer das auch ist, was dir und sonst keinem als wahr erscheint! Dass der Sohn Gottes die Menschennatur nicht angenommen hat, um den Menschen zu befreien? Das scheint allerdings außer dir keiner zu glauben. Siehe zu, wo du das gesehen hast! Du hast es nämlich nicht von einem Weisen, nicht von einem Propheten, nicht von einem Apostel, erst Recht nicht vom Herrn selbst erfahren. Der Lehrer der Völker hat das, was er auch uns überliefert hat, vom Herrn vernommen. Der Lehrer aller gesteht, dass seine Lehre nicht aus ihm selbst kommt: ICH SPRECHE NICHT AUS MIR SELBST, sagt er. (Joh 14,10) Du aber überlieferst uns von dir allein, was du von niemandem empfangen hast. Es lügt, wer von sich selbst spricht. Dir mag vielleicht gehören, was dein ist. Ich dagegen höre die Propheten und Apostel, ich gehorche dem Evangelium, aber nicht dem Evangelium nach Petrus! Du bist der Urheber eines neuen Evangeliums! Einen fünften Evangelisten duldet die Kirche nicht! Was verkündet uns das Gesetz, was verkünden uns die Propheten, was die Apostel und die Nachfolger der Apostel anderes, als was du als Einziger leugnest: dass Gott freilich Mensch geworden ist, um den Menschen zu befreien? Und sollte selbst ein Engel vom Himmel uns anderes verkündigen, so sei er verflucht.
13. Sed qui venerunt post Apostolos, Doctores non recipis, homo qui super omnes docentes te intellexisti. Denique non erubescis dicere quod adversum te omnes sentiant, cum ab invicem non dissentiant. Frustra proinde illorum tibi fidem doc-trinamque proponerem, quos iam proscripsisti: ad Prophetas te ducam. Loquitur sub typo Jerusalem ad populum acquisitionis, non Propheta, sed in Propheta Dominus, dicens: SALVABO TE ET LIBERABO TE: NOLI TIMERE. Quaeris a qua potestate? Non enim vis ut diabolus in hominem habeat vel habuerit potestatem; fateor, nec ego. Non tamen idcirco non habet, quia ego et tu nolumus. Hoc si non confiteris tu nec cognoscis, cognoscunt et dicunt QUI REDEMPTI SUNT A DOMINO, QUOS REDEMIT DE MANU INIMICI. Quod minime negares et tu, si non esses sub manu inimici. Non potes gratias agere cum redemptis, qui redemptus non es. Nam si redemptus esses, Redemptorem agnosceres, et non negares redemptionem. Nec quaerit redimi, qui se nescit captivum. Qui autem scierunt, CLAMAVERUNT AD DOMINUM, ET DOMINUS EXAUDIVIT EOS ET REDEMIT EOS DE MANU INIMICI. Et ut intelligas hunc inimicum qui sit: QUOS REDEMIT, ait, DE MANU INIMICI, DE REGIONIBUS CONGREGAVIT EOS. Sed primum quidem agnosce hunc congregatorem, de quo Caiphas prophetat in Evangelio quia Iesus moreretur pro gente. Et qui narrat sequitur, dicens: NON TANTUM PRO GENTE, SED UT FILIOS DEI, QUI ERANT DISPERSI, CONGREGARET IN UNUM. Quo erant dispersi? In omnes regiones. Ergo QUOS REDEMIT, DE REGIONIBUS CONGREGAVIT EOS. Non congregaret, nisi redimeret. Erant enim non solum dispersi, sed et captivi. Redemit et congregavit; REDEMIT autem DE MANU INIMICI. Non dicit inimicorum, sed INIMICI. Inimicus unus, regiones multae. Siquidem non de regione, sed DE REGIONIBUS CONGREGAVIT EOS, A SOLIS ORTU ET OCCASU, AB AQUILONE ET MARI. Quis iste unus tam potens dominus, qui non uni praefuit regioni, sed omnibus? Non alius, ut arbitror, quam ille qui ab alio Propheta dicitur absorbere fluvium, id est genus humanum, et non mirari: habere autem fiduciam, quod et Jordanis, hoc est electio ipsa, influat in os eius. Beati qui sic influunt ut effluant, qui sic intrant ut exeant. 13. Die nach den Aposteln gekommen sind, erkennst du als Lehrer nicht an, als ein Mensch, der sich über alle Lehrer erhaben fühlt. Daher schämst du dich nicht, etwas auszusagen, worin die Meinung aller gegen dich ist, während sie untereinander übereinstimmen. Vergeblich würde ich dir also den Glauben und die Lehre jener vorhalten, die du schon geächtet hast; ich werde dich zu den Propheten führen. Unter dem Bild Jerusalems spricht der Prophet, vielmehr nicht der Prophet, sondern im Propheten der Herr, zum Volk der Erwählung, wobei er sagt: ICH WERDE DICH RETTEN UND DICH BEFREIEN: FÜRCHTE DICH NICHT. (Jer 15,20f) Fragst du, aus welcher Gewalt? Du willst ja nicht, dass der Teufel Macht über den Menschen hat noch zuvor gehabt hat; ich gebe  zu, ich auch nicht. Nun verhält es sich aber nicht so, dass er sie deswegen nicht hat, weil du und ich es nicht wollen. Wenn du das nicht gestehst und begreifst, erkennen und sagen es die, DIE VOM HERRN LOSGEKAUFT SIND, DIE ER AUS DER HAND DES FEINDES LOSGEKAUFT HAT. (PS 106,2) Was auch Du am allerwenigsten leugnen würdest, wenn du nicht in der Hand des Feindes wärst. Du kannst nicht mit den Erlösten danken, weil du nicht erlöst bist. Wenn du nämlich erlöst worden wärest, würdest du den Erlöser erkennen und die Erlösung nicht leugnen. Die Erlösung sucht nicht, wer sich nicht gefangen weiß; die es aber wissen, HABEN ZUM HERRN GERUFEN, UND DER HERR HAT SIE ERHÖRT UND AUS DER HAND DES FEINDES LOSGEKAUFT. (PS 106,6; 33,18; 105,10) Und damit du erkennst, wer dieser Feind ist, sagt er: DIE ER AUS DER HAND DES FEINDES LOSGEKAUFT HAT, HAT ER AUS DEN LÄNDERN VERSAMMELT. (PS 106,2) Zuerst erkenne freilich den, der sie gesammelt hat, von dem Kaiphas im Evangelium prophetisch sagte, Jesus würde für das Volk sterben. Und der Erzähler fährt fort und sagt: Nicht nur für das Volk, sondern auch, um die versprengten Söhne Gottes einzusammeln. (Joh 11,52) Wohin waren sie versprengt? In alle Gegenden. Die ER ALSO LOSGEKAUFT HAT, HAT ER AUS DEN LÄNDERN VERSAMMELT. Er hätte sie nicht gesammelt, wenn er sie nicht losgekauft hätte; sie waren ja nicht nur verstreut, sondern auch gefangen. Er hat sie losgekauft und versammelt, LOSGEKAUFT aber AUS DER HAND DES FEINDES. Er sagt nicht der Feinde, sondern des FEINDES. Es gibt nur einen Feind, aber viele Länder. Darum hat er sie nicht aus einem einzigen Land, sondern aus DEN LÄNDERN gesammelt, VOM AUFGANG DER SONNE BIS ZUM UNTERGANG, VON NORDEN UND SÜDEN. (PS 106,2f) Wer ist dieser eine, so mächtige Herr, der nicht nur über ein Land, sondern über alle Länder herrscht? Kein anderer, wie ich meine, als der, der nach einem anderen Propheten den Fluss, das heißt das Menschengeschlecht, aufsaugen soll, ohne erstaunt zu sein: Er hat aber die Zuversicht, dass auch der Jordan, das heißt die Auswahl selbst, in sein Maul einfließt (Hiob 40,18). Glücklich, die so einfließen wie sie heraus fließen, die so eintreten, wie sie austreten!
14. Sed quid? Nondum forte credis Prophetis, sic sibi ?? concinentibus ?? de diaboli potestate in hominem. Veni mecum et ad Apostolos. Dixisti nempe te non sentire cum illis, qui post Apostolos venerunt. Assentias vel Apostolis, si forte et tibi contingat quod unus eorum loquitur de quibusdam: NEQUANDO, inquiens, DET ILLIS DEUS PAENITENTIAM AD COGNOSCENDAM VERITATEM, UT RESIPISCANT A DIABOLI LAQUEIS, A QUO CAPTIVI TENENTUR AD IPSIUS VOLUNTATEM. Paulus est iste, qui homines a diabolo captivos teneri asserit ad eius voluntatem. Audis ad eius voluntatem, et negas potestatem? Si et Paulo non credis, veni iam ad ipsum Dominum, si forte audias, et quiescas. Nempe ab ipso appellatur PRINCEPS HUIUS MUNDI, et FORTIS ARMATUS, possessorque vasorum; et dicis eum non habere potestatem in homines? Nisi tu aliud putas hoc loco intelligi ATRIUM quam mundum, VASA quam homines. Quod si atrium diaboli mundus erat, et homines vasa eius, quomodo non dominabatur hominibus? Ait item Dominus capientibus se: HAEC EST HORA VESTRA ET POTESTAS TENEBRARUM. Potestas ista non latuit illum qui dicebat: Qui ERUIT NOS DE POTESTATE TENEBRARUM ET TRANSTULIT IN REGNUM FILII CLARITATIS SUAE. Hanc ergo Dominus ne in se quidem negavit diaboli potestatem, sicut nec Pilati, qui membrum erat diaboli. Ait siquidem: NON HABERES POTESTATEM IN ME ULLAM, NISI DATA TIBI FUISSET DESUPER. Quod si in viride lignum in tantum grassata est ista desuper data potestas, aridum quomodo non fuit ausa contingere? Nec iniustam puto iste causabitur potestatem datam desuper. Discat ergo diabolum non solum potestatem, sed et iustam habuisse in homines, ut consequenter et hoc videat, venisse utique in carne Dei Filium propter liberandos homines. Ceterum etsi iustam dicimus diaboli potestatem, non tamen et voluntatem. Unde non diabolus qui invasit, non homo qui meruit, sed iustus Dominus qui exposuit. Non enim a potestate, sed a voluntate iustus iniustusve quis dicitur. Hoc ergo quoddam diaboli in hominem ius, etsi non iure acquisitum, sed nequiter usurpatum, iuste tamen permissum. Sie itaque homo iuste captivus tenebatur, ut tamen nec in homine, nec in diabolo illa esset iustitia, sed in Deo. 14. Doch was? Vielleicht glaubst du den Propheten noch nicht, mögen sie auch untereinander bezüglich der Macht des Teufels über den Menschen mit einer Stimme reden. So komm mit mir zu den Aposteln! Du hast doch gesagt, dass du nur mit jenen nicht empfindest, die nach den Aposteln gekommen sind. Mögest du wenigstens den Aposteln beipflichten, wenn auch dir vielleicht widerfährt, was einer von ihnen über manche sagt: VIELLEICHT SCHENKT GOTT IHNEN IRGENDWANN DIE REUE UND SIE ERKENNEN DIE WAHRHEIT, DAMIT SIE WIEDER ZU VERSTAND KOMMEN, WEG VON DEN FALLSTRICKEN DES TEUFELS, VON DEM SIE NACH IHREM WILLEN GEFANGEN GEHALTEN WERDEN. (2Tim 2,25f) Es ist Paulus, der erwähnt, dass die Menschen vom Teufel nach seinem Willen gefangen gehalten werden. Hörst du: nach seinem Willen, und du streitest seine Macht ab? Wenn du auch Paulus nicht glaubst, komm endlich zum Herrn selbst; vielleicht kommst du zur Ruhe, wenn du ihn hörst. Von Gott selbst wird doch der Teufel FÜRST DIESER WELT (Joh 12,31), EIN STARKER WAFFENTRÄGER, (Lk 11,21) und Besitzer der Hausgefäße (Mt 12/29) genannt, und du sagst, er hätte keine Macht über den Menschen? Es sei denn, du meinst, dass an dieser Stelle ATRIUM etwas anderes bedeutet als Welt, und Gefäße etwas anderes als Menschen. Wenn aber das Atrium des Teufels die Welt war, die Menschen aber seine Gefäße, wie sollte er da nicht über die Menschen herrschen? Ebenso sagt der Herr zu denen, die ihn ergriffen: DAS IST EURE STUNDE UND DIE MACHT DER FINSTERNIS. (Lk 22,53) Diese Macht blieb auch jenem nicht verborgen, der sagte: ER HAT UNS AUS DER MACHT DER FINSTERNIS GESTÜRZT UND HINÜBERGEFÜHRT IN DAS REICH DES GLANZES SEINES SOHNES. (Kol 1,13) Nicht einmal über sich selbst hat also der Herr diese Macht des Teufels geleugnet, wie auch nicht die des Pilatus, der ein Glied des Teufels war. So sagt er: DU HÄTTEST KEINERLEI MACHT ÜBER MICH, WENN SIE DIR NICHT VON OBEN VERLIEHEN WORDEN WÄRE. (Joh 19,11) Wenn diese von oben gegebene Gewalt sich so stark gegen das grüne Holz erwies, wie sollte sie nicht gewagt haben, auch das trockene zu packen? Ich glaube, auch er - Abaelard - wird diese von oben gegebene Macht nicht als ungerecht zur Rechenschaft ziehen. Er soll also lernen, dass der Teufel nicht nur Macht, sondern gerechte Macht über die Menschen hatte, um folgerichtig auch das zu sehen, dass der Gottessohn im Fleisch gewiss zur Erlösung der Menschen gekommen ist. Wenn wir übrigens auch die Macht des Teufels gerecht nennen, so meinen wir doch nicht den Willen. Gerecht ist demzufolge nicht der Teufel, der die Macht an sich gerissen hat, nicht der Mensch, der sie verdient hat, sondern gerecht ist der Herr, der sie zur Verfügung gestellt hat. Denn nicht nach der Macht, sondern nach dem Willen wird jemand als gerecht oder ungerecht eingestuft. Der Teufel hatte also dieses Recht über den Menschen; auch wenn es nicht mit Recht erworben, sondern nichtsnutzig in Besitz genommen wurde, so wurde es ihm doch gerechterweise überlassen. So wurde der Mensch zu Recht gefangen gehalten, allerdings so, dass jene Gerechtigkeit weder beim Menschen noch beim Teufel war, sondern bei Gott.
VI. 15. Iuste igitur homo addictus, sed misericorditer liberatus; sic tamen misericorditer, ut non defuerit iustitia quaedam et in ipsa liberatione, quoniam hoc quoque fuit de misericordia liberantis, ut, quod congruebat remediis liberandi, iustitia magis contra invasorem quam potentia uteretur. Quid namque ex se agere poterat, ut semel amissam iustitiam recuperaret homo servus peccati vinctus diaboli? Assignata est ei proinde aliena, qui caruit sua; et ipsa sic est. Venit princeps huius mundi, et in Salvatore non invenit quidquam, et cum nihilominus innocenti manus iniecit, iustissime quos tenebat amisit, quando is qui morti nihil debebat, accepta mortis iniuria, iure illum, qui obnoxius erat, et mortis debito, et diaboli solvit dominio. Qua enim iustitia id secundo homo exigeretur? Homo siquidem qui debuit, homo qui solvit. Nam Si UNUS, inquit, PRO OMNIBUS MORTUUS EST, ERGO OMNES MORTUI SUNT, ut videlicet satisfactio unius omnibus imputetur, sicut omnium peccata unus ille portavit, nec alter iam inveniatur qui forefecit, alter qui satisfecit, quia caput et corpus unus est Christus. Satisfecit ergo caput pro membris, Christus pro visceribus suis, quando iuxta Evangelium Pauli, quo convincitur mendacium Petri, mortuus pro nobis CONVIVIFICAVIT nos sibi, DONANS NOBIS OMNIA DELICTA, DELENS QUOD ADVERSUM NOS ERAT CHIROGRAPHUM DECRETI, QUOD ERAT CONTRARIUM NOBIS; ET IPSUM TULIT DE MEDIO, AFFIGENS ILLUD CRUCI, EXSPO-LIANS PRINCIPATUS ET POTESTATES. VI. 15. Auf gerechte Weise war daher der Mensch zuerkannt, aber auf barmherzige Weise wurde er befreit; jedoch so barmherzig, dass auch in der Befreiung selbst die Gerechtigkeit nicht fehlte, da auch das von der Barmherzigkeit des Retters kam, dass er bei der Wahl der angemessenen Mittel für die Befreiung mehr die Gerechtigkeit gegen den Eindringling als die Macht gebrauchte. Was konnte nämlich der Mensch, gefesselter Sklave der Sünde des Teufels, von sich aus machen, um die einmal verlorene Gerechtigkeit wiederzuerlangen? Also wurde ihm, der keine eigene Gerechtigkeit hatte, eine andere zuteil, und gerade sie zeigt sich so: Es kam der Fürst dieser Welt und fand an dem Erlöser nichts Greifbares; als er aber dennoch dem Unschuldigen Hand anlegte, verlor er mehr auf äußerst gerechte Art und Weise diejenigen, die er in seiner Gewalt hatte, als der, der dem Tod nichts schuldete, das Unrecht des Todes auf sich nahm und mit Recht jenen, der ihm ausgeliefert war, aus der Schuld des Todes und der Herrschaft des Teufels erlöste. Denn mit welcher Gerechtigkeit könnte dies vom Menschen ein zweites Mal eingefordert werden? Ein Mensch war es, der es verschuldet hatte, ein Mensch, der erlöst hat. Denn, so sagt er, WENN EINER FÜR ALLE GESTORBEN IST, DANN SIND ALLE GESTORBEN (2 Kor 5,14), das heißt, dass die Genugtuung eines einzigen allen angerechnet wird, wie auch jener die Sünden aller als einziger getragen hat, und dass nicht mehr einer gefunden wird, der gefehlt hat, und ein anderer, der Genugtuung geleistet hat, weil Christus allein Haupt und Körper ist. So hat also das Haupt für die Glieder Genugtuung geleistet, Christus für sein Fleisch und Blut. Nach dem Paulus-Evangelium, durch das die Lüge des Peter Abaelard aufgedeckt wird, hat er uns, indem er für uns starb, für sich ZUM LEBEN ERWECKT UND UNS ALLE SÜNDEN VERGEBEN. ER HAT DEN SCHULDSCHEIN, DER GEGEN UNS GERICHTET WAR UND UNS WIDERSPRACH, ZERRISSEN UND FÜR UNGÜLTIG ERKLÄRT, DENN ER HEFTETE IHN ANS KREUZ, UND ENTWAFFNETE DIE FÜRSTEN UND MÄCHTE. (Kol 2,13-15
16. Utinam ego inveniar in his spoliis, quibus spoliatae sunt contrariae potestates, traductus et ipse in possessionem Domini! Si me insecutus Laban arguerit, quod recesserim clam ab eo, audiet clam me accessisse ad eum, et ob hoc clam recessisse. Subiecit me illi causa secretior peccati, subduxit me illi ratio occultioris iustitiae. Aut si gratis venumdatus sum, gratis non redimar? Si Assur sine causa calumniatus est mihi, sine causa causam exigit evasionis. Quod si dixerit: Pater tuus addixit te, respondebo: Sed f rater meus redemit me. Cur non aliunde iustitia, cum aliunde reatus? Alius qui peccatorem constituit, alius qui iustificat a peccato: alter in semine, alter in sanguine. An peccatum in semine peccatoris, et non iustitia in Christi sanguine? Sed iustitia, inquiet, sit cuius est: quid ad te? Esto. Sed sit etiam culpa cuius est: quid ad me? An IUSTITIA IUSTI SUPER EUM ERIT, ET IMPIETAS IMPII non ERIT SUPER EUM? Non convenit filium portare iniquitatem patris et fraternae fieri exsortem iustitiae. Nunc ergo PER HOMINEM MORS, et per hominem vita. SICUT enim OMNES IN ADAM MORIUNTUR, ITA ET IN CHRISTO OMNES VIVIFICABUNTUR, quoniam non sic illi attineo, ut non et isti. Si illi per carnem, et per fidem huic; et si infectus ex illo originali concupiscentia, etiam et Christi gratia spiritali perfusus sum. Quid plus mihi imputatur de praevaricatore? Si generatio, regenerationem oppono, nisi quod spiritalis est ista, illa carnalis. Nec patitur ratio aequitatis ut ex aequo contendant, sed vincat necesse est Spiritus carnem, et sit efficacior causa, cuius est potior et natura, quo plus videlicet prosit generatio secunda quam prima nocuerit. Sane pervenit delictum ad me, sed pervenit et gratia. ET NON SICUT DELICTUM, ITA ET DONUM. NAM IUDICIUM EX UNO IN CONDEMNATIONEM, GRATIA AUTEM EX MULTIS DELICTIS IN IUSTIFICATIONEM. A primo homine manavit delictum, A SUMMO CAELO EGRESSIO gratiae. Utrumque a parente, illud a primo, ista a summo. Terrena nativitas perdit me; et non multo magis gene-ratio caelestis conservat me? Nec vereor sic erutus de potestate tenebrarum repelli a Patre luminum, iustificatus gratis in sanguine Filii eius. Nempe ipse QUI IUSTIFICAT: QUIS EST QUI CONDEMNET? Non condemnabit iustum, qui misertus est peccatori. Iustum me dixerim, sed illius iustitia. Quaenam ipsa? FINIS LEGIS CHRISTUS, AD IUSTITIAM OMNI CREDENTI. Denique QUI FACTUS EST NOBIS, inquit, IUSTITIA A DEO PATRE. Quae ergo mihi iustitia facta est, mea non est? Si mea traducta culpa, cur non et mea indulta iustitia? Et sane mihi tutior donata quam innata. Nam ista quidem GLORIAM HABET, SED NON APUD DEUM; illa autem, cum salutis sit efficax, materiam non habet gloriandi, nisi in Domino. Nam ETSI IUSTUS fuero, inquit, NON LEVABO CAPUT, ne videlicet responsum accipiat: QUID HABES QUOD NON ACCEPISTI? Si AUTEM ACCEPISTI, QUID GLORIARIS, QUASI NON ACCEPERIS? 16. Könnte ich doch unter diesen Beutestücken gefunden werden, die den widrigen Gewalten abgenommen wurden, und selbst in den Besitz des Herrn übergehen! Wenn mich Laban verfolgen und anklagen würde, dass ich heimlich von ihm weggegangen bin (Gen 31,21 ff), wird er hören, dass ich heimlich an ihn herangetreten bin und deswegen auch heimlich weggegangen bin. Ein ziemlich geheimer Grund der Sünde hat mich ihm unterworfen, einer noch verborgeneren Gerechtigkeit hat er mich entzogen. Wenn ich umsonst verkauft worden bin, soll ich nicht ohne Lösegeld wieder erkauft werden? (Jes 52,3f) Wenn Assur ohne Grund mich verleumdete (Jes 52, 4), forderte er ohne Grund einen Grund für mein Entkommen. Denn wenn er sagen sollte: Dein Vater hat dich mir zugeführt, werde ich antworten: Aber mein Bruder hat mich losgekauft. Warum sollte mir nicht von anderswo Gerechtigkeit zukommen, da ich von anderswo beschuldigt worden bin? Der eine war es, der mich zum Sünder machte, der andere, der mich von der Sünde weg rechtfertigte: der eine im Samen, der andere im Blut. Oder ist zwar die Sünde im Samen des Sünders, nicht aber die Gerechtigkeit im Blut Christi? Aber die Gerechtigkeit, wird er sagen, mag gehören, wem sie zu eigen ist: was hat sie mit dir zu tun? Es sei so; aber auch die Schuld mag dem gehören, dem sie zu eigen ist: was hat sie mit mir zu tun? Oder SOLL DIE GERECHTIGKEIT NUR ÜBER DEM SCHWEBEN, NICHT ABER DIE SCHULD DES RUCHLOSEN ÜBER IHN KOMMEN (Ez 13,20)? Es lässt sich doch nicht vereinbaren, dass der Sohn die Schuld des Vaters trägt und der Gerechtigkeit des Bruders entgeht. Jetzt also: DURCH DEN MENSCHEN KAM DER TOD (1 Kor 15,21) und durch den Menschen das Leben. Denn wie ALLE IN ADAM STERBEN, SO WERDEN ALLE IN CHRISTUS LEBENDIG WERDEN (1 Kor 15,22), da ich zu jenem nicht so gehöre, dass ich nicht auch an diesem Anteil finde. Wenn ich an jenem Anteil habe durch das Fleisch, so an diesem durch den Glauben, und wenn ich von jener Gier der Erbsünde befleckt bin, so bin ich auch durchströmt von der geistigen Gnade Christi. Was wird von einem Gesetzesbrecher mehr angerechnet? Wenn es die Geburt ist, setze ich die Wiedergeburt entgegen, nur dass diese geistig, jene aber fleischlich ist. Das Prinzip der Gerechtigkeit aber lässt nicht zu, dass sie unentschieden streiten, vielmehr sollte der Geist über das Fleisch siegen, und wessen Natur stärker ist, dessen Beweggrund muss auch wirkungsvoller sein, so dass die zweite Geburt umso mehr nützt als die erste geschadet hat. Gewiss ist die Schuld auf mich gekommen, aber auch die Gnade. ABER DIE GABE IST NICHT VON DERSELBEN ART WIE DAS VERGEHEN. DENN DAS URTEIL FÜHRT AUS DEM EINEN VERGEHEN HERAUS ZUR VERDAMMNIS, DIE GNADE ABER FÜHRT TROTZ VIELER VERGEHEN ZUR RECHTFERTIGUNG. (Rom 5,15f) Vom ersten Menschen strömte die Schuld aus, VOM HÖCHSTEN HIMMEL DER AUSFLUSS der Gnade. (Ps 18,7) Beides geht vom Vater aus, jenes vom ersten, dieses vom höchsten. Die irdische Geburt richtet mich zugrunde; bewahrt mich nicht in viel höherem Maß die himmlische Zeugung? So der Macht der Finsternis entrissen, fürchte ich nicht, vom Vater der Lichter zurückgestoßen zu werden, kostenlos gerechtfertigt im Blut seines Sohnes. Er selbst ist es also, DER RECHTFERTIGT. WER WOLLTE DA NOCH VERURTEILEN? (Rom 8,33f) Wer sich des Sünders erbarmt hat, wird den Gerechten nicht verurteilen. Gerecht möchte ich mich nennen, aber nur durch jenes Gerechtigkeit. Um welche Gerechtigkeit handelt es sich? CHRISTUS IST DAS ZIEL DES GESETZES, FÜR JEDEN, DER AN IHN GLAUBT. (Rom 10/4) Schließlich, sagt er, IST ER FÜR UNS VON GOTTVATER ZUR GERECHTIGKEIT GEMACHT WORDEN. (1 Kor 1,30) Die Gerechtigkeit, die für mich geschaffen wurde, ist also nicht die meine? Wenn die mir meine Schuld übertragen wurde, warum wurde mir nicht auch meine Gerechtigkeit verliehen? In der Tat ist sie für mich sicherer, wenn sie mir geschenkt wurde, als wenn sie mir angeboren wäre. Denn diese HAT zwar DEN RUHM, ABER LIEGT NICHT BEI GOTT (Rom 4,2); jene aber, wenn sie das Heil bewirkt, bietet keinen Anlass, sich zu brüsten, außer im Herrn. Denn WENN ICH AUCH GERECHT bin, sagt man, WERDE ICH DOCH MEIN HAUPT NICHT ERHEBEN (1 Job 10,15), damit nicht zur Antwort kommt: WAS HAST DU, WAS DU NICHT ERHALTEN HAST? Wenn DU ABER EMPFANGEN HAST, WAS BRÜSTEST DU DICH, ALS WENN DU ES NICHT EMPFANGEN HÄTTEST? (1 Kor 4,7)
VII. 17. Haec est iustitia hominis in sanguine Redemptoris, quam homo perditionis exsufflans et subsannans, in tantum evacuare conatur, ut totum quod Dominus gloriae SEMETIPSUM EXINANIVIT, quod minoratus est ab angelis, quod natus de femina, quod conversatus in mundo, quod expertus infirma, quod passus indigna, quod demum per mortem crucis in sua reversus, ad id solum putet et disputet redigendum, ut traderet hominibus formam vitae vivendo et docendo, patiendo autem et moriendo caritatis metam praefigeret. Ergo docuit iustitiam, et non dedit; ostendit caritatem, sed non infudit; et sic rediit in sua? Pane hoc totum est MAGNUM ILLUD PIETATIS SACRAMENTUM, QUOD MANIFESTATUM EST IN CARNE, IUSTIFICATUM EST IN SPIRITU, APPARUIT ANGELIS, PRAEDICATUM EST GENTIBUS, CREDITUM EST IN MUNDO, ASSUMPTUM EST IN GLORIA? Incomparabilis doctor, qui etiam profunda Dei sibi aperiens, et ea quibus vult lucida et pervia faciens altissimum sacramentum, et mysterium absconditum a saeculis, sic nobis suo mendacio planum et apertum reddit, ut transire leviter per illud possit quivis, etiam incircumcisus et immundus, quasi Dei sapientia cavere nescierit aut neglexerit quod ipsa prohibuit, sed dederit et ipsa sanctum canibus et margaritas porcis. Sed non est ita. Nam etsi MANIFESTATUM EST IN CARNE, sed tamen IUSTIFICATUM EST IN SPIRITU, ut et spiritualibus spiritualia conferantur, et animalis homo non percipiat quae sunt Spiritus Dei, nec fides nostra sit in sapientia verbi, sed in virtute Dei. Unde Salvator ait: CONFITEOR TIBI, PATER, DOMINE CAELI ET TERRAE, QUIA ABSCONDISTI HAEC A SAPIENTIBUS ET PRUDENTIBUS, ET REVELASTI EA PARVULIS; et Apostolus: ETSI, inquit, OPERTUM EST EVANGELIUM MEUM, IN HIS EST OPERTUM QUI PEREUNT. VII. 17. Das ist die Gerechtigkeit des Menschen im Blut des Erlösers, die der Mensch des Verderbens in den Wind bläst und verspottet, wobei er versucht, sie so weit zu entleeren, dass er glaubt und darüber diskutiert,  alles, womit der Herr der Herrlichkeit SICH SELBST ENTÄUSSERT HAT (Phil 2,7), indem er sich weg von den Engeln erniedrigte, indem er aus der Frau geboren wurde, indem er in der Welt verweilte, indem er Schwaches erfuhr und Unwürdiges erlitt, indem er schließlich durch den Kreuzestod zu dem Seinen zurückkehrte, darauf allein beschränken zu müssen, dass er durch seine Lebensweise und seine Lehre den Menschen eine Lebensform gab, durch sein Leiden und seinen Tod aber eine Grenze der Liebe setzte. Also hat der Herr Gerechtigkeit nur gelehrt, aber nicht verliehen, er hat die Liebe gezeigt, aber nicht vergossen. Und so kehrte er wieder in das Seine zurück? So ist das alles, JENES GROSSE SAKRAMENT DER LIEBE, DAS IM FLEISCH OFFENBAR WURDE, IM GEIST GERECHTFERTIGT, IN DEN ENGELN ERSCHIENEN, DEN HEIDEN VERKÜNDIGT, IN DER WELT GEGLAUBT, IN DIE HERRLICHKEIT AUFGENOMMEN (1 Tim 3,16)? Was für ein unvergleichlicher Lehrer, der auch die Tiefen Gottes für sich eröffnete und sie denen klar und zugänglich machte, denen er es wollte; der das höchste Sakrament, das vor der Welt verborgene Mysterium, durch seine Lüge uns so klar und offenkundig machte, dass ein jeder, auch ein Unbeschnittener und Unreiner (Jes 52,1) leicht da hindurch steigen kann, als ob die Weisheit Gottes nicht imstande gewesen wäre oder es versäumt hätte, das zu behüten, was sie selbst zu wissen verboten hat, und das Heilige den Hunden und die Perlen den Säuen selbst hingeworfen hätte! Aber so verhält es sich nicht. Denn wenn es IM FLEISCH OFFENBART WURDE, wurde es DENNOCH IM GEIST GERECHTFERTIGT (1 Tim 3,16), so dass die geistigen Werte nur den Geisterfüllten verliehen  werden, und der animalische Mensch das nicht erfasst, was vom Geist Gottes ist (1 Kor  2,13f), noch unser Glaube in der Weisheit des Wortes liegt, sondern in der Kraft Gottes. Daher sagt der Erlöser: ICH BEKENNE MICH ZU DIR, VATER, HERR DES HIMMELS UND DER ERDE, WEIL DU DAS DEN WEISEN UND KLUGEN VERBORGEN, DAFÜR DEN KLEINEN KINDERN ENTHÜLLT HAST (Mt 11,25), und der Apostel sagt: AUCH WENN MEIN EVANGELIUM UNZUGÄNGLICH IST, SO IST ES NUR DENEN UNZUGÄNGLICH, DIE ZUGRUNDE GEHEN. (2 Kor 4,3)
18. Denique advertite hominem irridentem quae sunt Spiritus Dei, quoniam stultitia illi videntur, et insultantem Apostolo loquenti Dei sapientiam in mysterio absconditam, invehentem in Evangelium, Dominum blasphemantem. Quam prudentius quod non valet comprehendere, credere dignaretur, nec auderet contemnere aut conculcare sacrum reverendumque mysterium. Longum est ad omnes eius ineptias et calumnias, quas divino struit consilio, respondere. Pauca tamen infero, e quibus cetera aestimentur. Cum solos, inquit, electos liberaverit Christus, quomodo eos diabolus possidebat, sive in hoc saeculo, sive in futuro magis, quam modo? Res-pondemus: Immo quia diabolus electos Dei possidebat, a quo, sicut dicit Apostolus, CAPTIVI tenebantur AD IPSIUS VOLUNTATEM, ut Dei propositum de ipsis impleretur, opus fuit liberatore. Oportuit autem liberari in hoc saeculo, ut liberos haberet in futuro. Deinde infert: Numquid etiam pauperem illum, qui in sinu Abrahae requiescebat, sicut et divitem damnatum, diabolus cruciabat, aut etiam in ipsum Abraham dominium habebat, ceterosque electos? Non; sed habuisset, si non libe-rati fuissent fide venturi, sicut de ipso Abraham scriptum est: CREDIDIT ABRAHAM DEO, ET REPUTATUM EST EI AD IUSTITIAM; item: ABRAHAM EXSULTAVIT UT VIDERET DIEM MEUM; ET VIDIT, ET GAVISUS EST. Propterea iam tunc sanguis Christi rorabat etiam Lazaro, ne flammas sentiret, quod et ipse credidisset in eum qui erat passurus. Sic de omnibus electis illius temporis sentiendum, natos quidem et ipsos, aeque ut nos, sub potestate tenebrarum, propter originale peccatum, sed erutos antequam morerentur, et non nisi in sanguine Christi. Scriptum est enim: TURBAE AUTEM QUAE PRAECEDEBANT ET QUAE SEQUEBANTUR CLAMABANT DICENTES: HOSANNA FILIO DAVID; BENEDICTUS QUI VENIT IN NOMINE DOMINI. Ergo Christo in carne venienti, et antequam veniret, et post, benedictum est a turbis benedictorum, quamvis praeeuntes plenam minime tunc consecuti sint benedictionem, servata nimirum hac praerogativa tempori gratiae. 18. Achtet schließlich auf den Menschen, der das, was vom Geist Gottes ist, verlacht, weil es ihm Dummheit scheint, der den Apostel verhöhnt, wenn er die im Geheimnis verborgene Weisheit Gottes nennt, der das Evangelium angreift und Gott lästert. Um wie viel klüger wäre es, er würde sich dazu bequemen zu glauben, was er nicht begreifen kann, und nicht wagen, das heilige und verehrungswürdige Heiligtum zu verachten oder mit Füßen zu treten. Es führte zu weit, auf alle seine Torheiten und Verleumdungen, die er dem göttlichen Ratschluss in den Weg legt, zu antworten. Nur weniges erwähne ich, wonach das übrige beurteilt werden mag. Wenn Christus, sagt er, allein die Erwählten befreit hat, wie konnte diese der Teufel besitzen, sei es in dieser Welt, sei es noch mehr in der künftigen? Wir antworten: Gerade weil die Erwählten Gottes der Teufel besaß, von dem sie nach dem Apostelwort NACH SEINEM WILLEN GEFANGEN GEHALTEN WURDEN (2 Tim 2,26), damit das Vorhaben Gottes an ihnen erfüllt werde, bedurfte es eines Erretters. Sie mussten aber in dieser Welt befreit werden, damit Gott sie in der künftigen als Freie habe. Darauf wendet er ein: Quälte etwa der Teufel auch jenen Armen, der an Abrahams Brust ruhte, wie den verdammten Reichen (Lk 16,20f), oder hatte er sogar Herrschaft über Abraham selbst und die anderen Auserwählten? Nein, aber er hätte sie gehabt, wenn sie nicht befreit worden wären durch den Glauben an den Kommenden, wie über Abraham selbst geschrieben ist: ABRAHAM GLAUBTE AN GOTT UND ES WURDE IHM ALS GERECHTIGKEIT ANGERECHNET; (Gen 15,6), und ebenso: ABRAHAM JUBELTE, DAMIT ER MEINEN TAG SÄHE; ER SAH IHN UND FREUTE SICH. (Joh 8,56) Deswegen benetzte schon damals das Blut Christi auch Lazarus, damit er die Flammen nicht spürte, weil er selbst an den geglaubt hatte, der demnächst  leiden würde. So muss man über alle Erwählten jener Zeit denken: Sie sind zwar wie wir wegen der Erbsünde unter der Macht der Finsternis geboren, sie sind ihr aber, bevor sie starben, entrissen worden, und zwar ausschließlich durch das Blut Christi. Es steht nämlich geschrieben: DIE LEUTE ABER, DIE VORANSCHRITTEN UND DIE NACHFOLGTEN, RIEFEN LAUT: HOSIANNA DEM SOHN DAVID. GESEGNET SEI, DER DA KOMMT IM NAMEN DES HERRN. (Mt 21,9) Also wurde der im Fleisch kommende Christus sowohl vor seiner Ankunft als auch danach von der Menge der Gesegneten seinerseits gesegnet, wenn auch die Vorgänger den ganzen Segen keineswegs erlangten; dieses Vorrecht sollte der Zeit der Gnade vorbehalten bleiben.
VIII. 19. Deinde laborans docere et persuadere diabolum nullum sibi ius in hominem vindicare potuisse aut debuisse, nisi permissu Dei, et quod sine iniuria diaboli iure Deus profugam suum, si vellet misereri, repetere, et solo verbo eripere posset, quasi hoc quis diffiteatur, post multa aliquando infert: Quae itaque necessitas, aut quae ratio, aut quod opus fuit, cum sola iussione sua, divina miseratio liberare hominem a peccato posset, propter redemptionem nostram Filium Dei carne suscepta, tot et tantas inedias, opprobria, flagella, sputa, denique ipsam crucis ignominiosam et asperrimam mortem sustinere, ut cum iniquis patibulum sustineret? Respondemus: Necessitas nostra fuit, et necessitas dura sedentium in tenebris et umbra mortis. Opus aeque nostrum, et Dei ipsius, et sanctorum angelorum. Nostram, ut auferret iugum captivitatis nostrae; suum, ut impleretur propositum voluntatis eius: angelorum, ut numerus impleretur eorum. Porro ratio huius facti fuit dignatio facientis. Quis negat Omnipotenti ad manum fuisse alios et alios modos nostrae redemptionis, iustificationis, liberationis? Verum hoc non praeiudicat huius, quem e multis elegit, efficaciae. Et fortasse is praestat, per quem IN TERRA OBLIVIONIS, gravedinis, lapsus nostri, tot et tantis gravaminibus Reparatoris fortius et vivacius admoneremur. Alias autem nemo hominum novit, nec noscere ad plenum potest, quid boni ad gratiam, quid congruentiae ad sapientiam, quid decori ad gloriam, quid commodi ad salutem, penes seipsam contineat huius venerandi mysterii inscrutabilis altitudo, quam Propheta considerans expavit, non penetravit, et Praecursor Domini indignum se iudicavit qui penetraret. VIII. 19. Dann strengt er sich ständig an, zu lehren und zu überzeugen, dass der Teufel nur mit der Erlaubnis Gottes ein Recht über den Menschen beanspruchen konnte und durfte, und dass Gott mit vollem Recht und ohne Unrecht am Teufel jemanden, der ihn geflohen war, zurückfordern und mit einem einzigen Wort entreißen könnte, wenn er sich seiner erbarmen wollte. Gleichsam als ob dies jemand hinterfragen würde, erklärt er schließlich nach vielen Angaben: Wenn das göttliche Erbarmen mit einem einzigen Befehl von ihm den Menschen von Sünde befreien konnte, welchen Zwang gab es dann, welchen Beweggrund oder welches Notwendigkeit, dass der Sohn Gottes für die Erlösung Fleisch annahm, dass er so vieles und so Schlimmes auf sich nahm, Hunger, Beschimpfungen, Geißelschläge, Bespucken und schließlich sogar den schändlichen und härtesten Kreuzestod, indem er mit Ungerechten den Kreuzesbalken trug? Wir antworten: Unsere Notwendigkeit war es, die harte Notwendigkeit derer, die in der Finsternis und in den Schatten des Todes sitzen. Es war in gleicher Weise unsere Notwendigkeit, aber auch Gottes selbst und der heiligen Engel: Unser Bedürfnis war es, damit das Joch unserer Gefangenschaft von uns genommen werde; sein Bedürfnis, damit das Vorhaben seines Willens erfüllt werde, und das der Engel, damit ihre Zahl vervollständigt werde. Der Grund für diese Tat war schließlich die Würdigung dessen, der sie vollbrachte. Wer würde leugnen, dass dem Allmächtigen immer wieder andere Arten unserer Erlösung, Rechtfertigung und Befreiung zur Hand waren? Dies vorverurteilt aber nicht die Wirksamkeit dessen, den er aus vielen ausgewählt hat. Und vielleicht ist die Art besser, mit der wir durch die so vielen und so großen Beschwernisse unseres Erretters im LAND DES VERGESSENS (Ps 87,13) stärker und lebendiger an unsere Schwere und unseren Fall erinnert werden. Im übrigen aber weiß kein Mensch, keiner kann vollends erkennen, welch Gutes für die Gnade, welche Angemessenheit für die Weisheit, welche Zierde für den Ruhm und welchen Nutzen für unser Heil die unerforschliche Tiefe dieses verehrungswürdigen Geheimnisses in sich birgt - eine Tiefe, vor der der Prophet beim Anschauen Angst bekam und nicht durchdrang, und die zu durchdringen der Vorbote des Herrn sich nicht würdig hielt.
20. Ceterum si non licet perscrutari divinae sacramentum voluntatis, licet tamen sentire effectum operis, fructum utilitatis percipere. Et quod licet scire, non licet tacere, quia GLORIA REGUM CELARE VERBUM, ET GLORIA DEI INVESTIGARE SERMONEM. FIDELIS SERMO, ET OMNI ACCEPTIONE DIGNUS, quoniam, CUM ADHUC PECCATORES ESSEMUS, RECONCILIATI SUMUS DEO PER MORTEM FILII EIUS. Ubi reconciliatio, et remissio peccatorum. Nam si, dicente Scriptura, peccata nostra separant inter nos et Deum, manente peccato non est reconciliatio. In quo ergo remissio peccatorum? HIC CALIX, inquit, NOVI TESTAMENTI IN MEO SANGUINE, QUI PRO VOBIS EFFUNDETUR IN REMISSIONEM PECCATORUM. Itaque ubi reconciliatio, ibi remissio peccatorum. Et quid ipsa, nisi iustificatio? Sive igitur reconciliatio, sive remissio peccatorum, sive iustificatio sit, sive etiam redemptio vel liberatio de vinculis diaboli a quo captivi tenebamur ad ipsius voluntatem, intercedente morte Unigeniti obtinemus, IUSTIFICATI GRATIS IN SANGUINE IPSIUS, IN QUO, sicut item dicit, HABEMUS REDEMPTIONEM PER SANGUINEM EIUS ET REMISSIONEM PECCATORUM, SECUNDUM DIVITIAS GRATIAE EIUS. Cur, inquis, per sanguinem, quod potuit facere per sermonem? Ipsum interroga. Mihi scire licet quod ita; cur ita, non licet. NUMQUID DICIT FIGMENTUM EI QUI SE FINXIT: QUID ME FINXISTI SIC? 20. Übrigens - wenn es nicht erlaubt ist, das Geheimnis des göttlichen Willens zu erforschen, so ist es doch erlaubt, die Wirkung des Werkes zu fühlen und die Frucht des Nutzens zu empfangen. Und was zu wissen gestattet ist, darüber darf man nicht schweigen, denn DER RUHM DES KÖNIGE IST ES, DAS WORT ZU VERBERGEN, UND DER RUHM GOTTES IST ES, SEINE REDE ZU ANALYSIEREN. (Spr 25,2) DAS WORT IST GLAUBWÜRDIG UND WERT, ES GÄNZLICH ZU EMPFANGEN, (1 Tim 1,15) denn ALS WIR NOCH SÜNDER WAREN, SIND WIR MIT GOTT VERSÖHNT WORDEN, DURCH DEN TOD SEINES SOHNES. (Rom 5,8; 5,10)  Wo aber Versöhnung ist, ist auch die Vergebung der Sünden. Denn wenn nach dem Wort der Schrift unsere Sünden uns von Gott trennen (Jes 59,2), gibt es keine Versöhnung, solange die Sünde bestehen bleibt. Worin also liegt die Vergebung der Sünden? DIES IST DER KELCH, sagt er, DES NEUEN BUNDES IN MEINEM BLUT, DAS FÜR EUCH VERGOSSEN WIRD ZUR VERGEBUNG DER SÜNDEN (Lk 22,20; Mt 26,28), spricht der Herr. Wo also die  Versöhnung ist, dort ist auch die Vergebung der Sünden. Und was ist sie, wenn nicht Rechtfertigung? Sei es also die Versöhnung, sei es die Vergebung der Sünden, sei es die Rechtfertigung oder auch der Loskauf oder die Befreiung aus den Fesseln des Teufels, von dem wir nach seinem eigenen Willen gefangen gehalten wurden: durch den eintretenden Tod des Eingeborenen empfangen wir es: UNENTGELTLICH SIND WIR GERECHTFERTIGT IN SEINEM BLUT, (Rom 3,24), IN DEM WIR - wie er wiederum sagt - ERLÖSUNG HABEN DURCH SEIN BLUT UND DIE VERGEBUNG DER SÜNDEN, NACH DEM REICHTUM SEINER GNADE. (Eph 1,7) Warum, sagst du, durch sein Blut, was er auch durch seine Worte bewirken konnte? Frag ihn selbst! Mir ist erlaubt zu wissen, dass es so ist; warum es so ist, das zu wissen ist nicht statthaft. SAGT ETWA DIE TÖPFERWARE ZU DEM, DER SIE GESCHAFFEN HAT: WARUM HAST DU MICH SO GESCHAFFEN? (Rom 9,20)
21. Sed haec stultitia ei videntur: non potest tenere risum. Audite cachinnos. Quomodo, ait, iustificari nos vel reconciliari Deo per mortem Filii sui dicit Apostolus, qui tanto amplius adversus hominem irasci debuit, quanto amplius homines in crucifigendo Filium suum deliquerunt, quam in transgrediendo primum eius praeceptum unius pomi gustu? Quasi non potuerit Deo in uno eodemque facto et displicere iniquitas malignantium, et placere pietas patientis. Et ait: Quod si tantum fuerat illud Adae peccatum, ut expiari non posset nisi morte Christi, quam expiationem habebit ipsum homicidium, quod in Christo commissum est? Breviter respondemus: Ipsum sanguinem quem fuderunt, et interpellationem ipsius quem occiderunt. Addit etiam: Numquid mors innocentis Filii in tantum Deo Patri placuit, ut per ipsam reconciliaretur nobis, qui hoc peccando commisimus, propter quod innocens Dominus est occisus, nec nisi hoc maximum fieret peccatum, illud multo levius potuit ignoscere? Non mors, sed voluntas placuit sponte morientis, et illa morte expungentis mortem, operantis salutem, restituentis innocentiam, triumphantis principatus et potestates, spoliantis inferos, ditantis superos, pacificantis quae in caelo sunt et quae in terra, omnia instaurantis. Et quoniam haec tam pretiosa mors, voluntarie suscipienda adversus peccatum, non tamen poterat fieri nisi per peccatum, non delectatus quidem, sed tamen bene usus malitia sceleratorum, et mortem de morte, ET DE PECCATO DAMNAVIT PECCATUM. Et quanto illorum maior iniquitas, tanto huius voluntas sanctior, et eo potentior ad salvandum, quatenus tanta mediante potentia, antiquum illud, quamvis grande peccatum, necessario tamen huic, quod in Christo commissum est, cederet, tamquam minus maiori. Nec peccato sive peccantibus ascribitur haec victoria, sed bene utenti peccato, et peccantes fortiter perferenti, et convertenti in usum pietatis quidquid in ipsum ausa est crudelitas impiorum.
21. Aber das scheint ihm eine Torheit zu sein: Er kann sein Lachen nicht zurückhalten. Hört sein Gelächter: Wie kann, sagt er, der Apostel behaupten, dass wir gerechtfertigt oder mit Gott versöhnt werden durch den Tod seines Sohnes? Musste Gott dem Menschen nicht umso mehr zürnen, je größer die Sünde der Menschen darin bestand, den Sohn ans Kreuz geschlagen zu haben, als bei der Übertretung seines ersten Gebotes, indem sie von dem einen Apfel kosteten? Als ob nicht bei ein und derselben Tat Gott sowohl die Ungerechtigkeit der Übeltäter missfallen und die Frömmigkeit des Leidenden gefallen konnte! Er sagt auch: Wenn jene Sünde Adams so groß gewesen ist, dass sie nur durch den Tod Christi gesühnt werden konnte, welche Sühne wird dann der Mord selbst finden, der an Christus begangen wurde? Wir antworten in aller Kürze: Es ist das Blut selbst, das sie vergossen haben, und der Einwurf dessen, den sie getötet haben. Er fügt auch noch hinzu: Hat denn der Tod des unschuldigen Sohnes Gott Vater so sehr gefallen, dass er sich gerade durch ihn mit uns aussöhnte, die wir durch diese Sünde das begangen haben, weswegen der unschuldige Herr getötet wurde, und konnte er nur dadurch, dass diese maximale Sünde begangen wurde, jene viel geringere verzeihen? Nicht der Tod gefiel ihm, sondern der Wille dessen, der aus freiem Willen starb, der durch jenen Tod den Tod tilgte, die Rettung ermöglichte und die Unschuld wiederherstellte, der über Fürstentümer und Mächte triumphierte, die Hölle beraubte und den Himmel bereicherte, der befriedete, was im Himmel und auf Erden ist, und alles vereinigte. Und weil dieser so wertvolle Tod, der freiwillig gegen die Sünde auf sich genommen werden musste, doch nur durch eine Sünde geschehen konnte, hat sich Gott zwar nicht an der Bosheit der Verbrecher erfreut, er machte aber von ihr in guter Ansicht Gebrauch und VERURTEILTE durch den Tod den Tod UND DURCH DIE SÜNDE DIE SÜNDE. (Rom 8,3) Und je größer die Schlechtigkeit jener war, desto heiliger war sein Wille, und desto mächtiger, die Rettung zu bringen, da mittels einer solchen Macht jene alte Sünde - so groß sie auch war - doch derjenigen, die an Christus begangen wurde, weichen musste, sozusagen die geringere der größeren. Aber nicht der Sünde oder den Sündern wird dieser Sieg zugeschrieben, sondern dem, der sich segensreich der Sünde bediente, der standhaft die Sünder ertrug und alles, was die Grausamkeit der Ruchlosen gegen ihn selbst wagte, umwandelte zur Anwendung der Frömmigkeit.
22 Fuit vero sanguis qui effusus est, tam multum ad ignoscendum, ut ipsum quoque peccatum maximum, quo factum est ut effunderetur, deleret, ac per hoc de antiqui illius, utpote levioris, deletione nullam omnino dubietatem relinqueret. Deinde iste: Cui vero, inquit, non crudele et iniquum videtur, ut sanguinem innocentis in pretium aliquod quis requisierit, aut ullo modo ei placuerit innocentem interfici, nedum Deus tam acceptam Filii mortem habuerit, ut per ipsam universo reconciliatus sit mundo? Non requisivit Deus Pater sanguinem Filii, sed tamen acceptavit oblatum; non sanguinem sitiens, sed salutem, quia salus erat in sanguine. Salus plane, et non, sicut iste sapit et scribit, sola caritatis ostensio. Sie enim concludit tot calumnias et invectiones suas, quas in Deum tam impie quam imperite evomuit, ut dicat totum esse quod Deus in carne apparuit, nostram de verbo et exemplo ipsius institutionem, sive, ut postmodum dicit, instructionem; totum quod passus et mortuus est, suae erga nos caritatis ostensionem vel commendationem. 22. Das Blut aber, das vergossen wurde, war so reichlich zum Verzeihen, dass es selbst jene größte Sünde tilgte, durch die es dazu kam, dass es vergossen wurde. Es hinterließ nicht den geringsten Zweifel, dass dadurch auch jene alte und viel geringere Sünde getilgt würde. Hierauf sagt jener: Wem aber scheint es nicht grausam und ungerecht, dass jemand als beliebigen Preis das Blut eines Unschuldigen verlangte, oder dass es ihm auf irgendeine Weise behagte, dass ein Unschuldiger getötet würde, ganz davon abgesehen, dass Gott den Tod seines Sohnes für so akzeptabel hielt, dass er sich durch ihn mit der ganzen Welt versöhnte? Gott hat als Vater nicht das Blut des Sohnes verlangt, es aber doch angenommen, als es dargeboten wurde; er dürstete nicht nach dem Blut, sondern nach dem Heil, weil das Heil im Blute lag. Es war ganz klar das Heil und nicht, wie jener Abaelard es weiß und schreibt, allein die Erweisung der Nächstenliebe. Denn so beschließt er so viele Schmähungen und Angriffe, die er gegen Gott ebenso gottlos wie unerfahren ausspie, zum Beispiel, wenn er behauptet, dass Gott im Fleisch nur deshalb erschienen sei, um uns durch sein Wort und Beispiel einzuweisen oder, wie er danach sagt, uns zu unterrichten; dass er gelitten habe und gestorben sei, sei gänzlich eine Bekundung oder Anempfehlung seiner Liebe zu uns.
IX. 23. Ceterum quid prodest quod nos instituit, si non restituit? Aut numquid frustra instruimur, si non prius DESTRUATUR in nobis CORPUS PECCATI, UT ULTRA NON SERVIAMUS PECCATO? Si omne quod profuit Christus, in sola fuit ostensione virtutum, restat ut dicatur, quod Adam quoque ex sola peccati ostensione nocuerit. Siquidem pro qualitate vulneris allata est medicina. SICUT enim IN ADAM OMNES MORIUNTUR, ITA ET IN CHRISTO OMNES VIVIFICABUNTUR. Ergo sicut hoc, ita illud. Si vita, quam dat Christus, non alia est quam institutio eius, nec mors utique, quam dedit Adam, alia erit similiter quam institutio eius, ut ille quidem ad peccatum exemplo suo, hic vero exemplo et verbo ad bene vivendum et se diligendum homines informarent. Aut si christianae fidei et non haeresi Pelagianae acquiescentes, generatione, non institutione traductum in nos confitemur Adae peccatum, et per peccatum mortem, fateamur necesse est et a Christo nobis, non institutione, sed regeneratione restitutam iustitiam, et per iustitiam vitam, ut SICUT PER UNIUS DELICTUM IN OMNES HOMINES IN CONDEMNATIONEM, SIC ET PER UNIUS IUSTITIAM IN OMNES HOMINES IN IUSTIFICATIONEM VITAE. Et si ita est, quomodo is dicit, consilium et causam incarnationis fuisse, ut mundum luce suae sapientiae illuminaret et ad amorem suum accenderet? Ubi ergo redemptio? A Christo nempe, ut fateri dignatur, illuminatio et provocatio ad amorem; redemptio et liberatio a quo? IX. 23. Was nützt es im übrigen, dass er uns unterrichtet hat, wenn er uns nicht wiederhergestellt hat? Oder werden wir nicht vergeblich unterrichtet, wenn nicht zuvor in uns DER KÖRPER DER SÜNDE VERNICHTET WIRD, DAMIT WIR NICHT LÄNGER DER SÜNDE FRÖNEN (Rom 6,6)? Wenn der ganze Nutzen Christi nur in der Darbietung der Tugenden bestand, dann muss abschließend gesagt werden, dass auch Adam nur aus der Darstellung der Sünde geschadet hat; ist uns doch ein Heilmittel gebracht worden, das der Qualität der Wunde angemessen war. Denn WIE IN ADAM ALLE STERBEN, SO WERDEN IN CHRISTUS ALLE LEBENDIG. (1 Kor 15,22) Das eine bedingt also das andere. Wenn das Leben, das uns Christus gibt, nichts anderes ist als seine Unterweisung, dann wird gewiss auch der Tod, den uns Adam gegeben hat, in ähnlicher Weise nichts anderes sein als seine Unterweisung, in dem Sinne, dass beide die Menschen ausbilden: der eine durch sein Beispiel zur Sünde, der andere aber durch sein Beispiel und durch sein Wort zum guten Leben und zur Liebe zu ihm. Wenn wir uns aber an den christlichen Glauben und nicht an die Ketzerei des Pelagius halten und bekennen, dass durch die Zeugung und nicht durch den Unterricht die Sünde Adams und durch die Sünde der Tod uns überbracht wurde, müssen wir auch bekennen, dass uns auch von Christus nicht durch Unterricht, sondern durch die Wiedererschaffung die Gerechtigkeit und durch die Gerechtigkeit das Leben wiedererrichtet worden ist, und WIE ES DURCH DEN FEHLER EINES EINZIGEN FÜR ALLE MENSCHEN ZUR VERDAMMNIS KAM, SO KOMMT ES AUCH DURCH DIE GERECHTIGKEIT EINES EINZIGEN ZUR RECHTFERTIGUNG DES LEBENS. (Rom 5,18) Und wenn es so ist, wie dieser sagt, dass Plan und Anlass der Menschwerdung gewesen sei, die Welt mit dem Licht seiner Weisheit zu erleuchten und in Liebe zu ihm zu entflammen? Wo bleibt dann die Erlösung? Von Christus kommt, wie er angemessen eingesteht, die Erleuchtung und der Aufruf zur Liebe; von wem aber kommt die Erlösung und Befreiung?
24. Esto quod illis Christi adventus prosit, qui se illi possunt conformare per vitam et vicem ei dilectionis rependere. Quid de parvulis? Quam dabit lucem sapientiae vix adhuc captantibus lucem vitae? Unde accendet ad Dei amorem, qui necdum matres suas amare noverunt? Nihilne proderit eis adventus Christi? Nihil quod COMPLANTATI sunt SIMILITUDINI MORTIS EIUS per baptismum, quoniam nondum possunt, prohibente aetate, Christum sapere aut amare? Redemptio itaque, ait, nostra est illa summa in nobis per Christi passionem dilectio. Ergo parvuli non habent redemptionem, quia non habent summam illam dilectionem. An sicut non habent unde diligant, ita nec unde pereant, ut non sit eis in Christo necessaria regeneratio, utpote quibus generatio ex Adam nihil nocuerit? Si hoc sapit, cum Pelagio desipit. Quidquid horum sentiat, patet quantum humanae sacramento salutis invideat, quantum, quod in ipso est, evacuet alti dispensationem mysterii, qui totum de salute tribuit devotioni, regenerationi nihil, qui nostrae gloriam redemptionis, et summam salutis, non in virtute crucis, non in pretio sanguinis, sed in nostrae constituit conversationis profectibus. MIHI AUTEM ABSIT GLORIARI, NISI IN CRUCE DOMINI NOSTRI IESU CHRISTI, IN QUA EST SALUS, VITA ET RESURRECTIO. 24. Es mag sein, dass die Ankunft Christi denen nützt, die sich ihm durch ihr Leben anpassen und ihm seine Liebe vergelten können. Wie ist es aber mit den kleinen Kindern? Welches Licht der Weisheit wird er denen geben, die noch kaum das Licht des Lebens fassen? Auf welchem Weg wird er die zur Gottesliebe entflammen, die noch nicht einmal ihre Mutter zu lieben gelernt haben? Wird ihnen die Ankunft Christi nichts nützen? Nützt es ihnen nichts, dass sie durch die Taufe IHM ÄHNLICH GEWORDEN SIND IN SEINEM TOD (Rom 6,5), weil sie wegen ihres Alters Christus noch nicht kennen und lieben können? Unsere Erlösung ist also, sagt er, jene durch Christi Leid in uns größtmöglich gewordene Liebe. Also haben die kleinen Kinder keine Erlösung, weil sie jene höchste Liebe nicht haben. Oder etwa so: Weil sie keine Basis ihrer Liebe haben, so auch keinen Grund, zugrunde zu gehen, so dass für sie die Wiedererschaffung in Christus nicht nötig ist, da ihnen auch die Zeugung aus Adam nicht geschadet hat? Wenn das seine Weisheit ist, dann ist es die Torheit des Pelagius. Wie auch immer seine Empfindungen darüber sein mögen - es ist klar, wie viel er dem Sakrament der Rettung des Menschen Missgunst entgegenbringt, wie sehr er, soweit es an ihm liegt, den Gedanken des tiefen Mysteriums sinnentleert - er, der alles, was das Heil betrifft, der Hingabe zuweist und nichts der Wiedergeburt; sieht er doch den Ruhm der Erlösung und die Fülle des Heiles nicht in der Kraft des Kreuzes, nicht im Wert des Blutes, sondern im Fortschritt unserer Lebensführung. MIR ABER LIEGE ES FERN, MICH ZU RÜHMEN, ES SEI DENN IM KREUZE UNSERES HERRN JESU CHRISTI. (Gal 6,14) IN IHM IST DAS HEIL, DAS LEBEN UND DIE AUFERSTEHUNG.
25. Et quidem tria quaedam praecipua in hoc opere nostrae salutis intueor: formam humilitatis, in qua SEMETIPSUM DEUS EXINANIVIT; caritatis mensuram, quam USQUE AD MORTEM, ET MORTEM CRUCIS, extendit; redemptionis sacramentum, quo ipsam mortem, quam pertulit, sustulit. Horum duo priora sine ultimo sic sunt, ac si super inane pingas. Magnum profecto et valde necessarium humilitatis, magnum et omni acceptione dignum caritatis exemplum; sed non habent fundamentum, ac proinde nec statum, si desit redemptio. Volo totis nisibus humilem sequi Iesum; cupio eum QUI DILEXIT ME ET TRADIDIT SEMETIPSUM PRO ME quibusdam brachiis vicariae dilectionis amplecti: sed oportet me et Agnum manducare paschalem. Nisi enim manducavero carnem eius et bibero eius sanguinem, non habebo vitam in memetipso. Aliud sequi Iesum, aliud et tenere, aliud manducare. Sequi, salubre consilium; tenere et amplecti, sollemne gaudium; manducare, vita beata. CARO ENIM EIUS VERE EST CIBUS ET SANGUIS EIUS VERE EST POTUS. PANIS EST DEI QUI DE CAELO DESCENDIT ET DAT VITAM MUNDO. Quis status gaudio, sive consilio, absque vita? Nempe haud alius quam picturae absque solido. Ergo nec humilitatis exempla, nec caritatis insignia, praeter redemptionis sacramentum, sunt aliquid. 25. In diesem Werk unseres Heils sehe ich drei herausragende  Punkte: den Zustand der Demütigung, durch die SICH GOTT SELBST ENTÄUSSERT hat (Phil 2,7), das Maß der Liebe, die er BIS ZUM TOD UND BIS ZUM KREUZESTOD (Phil 2,8) ausgedehnt hat, und das Sakrament der Erlösung, durch das er den Tod selbst, den er erlitten hat, aufhob. Betrachtest du die zwei ersten Grundlagen losgelöst von der letzten, dann ist es so, als wolltest du inhaltslos malen.  Das Beispiel der Erniedrigung ist in der Tat groß und sehr notwendig, groß und aller Akzeptanz würdig ist das Beispiel der Liebe, aber sie haben kein Fundament und daher keinen Bestand, wenn die Erlösung fehlt. Ich will mit ganzem Bestreben dem demütigen Jesus folgen, ich will ihn, DER MICH GELIEBT UND SICH SELBST FÜR MICH HINGEGEBEN HAT (Gal 2,20), mit den Armen meiner Gegenliebe umfangen, aber es gehört sich auch für mich, dass ich das Osterlamm esse. Wenn ich nämlich sein Fleisch nicht esse und sein Blut nicht trinke, werde ich nicht das Leben in mir haben. Das eine ist es, Jesus zu folgen, das andere, ihn zu umfassen, und wieder etwas anderes, ihn zu essen. Zu folgen ist ein heilsamer Entschluss, ihn zu halten und zu umarmen ist festliche Freude, ihn zu essen ein glückseliges Leben. Denn SEIN FLEISCH IST WAHRLICH EINE SPEISE UND SEIN BLUT WAHRLICH EIN TRANK. (Joh 6,56) ES IST DAS BROT GOTTES, DER VOM HIMMEL HERABSTEIGT UND DER WELT DAS LEBEN GIBT. (Joh 6,33) Welchen Zustand hat die Freude oder ein Ratschluss ohne Leben? Gewiss keinen anderen als ein Gemälde ohne feste Basis. Also sind weder die Beispiele der Demut noch die Zeichen der Liebe etwas ohne das Geheimnis der Erlösung.
26. Haec, domine Pater, de labore manuum pueri vestri qualiacumque tenetis, adversus pauca quidem novae haereseos capitula, ubi etsi non aliud quam zelum agnoscitis meum, tamen propriae interim conscientiae satisfeci. Nam cum non esset quod agerem pro iniuria fidei quam dolebam, operae mihi pretium arbitror, si illum monui, cuius arma potentia a Deo ad destructionem contrariarum assertionum, ad destruendam OMNEM ALTITUDINEM EXTOLLENTEM SE ADVERSUS SCIENTIAM DEI, ET IN CAPTIVITATEM redigendum OMNEM INTELLECTUM IN OBSEQUIUM CHRISTI. Sunt et alia in aliis eius scriptis non pauca, nec minus mala capitula, ad quae nec temporis, nec epistolae angustia respondere permittit. Quamquam nec necessarium putem, cum sint adeo manifesta, ut ipsa etiam vulgata fide facile refellantur. Collegi tamen aliqua et transmisi. 26. Dies also, mein Herr und Vater, stammt aus der Hände Arbeit Eures Dieners gegen einige Kapitel der neuen Häresie. Auch wenn Ihr darin nichts anderes erkennt als meinen Eifer, habe ich doch wenigstens meinem eigenen Gewissen Genüge getan. Da es nämlich nichts gab, was ich gegen das Unrecht am Glauben, worüber ich Schmerz empfand, tun konnte, hielt ich es der Mühe wert, wenn ich, der ich von Gott wirksame Waffen erhielt, dem Glauben zuwiderlaufende Thesen zu zerstören, jenen rügte, UM JEDE ÜBERHEBLICHKEIT, DIE SICH GEGEN DAS WISSEN GOTTES ERHEBT, EINZUREISSEN UND JEDE EINSICHT ZUM GEHORSAM GEGENÜBER CHRISTUS IN BESCHLAG ZU NEHMEN. (2 Kor 10,5) Es gibt in seinen anderen Schriften auch noch andere - und nicht gerade wenige - Kapitel, die nicht weniger schlimm sind. Doch auf diese einzugehen, erlauben weder die Terminnot noch der beschränkte Umfang eines Briefes. Ich halte dies auch nicht für nötig, da die Irrtümer so offensichtlich sind, dass auch gerade diese durch den Volksglauben leicht widerlegt werden. Dennoch habe ich einiges gesammelt und Euch zugesandt.
I. Ad capitula tantummodo illa respondimus quae signo tali notata sunt.*

1. Quod Pater sit plena potentia, Filius quaedam potenria, Spiritus Sanctus nulla potentia.*

2. Quod Spiritus Sanctus non sit de substantia Patris aut Filii.*

3. Quod Spiritus Sanctus sit anima mundi.

4. Quod Christus non assumpsit carnem ut nos a iugo diaboli liberaret.*

5. Quod neque Deus et homo neque haec persona quae Christus est sit tertia persona in Trinitate.

6. Quod liberum arbitrium per se sufficiat ad aliquod bonum.

7. Quod ea solummodo possit Deus facere vel dimittere vel eo modo tantum vel eo tempore quo facit, non alio.

8. Quod non contraximus culpam ex Adam, sed poenam tantum.

9. Quod non peccaverunt qui Christum ignorantes crucifixerunt, et quod non sit culpae ascribendum quidquid fit per ignorantiam.

10. Quod in Christo non fuerit Spiritus timoris Domini.

11. Quod potestas ligandi atque solvendi apostolis tantum data sit, non etiam successoribus eorum.

12. Quod propter opera nec melior nec peior efficiatur homo.

13. Quod ad Patrem, qui ab alio non est, proprie vel specialiter attineat omnipotentia, non etiam sapientia et benignitas.*

14. Quod etiam castus timor excludatur a futura vita.

15. Quod diabolus immittat suggestiones per appositionem lapidum sive herbarurn.

16. Quod adventus in fine saeculi possit attribui Patri.

17. Quod Deus nec debeat nec possit mala impedire.

18. Quod anima Christi per se non descendit ad inferos, sed per potentiam tantum.

19. Quod neque opus neque voluntas neque concupiscentia neque delectatio quae movet eam peccatum sit, nec debemus eam velle exstingui.

II. Haec capitula partim in libro THEOLOGIAE, partim in libro SENTENTIARUM magistri Petri, partim in libro cuius titulus est SCITO TEIPSUM reperta sunt.

I. Wir haben nur auf jene Kapitel geantwortet, die mit einem solchen Zeichen bezeichnet sind.*

1. Dass der Vater die volle Macht, der Sohn eine gewisse Macht, der Heilige Geist keine Macht hat.*

2. Dass der Heilige Geist nicht von der Substanz des Vaters oder Sohnes stammt.*

3. Dass der Heilige Geist die Weltseele ist.

4. Dass Christus nicht Fleisch angenommen hat, um uns vom Joch des Teufels zu befreien.*

5. Dass weder Gott und der Mensch noch die Person, die Christus ist, die dritte Person in der Trinität darstellt.

6. Dass die freie Entscheidung von sich aus genügt, um Gutes zu bewirken.

7. Dass Gott nur auf diese Weise tun und lassen kann, und zu dem Zeitpunkt, in der er es tut, nicht zu einem anderen.

8. Dass wir nicht von Adam her die Schuld zugezogen haben, sondern nur die Strafe.

9. Dass diejenigen, die Christus aus Unwissenheit gekreuzigt haben, nicht gesündigt haben, und dass das, was aus Unwissenheit geschieht, nicht als Schuld angerechnet werden darf.

10. Dass es in Christus nicht den Geist der Gottesfurcht gab.

11. Dass die Macht, zu binden und zu lösen, nur den Aposteln verliehen wurde und nicht auch ihren Nachfolgern.

12. Dass der Mensch wird durch seine Werke weder besser noch schlechter wird.

13. Dass dem Vater, der von keinem anderen her stammt, eigenständig oder in besonderer Weise die Allmacht zusteht, nicht auch die Weisheit und Güte.*

14. Dass auch die keusche Furcht ausgeschlossen wird vom künftigen Leben.

15. Dass der Teufel durch die Berührung von Steinen und Kräutern seine Einflüsterungen ausübt.

16. Dass die Wiederkunft am Ende der Zeit dem Vater zugeschrieben werden kann.

17. Dass Gott das Schlechte weder verhindern darf noch kann.

18. Dass die Seele Christi nicht aus sich heraus zu den Unterirdischen hinab gestiegen ist, sondern nur mittels ihrer Macht.

19. Dass weder das Werk noch der Wille noch die Begierde und der Spaß, der sie erregt, Sünde sind, und wir nicht gewillt sein müssen, die Begierde auszulöschen.

II. Die Kapitel fanden sich teils in dem Buch THEOLOGIE, teils in dem Buch der LEHRSÄTZE des Meister Peter, teils in dem Buch mit dem Titel KENNE DICH SELBST.



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