Brief 278: An Papst Eugen III.

 

Nach allgemeiner Auffassung wurde dieser Brief an Papst Eugen III., einen ehemaligen Zisterziensermönch und Schüler Bernhards von Clairvaux, im Jahre 1149 geschrieben. Eugen III. war mehr oder minder von seinem geistigen Ziehvater abhängig und traf viele kirchenpolitische Entscheidungen nur mit seinem Rat. Dieses Datum bezieht sich auf den in diesem Schreiben vorrangig erwähnten Bruder des Königs, Heinrich, der in diesem Jahr zum Bischof von Beauvais gewählt worden sein soll. Vorher war er - wohl aus Karrieregründen - kurz Mitglied des Zisterzienserordens gewesen. Das Ausstellungsjahr des Briefes 1149 ist allerdings nicht ganz sicher; einige Quellen sprechen davon, dass Heinrich bereits 1147 Bischof von Beauvais wurde. Wegen seines Ehrgeizes wurde Bischof Heinrich von seinem königlichen Bruder Ludwig VII. angefeindet. Vermutlich deshalb setzte sich Bernhard von Clairvaux, sein vormaliger Abt, für ihn, der kaum 28 Jahre alt war und noch als Jüngling bezeichnet wurde, beim Papst ein. Heinrich war übrigens ein persönlicher Bekannter Heloïsas und Onkel Fulberts. Wie dieser war er zu Beginn seiner Karriere Subdiakon am Dom von Paris gewesen - vermutlich zuvor auch Chorknabe. Beide - Heinrich und Fulbert - hatten um 1140 noch gemeinsam einen Vertrag zwischen Saint-Victor und Notre-Dame in Paris gegengezeichnet.

In dem vorliegenden Schreiben rät Bernhard dem Papst, auch einem nicht näher ausgeführten Gesuch Heloïsas, der Äbtissin des Paraklet, stattzugeben. Dass es sich dabei um die Abfassung einer päpstlichen Besitzurkunde für den Paraklet-Konvent handelte, ist möglich - allerdings nur, wenn man eine Abfassung des Briefes im Jahr 1147 annimmt. Denn eine entsprechende Papstbulle für den Paraklet wurde nach dem Kartularium dieses Klosters am 1. November 1147 von Papst Eugen III. ausgestellt. Dieses äußerst ausführliche Dokument listete alle Besitzungen von Heloïsas Kloster auf und bestätigte die direkte Unterstellung unter den Heiligen Stuhl.

Für den Fall, dass das Jahr 1149 als Abfassungsdatum zutrifft, muss sich Heloïsas Gesuch auf einen anderen Sachverhalt bezogen haben. Dass dieser u. U. sehr persönlicher Natur war, kann man aus dem Umstand ableiten, dass der eigentliche Inhalt des Ersuchens dem Papst durch einen gewissen Meister Garner, über den wir weiter nichts eruieren konnten, übermittelt wurde. Nach einer bislang unveröffentlichten Studie soll der Zisterzienserabt Heloïsas und Abaelards Sohn Astralabius von Nantes über die Zwischenstation Cherlieu in den Zisterzienserkonvent von Hauterive in der heutigen Schweiz gebracht haben, dessen Abt er später wurde. Zumindest ist im Liber donationum Altaeripae ein Abt namens Astralabius vermerkt. So ist nicht auszuschließen, dass Heloïsa eine sehr persönliche Bitte um Promotion ihres Sohnes an den Papst mittels Bernhard von Clairvaux herangetragen hatte, wozu dieser sein Placet gab, die endgültige Entscheidung allerdings dem Papst überließ.

Wie dem auch sei: Auf jeden Fall bestätigt dieser Brief späte Kontakte Heloïsas zu Bernhard von Clairvaux. Die Äbtissin des Paraklet war bereits anlässlich eines Pastoralbesuchs im Paraklet um 1131 dem Abt von Clairvaux äußerst freundschaftlich begegnet, wie später Abaelard in einem seiner Briefe schrieb. Diese herzliche Beziehung muss auf den ersten Blick verwundern - angesichts der Tatsache, mit welcher Schärfe Bernhard von Clairvaux Heloïsas Gemahl und Meister Peter Abaelard verfolgte. Doch sollte man Heloïsas Gefühle für den Abt von Clairvaux nicht überstrapazieren. Es mag sich um eine reine Zweckbekanntschaft zwischen beiden gehandelt haben. Heloïsa war eine kluge Frau, die wusste, mit welchen diplomatischen Mitteln man einen kleinen Nonnenkonvent zu führen hatte. Und an Bernhard von Clairvaux kam damals in Frankreich keiner vorbei, der er einen gewissen Schutz genießen wollte. So mag es für Heloïsa einfach opportun gewesen sein, sich mit dem Zisterzienser-Abt gut zu stellen, ohne dass persönliche Gefühle damit verbunden gewesen sein mussten.

 

EPISTOLA CCLXXVIII

AD PAPAM EUGENIUM, PRO EPISCOPO BELVACENSI.

Petitiones filii vestri Episcopi Belvacensis quam dignae sint exauditu, non est quod vos doceamus: ipsae satis per se paternis visceribus vestris quod dignum et iustum est, facile persuadebunt. Agimus tamen. Fovendus est devotus iuvenis favore paterno, et zelus bonus, quem pro sua Ecclesia gerit, non modo approbandus, sed iuvandus. Sic seipso in dies devotior, ferventior, fortior fiet, cum vexaciones et tribulationes, quae numquam desunt illi ecclesiae a malis hominibus, manu indeficientis auxilii vestri sibi senserit e regione levari.

Petitionem fratris Arnulphi de Maiole petimus exaudiri. Magister Garnerius, - hoc nomen nuntio -, dicet eam vobis. Sed et quod petit Abbatissa de Paraclito, per ipsum, si dignamini, scire potestis, et facere, si dignum iudicatis.
BRIEF 278

AN DEN PAPST EUGEN III., FÜR DEN BISCHOF VON BEAUVAIS.

Wir müssen Euch nicht darüber belehren, wie sehr die Bitten Eures Sohnes, des Bischofs von Beauvais, würdig sind, erhört zu werden; sie selbst werden leicht Euer väterliches Herz zu dem überreden, was würdig und gerecht ist. Wir tun es trotzdem. Der fromme Jüngling muss durch väterliche Gunst gestützt werden, und der gute Eifer, den er für seine Kirche zeigt, muss nicht nur gebilligt, sondern auch unterstützt werden. So wird er von Tag zu Tag frömmer, eifriger und stärker werden, wenn er spürt, dass die Heimsuchungen und Erschütterungen, die von Seiten böser Menschen jener Kirche niemals fehlen, durch Eure nie erlahmende hilfreiche Hand ihm leichter aus der Gegend entlastet werden.

Wir bitten, das Anliegen des Bruder Arnulf von Majoric zu erhören. Meister Garner - so heißt der Überbringer - wird es Euch darlegen. Ihr könnt aber auch das, was die Äbtissin des Paraklet erbittet, durch ihn erfahren, wenn Ihr es für wert haltet, und es erfüllen, wenn Ihr es für würdig erachtet.

Mitunter wurde der Brief etwas abweichend interpretiert. In der Ausgabe von Delisle, L., Recueil des historiens des Gaules et de la France, Band 15, wird dieser unbekannte junge Mann nicht auf Heinrich selbst, was uns viel wahrscheinlicher erscheint, sondern auf einen von ihm unterstützten Kleriker bezogen. Hier findet sich folgende Fußnote:

Notitia: Fußnote:
Quis iste fuerit, non noscimus. Ipsum tamen respicere videntur, quae Bernardus, epist. 269, scribit ad Eugenium Papam: Wer dieser junge Mann war, wissen wir nicht. Gerade diesen scheint der Brief Nr. 269 zu betreffen, den Bernhard an Papst Eugen schreibt:
Serpens decepit nos. Homo versipellus et versutus, justitiae inops, audientiae fugians, propriae conscientiae inimicus, fraternae incubans injuriae, nescienti mihi literas pro se per dominum Belvacensem elicuit. Quid enim ille a me non obtineret! Si non vultis ultra modum onerare conscientiam meam, mihi lucretur subreptione dolosus, nec de literis nostris opprimat innocentes, quamquam nec hoc mihi satis fuerit nisi et poenam portet quam meruit subreptor malignissimus, et avarissimus exactor. Die Schlange hat uns getäuscht. Ein verschlagener und hinterlistiger Mensch, ohne Gerechtigkeit! Er drückt sich vor dem Verhör, dieser Feind seines eigenen Gewissens, brüderliches Unrecht ausbrütend; ohne mein Wissen hat er ein Schreiben für sich vom Herrn von Beauvais herausgelockt. Was er nämlich von mir nicht erhalten hätte! Wenn ihr nicht unmäßig mein Gewissen belasten wollt, möge der hinterlistige Raubvogel mir erspart bleiben, und er möge nicht mittels unseres Briefes Unschuldige unter Druck setzen, wenngleich mir das nicht genug sein wird; es sei denn, der äußerst boshafte Räuber und raffgierigste Eintreiber möge die Strafe davontragen, die er verdient hat.

Siehe: Delisle Léopold (ed.), Recueil des historiens des Gaules et de la France, Tome XV, Paris, 1877; Seite 616f.

 


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