Gottfried von Auxerre, 1115-1188: Über Abaelard

© Dr. Werner Robl, Neustadt, Juli 2002

Gottfried von Auxerre, Gravur aus Guizot, Lettres, Paris 1839Gottfried von Auxerre - auch Gottfried von Clairvaux genannt - war Zisterziensermönch und - nach neuerer Datierung - nach 1141 persönlicher Sekretär - notarius - der Zisterzienserabtes Bernhard von Clairvaux.

Um 1115 in Auxerre, ca. 150 km südöstlich von Paris, geboren, studierte er in seiner Jugendzeit zwischen 1134 und 1140 in Paris bei Peter Abaelard auf dem Genovevaberg, ehe ihn nach dessen Verurteilung auf dem Konzil von Sens im Jahr 1141 Bernhard von Clairvaux anlässlich einer flammenden Predigt vor den Klerikern von Paris, welche sich innerhalb dieser Seiten an anderer Stelle findet, für den Zisterzienser-Orden gewann. Nach einem Intermezzo als Abt von Igny folgte er Bernhard im Jahre 1162 ins Abbaziat von Clairvaux nach, wurde aber drei Jahre später durch Papst Alexander III. von diesem Amt wieder entbunden und begab sich in das Mutterkloster Cîteaux bei Dijon. Im Jahre 1170 wurde er Abt von Fossanuova bei Rom und sechs Jahr später Abt von Hautecombe in Savoyen, ehe er nach 1188 verstarb.

Gottfried wurde nach seiner Bekehrung zum monastischen Leben ein unversöhnlicher Gegner Peter Abaelards und Gilberts de la Porrée, welche beide nacheinander durch Konzilsbeschluss zu Ketzern erklärt wurden. Als Biograph Bernhards von Clairvaux und Sammler seiner Briefe entwickelte Gottfried eine reiche schriftstellerische Tätigkeit. Im Jahre 1145 vereinigte er 310 Briefe Bernhards zu einer ersten Briefkollektion, darüber hinaus zeichnete er dessen Leben und Wundertaten auf, überarbeitete die aus anderer Feder stammenden ersten zwei Bücher der Vita prima Bernhards und fügte drei weitere Bücher hinzu (III-V), sowie die Historia miraculorum in itinere Germanico patratorum, die auch als VI. Buch der Vita bezeichnet wird. Von ihm wurden auch Streitschriften, Kommentarien und viele Predigten verfasst.

In den folgenden Passagen, die aus verschiedenen Werken stammen, nahm Gottfried von Auxerre auf seinen ehemaligen Lehrer und nachmaligen Gegner Peter Abaelard und dessen Lebensgeschichte Bezug. Die Auszüge stammen aus Mignes Patrologia Latina, Band 185, Spalten 310-312, 526-528, 595-596, und Band 180, Spalten 331-332)

 

Sancti Bernardi Vita Prima III.

Caput V. De erroribus Petri Abaelardi, et Gilleberti Porretani opera sancti Bernardi confutatis.

13. Fuit in diebus illis Petrus Abaelardus magister insignis, et celeberrimus in opinione scientiae, sed de fide perfide dogmatizans. Cujus cum blasphemiis plena gravissimis volitare undique scripta coepissent, profanas novitates vocum et sensuum viri eruditi atque fideles ad Dei Hominem retulerunt. Qui nimirum solita bonitate et benignitate desiderans errorem corrigi, non hominem confundi, secreta illum admonitione convenit. Cum quo etiam tam modeste, tamque rationabiliter egit, ut ille quoque compunctus ad ipsius arbitrium correcturum se promitteret universa. Caeterum cum recessisset ab eo, Petrus idem consiliis stimulatus iniquis, et ingenii sui viribus, plurimoque exercitio disputandi infeliciter fidens, resiliit a proposito saniori. Expetens denique Senonensem Metropolitanum, quod in ejus ecclesia celebrandum foret in proximo grande concilium, Clarae-Vallensem causatur Abbatem suis in occulto detrahere libris. Addit quoque paratum se esse in publico sua defendere scripta, rogans ut praedictus Abbas dicturus, si quid haberet, ad Concilium vocaretur. Factum est ut postulavit. Sed vocatus Abbas venire penitus recusavit, suum hoc non esse renuntians. Postea tamen magnorum virorum monitis flexus, ne videlicet ex ipsius absentia et scandalum populo, et cornua crescerent adversario, demum pergere acquievit, tristis quidem, nec sine lacrymis annuens, sicut in epistola ad papam Innocentium ipse testatur, in qua plenius lucidiusque negotium omne prosequitur.

14. Adfuit dies, et ecclesia copiosa convenit: ubi a Dei Famulo Petri illius in medium scripta prolata sunt, et erroris capitula designata. Demum illi optio data est, aut sua esse negandi; aut errorem humiliter corrigendi; aut respondendi, si posset, objiciendis sibi rationibus pariter et sanctorum testimoniis Patrum. At ille nec volens resipiscere, nec valens resistere sapientiae et spiritui qui loquebatur; ut tempus redimeret, Sedem apostolicam appellavit Sed et postea ab egregio illo catholicae fidei advocato monitus, ut vel jam sciens in personam suam nihil agendum, responderet tam libere, quam secure, audiendus tantum et ferendus in omni patientia, non sententia aliqua feriendus; hoc quoque omnimodis recusavit. Nam et confessus est postea suis, ut aiunt, quod ea hora, maxima quidem ex parte memoria ejus turbata fuerit, ratio caligaverit, et interior fugerit sensus . Nihilominus tamen Ecclesia quae convenerat, dimisit hominem, mulctavit abominationem, a persona abstinens, sed dogmata prava condemnans. Quando vero Petrus ille refugium inveniret in Sede Petri, tam longe dissidens a fide Petri? Et ipsum ergo auctorem eadem sententia cum erroribus suis apostolicus Praesul involvens, scripta incendio, scriptorem silentio condemnavit.

Erste Lebensbeschreibung des Heiligen Bernhard Teil III.

Kapitel 5: Über die Irrtümer Peter Abaelards und Gilberts de la Porrée, die durch den Einsatz des Heiligen Bernhard zum Verstummen gebracht wurden.

13. In jenen Tagen gab es einen gewissen Peter Abaelard. Er war ein ausgezeichneter und in der Vermittlung des Wissens hochberühmter Lehrer, der allerdings bezüglich des Glaubens abtrünnige Lehrsätze aufstellte. Als seine mit schlimmsten Gotteslästerungen angefüllten Schriften sich bedenklich zu verbreiten begonnen hatten, meldeten gebildete und rechtgläubige Männer die gottlosen Neuheiten seiner Worte und Einstellungen dem Mann Gottes [resp. Bernhard von Clairvaux]. Weil dieser allerdings mit der gewohnten Aufrichtigkeit und Güte den Irrtum korrigieren, aber nicht den Menschen selbst in Verwirrung stürzen wollte, traf er sich mit jenem und mahnte ihn im Geheimen. Und er verhandelte mit diesem so maßvoll und vernünftig, dass jener auf sein Urteil hin Gewissensbisse bekam und versprach, alle seine Schriften zu korrigieren. Aber als er sich von ihm zurückgezogen hatte, ließ sich derselbe Peter von unbilligen Ratschlägen beeinflussen und machte im unglückseligen Vertrauen auf seine Verstandeskräfte und vor allem auf seine Disputationskunst einen Rückzieher und ließ von seinem nur allzu vernünftigen Vorhaben ab. Da wandte er sich dringend an den Erzbischof von Sens, weil in dessen Kirche die Feier eines großen Konzils in nächster Zeit anstand, und klagte den Abt von Clairvaux an, er würde hinterrücks seine Bücher in den Schmutz ziehen. Auch fügte er hinzu, er sei bereit, seine Schriften öffentlich zu verteidigen, und er verlangte, dass der besagte Abt zum Konzil gerufen werden und sagen solle, ob er etas gegen ihn habe. Es geschah, wie er verlangte. Aber auf den Ruf hin sträubte sich der Abt zunächst, zu kommen, und verkündete, dies sei nicht seine Angelegenheit. Später ließ er sich jedoch durch das Anmahnen großer Männer dazu breitschlagen und geruhte schließlich, nach Sens aufzubrechen, damit nicht gerade durch seine Abwesenheit dem Volk ein Skandal entstehe und dem Gegner die Hörner wuchsen. Allerdings war er nieder geschlagen und stimmte nur unter Tränen zu, wie er persönlich in einem Brief an Papst Innozenz bezeugt, in dem vollständiger und deutlicher der ganze Ablauf des Geschehens verfolgt wird...

14. Schließlich war der Tag gekommen und die Mitglieder der Kirche strömten in großer Zahl zusammen: Zunächst wurden vom Diener Gottes die Schriften jenes Peter vorgestellt und auf einzelne Kapitel seiner Irrlehre hingewiesen. Schließlich wurde jenem die Option freigestellt, entweder abzustreiten, dass sie von ihm stammten, beziehungsweise demütig seinen Irrtum zu korrigieren, oder aber zu den Vorwürfen, die man ihm gleichermaßen aus Vernunftgründen wie nach dem Zeugnissen der Kirchenväter machen musste, Stellung zu nehmen. Doch jener wollte nicht zur Vernunft kommen; andererseits konnte er der Weisheit und dem Geist, der zu ihm sprach, nichts entgegensetzen. Um die Sache abzukürzen, appellierte er kurzerhand an den apostolischen Stuhl. Doch hinterher wurde er von jenem hervorragenden Anwalt des katholischen Glaubens nochmals dazu aufgefordert, er solle ebenso frei wie sicher antworten; er müsse wissen, dass man nichts gegen seine Person an sich unternehmen wolle. Man wolle ihm zuhören und mit Geduld ertragen und sich nicht durch irgendeinen Spruch aus der Fassung bringen lassen. Dieses verweigerte er ebenfalls, auf jede erdenkliche Weise. Später soll er den Seinen gestanden haben, es habe sich in dieser Stunde - größtenteils deshalb, weil sein Gedächtnis verwirrt war - sein Verstand verfinstert, und seine Sinne seien ihm nach innen entschwunden. Ungeachtet dessen entließ die Kirchenversammlung, die zusammengetreten war, den Mann, bestrafte seine Abscheulichkeit und verurteilte die schlechten Lehren - jedoch unbeschadet der Person. Doch wann hätte jener Peter beim Stuhl des Heiligen Petrus Zuflucht finden sollen - er, wo er doch so lange dem Glauben Petri abhold gewesen war? Der Papst in Rom brachte in ein- und demselben Satz den Urheber selbst mit seinen Irrlehren in Verbindung und verurteilte seine Schriften zur Verbrennung, den Verfasser zum Schweigen.

Fragmenta ex tertia vita Sancti Bernardi.

IX. — Conversio Gaufridi ipsius, et aliorum de schola Parisiensi.

Contigit aliquando Virum Dei pro quibusdam negotiis ad partes Galliae proficisci. Cumque in itinere et in reditu scholaribus Parisiensibus, ut solebat, fecisset de conversione sermonem, vespere coepit contristari et moestus esse, dicens Deo in orationibus suis: «Quia timeo omnino ne forte oblitus sis mei, cum praeter morem, infructuosum penitus factum sit iter meum, et neque de his propter quae veneram, aliquid obtinuerim, nec apud clericos istos in verbo tuo apertum sit mihi ostium ullum.» In ipsa enim hora ita consolatus est eum Deus, ut manifeste praescierit et praedixerit, «Quia nequaquam vacuus hinc abibo.» Sit benedicta dies illa a Domino, qua sedenti in tenebris et in umbra mortis lux orta est mihi. Sit benedicta dies, qua Sol justitiae, imo misericordiae, oriens visitavit ex alto miseram animam meam: adversum et perversum nimis hominem, in verbo uno, in momento, in ictu oculi, inaestimabili mutatione dexterae Excelsi, prorsus in alium hominem recreans, ut sim initium aliquod creaturae ejus. In aeternum non obliviscar miserationis hujus, qua tam copiose praeventus, tam subito mutatus, multorum super me animos obstupescere feci. Multi vero in illa captura dominicis retibus irretiti sunt pisces, multi et in itinere adjuncti nobis; ita ut transacto probationis anno, ex hoc collegio monachi facti simus viginti et unus. Eodem sane tirocinii nostri tempore, absente aliquando Patre nostro, coepi corpore infirmari, et affligi mente. Scio quia satanas expetivit me, ut cribraret sicut triticum: sed non latuere Patrem quae circa me agebantur; et perfecte omnia cognoscens per spiritum, quae versabantur in corde meo, sicut post reditum ejus comperi, oravit pro me ne deficeret fides mea. Ibi, ibi, supra quam essem impressisti me mirabiliter cordi ejus, Domine Deus meus. Gratias tibi, Domine, gratias tibi. Unde enim tali animae in tali pectore talis locus? Simile quiddam sibi venerabilis Albericus, qui hodie abbas est in loco, cui nomen est Benedictio-Dei, de se, cum Novitius esset, accidisse testatur.

Fragmente aus der dritten Lebensbeschreibung des Heiligen Bernhard.

IX. Die Bekehrung Gottfrieds selbst und anderer Männer aus der Schulstadt Paris.

Eines Tages machte der Mann Gottes [sc. Bernhard von Clairvaux] wegen gewisser Geschäfte eine Reise durch Gallien. Als er auf der Rückkehr von dieser Reise war, hielt er entsprechend seiner Gewohnheit vor den Schulleuten von Paris eine Predigt: "Über die Bekehrung." Noch am selben Abend wurde er sehr niedergeschlagen und traurig und er sprach in seinen Gebeten zu Gott: "Ich fürchte, Du hast mich vielleicht vergessen, weil diese meine Reise ungewöhnlich fruchtlos blieb, und weil ich weder von dem, weswegen ich gekommen war, irgendetwas erhielt, noch bei diesen Klerikern in deinem Wort offenes Gehör fand." Doch gerade in dieser Stunde tröstete ihn der Herr so, wie er schon vorausgewusst und vorausgesagt hatte: "Ich werde von hier keineswegs mit leeren Händen scheiden." Jener Tag sei vom Herrn gesegnet; denn an ihm ging mir, der ich in der Finsternis und im Schatten des Todes saß, ein Licht auf. Gesegnet sei der Tag, an dem die aufgehende Sonne der Gerechtigkeit, vielmehr des Erbarmens, aus der Höhe meine elende Seele heimgesuchte. Sie erschuf mich garstigen und allzu verkehrten Menschen in einem Wort, in einem Augenblick, in einem Augenaufschlag neu, durch den unschätzbaren Wandel dessen, der zur Rechten des erhabenen Gottes sitzt, zu einem gänzlich anderen Menschen, damit in mir die Schöpfung neu beginne. Auf ewig werde ich nicht sein Erbarmen vergessen, mit dem ich so reichlich versehen, so plötzlich verändert wurde. So brachte ich mit meinem Fall die Herzen vieler ins Erstaunen. In dem einen Beutezug mit den Netzen des Herrn ließen sich viele Fische fangen und etliche schlossen sich uns auf dieser Reise an. So wurden wir nach Ablauf eines Probejahrs aus dieser Mannschaft zu Mönchen - einundzwanzig an der Zahl. Doch gerade in derselben Anfangszeit, wurde ich, als der Vater einmal auswärts weilte, körperlich krank und seelisch depressiv. Heute weiß ich, dass der Satan mich versuchte, um mich wie Weizenmehl zu sieben. Doch dem Vater blieb nicht verborgen, was um mich geschah. Und da er alles vollkommen im Geiste erfasste, was sich in meinem Herzen abspielte, betete er sogleich - wie ich es nach seiner Rückkehr erfuhr - für mich, damit meine Glaube mich nicht verlasse. Dort, dort, hast du mich auf wunderbare Art und Weise überaus seinem Herzen eingeprägt, mein Herr und Gott! Dank sei dir, oh Herr, dank sei dir! Wie sonst konnte eine solche Seele in einer solchen Brust einen solchen Platz finden? Der ehrwürdige Alberich, der heute Abt von La Bénisson-Dieu ist, beschwört, dass ihm, als er noch Novize war, Ähnliches widerfahren sei...

Anmerkungen: Die von Gottfried beschriebene Bekehrungsepisode bezog sich auf eine Predigt Bernhards von Clairvaux, die er Ende 1141 oder Anfang 1142 in Paris hielt, um der durch die endgültige Verurteilung Abaelards und Arnolds von Brescia entstandenen Unruhe unter den Schulleuten entgegen zu wirken: Ad clericos de conversione. Der Text dieser Predigt und ergänzende Erläuterungen finden sich innerhalb dieser Seiten an anderer Stelle: Quellen: Die Akte Bernhard, Predigt an die Kleriker von Paris.

Epistola ad Albinum cardinalem et episcopum Albanensem.

De condemnatione errorum Gilberti Porretani.

Amantissimo patri et domino ALBINO, Dei gratia Albanensi episcopo, domini Papae vicario, frater Gaufridus de Clara-Valle, minimum id quod est.

14. Audivi etiam, quod super damnatione Petri Abaelardi Diligentia vestra desideret plenius nosse similiter veritatem, cujus libellos piae memoriae dominus Innocentius papa secundus in urbe Roma, et in ecclesia beati Petri incendio celebri concremavit, apostolica auctoritate haereticum illum denuntians. Nam et ante plures annos venerabilis quidam cardinalis et legatus Romanae Ecclesiae, Cono nomine, regularis quondam canonicus ecclesiae Sancti-Nicolai de Arausia, Theologiam ejus, Suessione concilium celebrans, similiter concremaverat, ipsum Petrum praesentem arguens, et convictum de haeretica pravitate condemnans. Unde vestro si placuerit desiderio, per libellum de vita sancti Bernardi, et per ejus epistolas missas ad curiam satisfiet. Inveni tamen in Clara-Valle libellum cujusdam abbatis Nigrorum monachorum, quo errores ejusdem Petri notantur: quem et olim me vidisse recordor; sed a multis annis, ut custodes librorum asserunt, studiose quaesitus primus quaternio non potuit inveniri. Propter quod propositi nostri est in Franciam destinare ad monasterium, cujus abbas exstitit qui eumdem librum composuit: et si recuperare potero, transcribi facere codicem totum, et mittere vobis. Credo enim quod vestrae inquisitioni sufficere debeat, ut cognoscatis, quae, quemadmodum, quare sint condemnata...

Brief an Kardinal Albin, Bischof von Alba.

Über die Verurteilung Gilberts von Porrée

Seinem vielgeliebten Vater und Herrn Albin, von Gottes Gnaden Bischof von Alba, Vikar des Herrn Papstes, Bruder Gottfried von Clairvaux: Das Geringfügige, das er ist!

14. Es ist mir auch zu Ohren gekommen, dass sich Eure Sorgfalt ähnlich auch über die Verurteilung Peter Abaelards vollständiger informieren will, dessen Büchlein der Herr Papst Innozenz II., frommen Gedenkens in der Stadt Rom und vor dem Petersdom in einer feierlichen Verbrennung dem Feuer überantwortete und jenen aufgrund seiner apostolischen Autorität als Ketzer ausrufen ließ. Denn schon viele Jahre vorher hatte der ehrwürdige Kardinal und Legat der Römischen Kirche namens Cono [von Präneste], einst Regularkanoniker in der Kirche Sankt Nikolaus in Orange, seine "Theologie" anlässlich eines Konzils in Soissons in einer ähnlichen Aktion verbrannt, wobei er den anwesenden Peter anklagte und wegen nachgewiesener schlimmer Ketzerei verurteilte. Davon möge Euch, wenn es Eurem Wunsch entgegenkommt, mein Büchlein über das Leben des Heiligen Bernhard und die von Bernhard an die Kurie geschickten Briefe Rechenschaft ableben. Doch ich habe auch in Clairvaux das Buch eines Benediktiner-Abtes gefunden, in dem die Irrlehren desselben Peter aufgezeichnet sind: Ich erinnere mich, dieses einst gesehen zu haben. Aber vor vielen Jahren ging trotz eifriger Nachforschung - wie mir die Bibliothekare versichern - den erste Quaternio [des Bandes] verloren. Deshalb wollen wir uns nach Franzien, an dieses Kloster zu wenden, dessen Abt der Verfasser desselben Buches ist: Wenn es mir gelingt, es ein zweites Mal zu erwerben, lasse ich den ganzen Codex kopieren und Euch diese Kopie schicken. Ich glaube nämlich, es dürfte für Eure Untersuchung genügen, sodass Ihr erkennen könnt, was verurteilt wurde, und auf welche Art und Weise und aus welchem Grund...

Anmerkung: Bei dem von Gottfried von Auxerre angesprochenen lückenhaften Werk, dessen erste vier Lagen fehlten, handelte es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um die Disputatio catholicorum patrum aus der Feder des Benediktinerabtes Thomas von Morigny. Siehe hierzu auch an anderer Stelle innerhalb dieser Seiten: Quellen: Ankläger gegen Peter Abaelard.

Sermo VIII de Resurrectione Domini

Expurgate vetus fermentum...

Jam vero in his paschalibus epulis non nobis est praetereundum, quod ejusdem agni caput cum pedibus et intestinis vorare praecipimur; nec rite pascha celebrat, qui ista omnia non vorat. Pedes ejus non inconvenienter accipimus operum exempla: quos fideliter vorat, qui efficaciter eadem imitatur. Intestina ejus affectio intimae charitatis, quam nobis tantam exhibuit, ut animam poneret pro amicis. Infelix nimium, qui illa non vorat, cui illa non sapiunt; qui non reficitur, non satiatur, non saginatur, ruminando et redamando.

Caeterum, ego mihi aliquando magistrum fuisse recordor, qui cum pedibus et intestinis nil amplius de agno paschali aut ipse vorans, aut discipulis exhibens, et se pariter et suos non modica ejus parte fraudabat. Siquidem pretium redemptionis evacuans, nil aliud nobis in sacrificio Dominicae passionis commendabat, nisi virtutis exemplum, et incentivum amoris. Quod enim Scripturae perhibent de potestate diaboli pretioso sanguine humanum genus esse redemptum, in eo solo constare dicebat, quod exemplum nobis exhibitum est usque ad mortem pro justitia et veritate certandi, et adhibitum velut quoddam incentivum amoris, cum pro impenso amore occasio data est redamandi. Et quidem magna haec et vera, sed non sola. Benedictus Dominus, qui mihi simul et vobis magistrum postea dedit meliorem, per quem prioris redarguit ignorantiam, insolentiam confutavit. Ille enim tanquam verus Hebraeus avide prorsus vorabat, et vorandum nobis sollicite commendabat caput cum pedibus et intestinis: sic imitandum praedicans Dominum patientem, sic redamandum amantem, ut principalem hujus sacrificii causam velut Agni caput redemptionem in eo profiteretur et adoraret humanam...

Vide:

Chronicon Alberici Trium-Fontium monachi

Anno MCXLII. ... Hoc tempore fuit Magister Petrus Abaelardus in scientia celeberrimus, cuius scripta de Theologia incendio, et ipsum scriptorem silentio condemnavit Papa Innocentius secundus. Capitula reprehensibilia habentur in quadam beati Bernardi epistola ad eundem Papam. Libri tamen eiusdem Magistri diu in abscondito servati sunt ab eius discipulis. (Elinandus) Ego ipse in eisdem libris multa reprehensibilia inveni, et dominus Gaufridus Autissiodorensis per annos tredecim beati Bernardi Monachus, qui fuerat eiusdem Petri discipulus, de eo sic ait: "Ego mihi Magistrum aliquando fuisse recordor, qui pretium nostrae redemptionis evacuans, nihil aliud nobis in sacrificio passionis Domini commendabat nisi virtutis exemplum et amoris incentivum; et quod scripturae perhibent, humanum genus pretioso illo sanguine de potestate diaboli esse redemptum, in eo solo constare dicebat quod exemplum nobis exibitum est usque as mortem pro veritate et justitia certandi, et adhibitum est velut quoddam amoris incentivum, cum ex impenso amore occasio data est redamandi: sed beatus Bernardus sic imitandum praedicabat Dominum patientem, et redamandum amantem, ut principalem huius sacrificii causam velut Agni caput, redemptionem in eo profiteretur et adoraret humanam. Tria namque specialia nobis in sua passione Christus exhibuit, exemplum virtutis, incentivum amoris, redemptionis sacramentum. Quod tertium si evacuatur secundum Magistrum Petrum, non prodesse caetera poterunt; et cum dicatur, 'Caput Agni cum pedibus eius et intestinis vorabitis', Magister Petrus caput omittens, pedes et intestina vorabat tantummodo"...

Predigt 8: Über die Auferstehung des Herrn.

Entfernt den alten Sauerteig...

Schon befassen wir uns mit den Osterspeisen. Da dürfen wir nicht übersehen, dass wir angehalten sind, mit dem Haupt eben dieses Lammes auch seine Läufe und Eingeweide zu verspeisen. Es feiert nicht ordnungsgemäß Ostern, wer dies nicht in der Gesamtheit verspeist. Seine Läufe fassen wir nicht unpassend als die Beispiele seiner Werke auf: Diese verspeist derjenige im rechten Glauben, der die Werke wirkungsvoll nachahmt. Die Eingeweide sind jedoch das Gefühl der inneren Liebe, die [das Lamm] uns in einem so großen Ausmaß erwiesen hat, dass es seine Seele für seine Freunde einsetzte. Allzu unglückselig ist der, der jene Teile des Lammes nicht verspeist, weil sie ihm nicht schmecken. Wer nicht gelabt wird, wird nicht gesättigt und beim Wiederkäuen und Wiederlieben nicht ernähert.

Ich erinnere mich übrigens, dass ich einst einen Lehrer hatte, der persönlich nicht mehr vom Osterlamm als die Läufe und Eingeweide aß, aber auch seinen Schülern nicht mehr zukommen ließ. Damit führte er sich selbst und die Seinen in nicht unerheblichem Ausmaß hinters Licht - wenn er zum Beispiel den Wert unserer Erlösung aushöhlte und nichts anderes uns beim Leidensopfer des Herrn ans Herz legte, als dass es ein Beispiel seiner Tugend und ein Anreiz seiner Liebe war. Und obwohl die Schriften klar erweisen, dass das Menschengeschlecht durch das wertvolles Blut aus der Macht des Teufels erlöst wurde, besteht seiner Aussage nach der Sinn des Leidens nur darin, dass uns ein Beispiel gegeben sei, bis zum Tod für Wahrheit und Gerechtigkeit zu streiten. Außerdem müsse es als gewisser Anreiz zur Liebe verstanden werden, weil wir durch die empfangene Liebe die Gelegenheit bekamen, wieder zu lieben. Das ist zwar groß und wahr, aber darauf allein kommt es nicht an. Der Herr Benedikt, der mir und Euch zugleich später einen besseren Lehrer gegeben hat, durch welchen er die Unkenntnis des erstgenannten widerlegte, entkräftete auch diese Unbesonnenheit. Jener nämlich speiste wie der wahre Hebräer voller Hunger, aber er legte uns auch sorgfältig ans Herz, wir müssten mit den Läufen und Eingeweiden auch das Haupt verspeisen: Derjenige, der verkündet, soll so den leidenden Herrn nachahmen, soll so den Liebenden wiederlieben, dass er als Hauptgrund dieses Opfers wie das Haupt des Lammes die Erlösung des Menschen darin bekennt und anbetet...

Zur dieser Passage siehe auch:

Chronik des Albert von Trois-Fontaines, um 1245.

Für das Jahr 1142... Damals war der Meister Peter Abaelard ein sehr berühmter Wissenschaftler. Papst Innozenz II. ließ seine Schriften verbrennen, den Autor selbst verurteilte er zum Schweigen. Die tadelswerten Kapitel finden sich in einem Brief des Heiligen Bernhard an eben diesen Papst. Dennoch wurden die Bücher dieses Meisters von seinen Schülern lange im Verborgenen aufbewahrt. (Helinand) Ich selbst fand in denselben Büchern viel Anstößiges, und Herr Gottfried von Auxerre, über dreizehn Jahre Mönch des Heiligen Bernhard,  der einst Schüler desselben Peter gewesen war, spricht von ihm so: "Ich erinnere mich, dass ich einst einen Lehrer hatte, der den Wert unserer Erlösung aushöhlte und nichts anderes uns beim Leidensopfer des Herrn ans Herz legte als das Beispiel seiner Tugend und ein Anreiz zur Liebe. Und obwohl die Schriften klar erweisen, dass das Menschengeschlecht durch sein wertvolles Blut der Macht des Teufels entrissen wurde, besteht seiner Aussage nach der Sinn des Leiden nur darin, dass uns ein Beispiel gegeben wurde, bis zum Tod für Wahrheit und Gerechtigkeit zu streiten. Außerdem müsse es als Anreiz zur Liebe verstanden werden, weil wir durch die empfangene Liebe die Gelegenheit bekamen, wieder zu lieben. Dagegen predigte der Heilige Bernhard so: Man müsse dem leidenden Herrn derart nacheifern und den liebenden Herrn wieder lieben, damit man den Hauptgrund dieses Opfers, d.h. das Haupt des Lammes, die Erlösung der Menschheit, in ihm bekenne und anbete. Drei Besonderheiten habe uns nämlich Christus in seinem Leiden erwiesen: ein Beispiel der Tugend, einen Anreiz zur Liebe, und das Sakrament der Erlösung. Wenn das Dritte nach der Lehre des Meisters Peter derart ausgehöhlt werde, werde auch alles Andere nicht von Nutzen sein können. Doch trotz des Wortes 'Das Haupt des Lammes werdet ihr mit seinen Läufen und Eingeweiden verschlingen!', vergaß Meister Peter das Haupt und aß nur die Läufe und Eingeweide...

 
[Zurück zur letzten Seite] [Zum Seitenanfang]