Franz (Seraphicus) Grillparzer (1791-1872)

geb. 15.1.1791 in Wien; gest. 21.1.1872 in Wien

Zunächst nahm Grillparzer, Sohn eines angesehenen Rechtsanwalts, 1807 in Wien das Studium der Rechte auf. Nach dem Studienabschluss 1811 war er zunächst Privatlehrer, dann Beamter. Nach einer unbesoldeten Konzipistenstelle in der Hofbibliothek wurde er 1813 bei der Hofkammer als Konzeptspraktikant angestellt, 1821 ins Finanzministerium versetzt. 1832 wurde er Direktor des Hofkammerarchivs und bekleidete diese Stelle, bis er 1856 in den Ruhestand trat. Franz Grillparzer gilt mit Recht als einer der bedeutendsten Tragiker Österreichs, der die Klassik mit spätbarocker Wiener Theaterkunst erfüllte, zugleich mit Psychologie bereicherte und auflöste. Zu seinen Hauptwerken zählen: Die Ahnfrau (1817), Sappho (1819), Das goldene Vließ (1822), König Ottokars Glück und Ende (1825), Weh' dem, der lügt (1840), Die Jüdin von Toledo (1851).

Weite Reisen führten ihn aus der Enge seiner Beamtentätigkeit nach Italien, England, Frankreich, Deutschland, dem Balkan und in die Türkei. Zu andauernden zwischenmenschlichen Beziehungen war Grillparzer infolge seiner depressiven Grundstimmung wenig in der Lage. Er blieb unverheiratet. Beziehungen scheiterten immer wieder. Das folgende Gedicht ist in Paris entstanden. Grillparzer hatte einer Bekannten namens Heloïse nahe gelegt, einen Rumänen, der um sie warb, zu heiraten, scheint aber eine Weigerung erwartet zu haben. Sie gehorchte indessen und zog von Wien fort. Spätere Briefe bezeugen ihre dauernde Zuneigung. Am Grab von Abälard und Heloïse konzipierte Grillparzer das Gedicht, mit dem "sein Alter beginnt" (Backmann).

Entsagung

Eins ist, was altergraue Zeiten lehren
Und lehrt die Sonne, die erst heut getagt:
Des Menschen ew´ges Los, es heißt: Entbehren,
Und kein Besitz, als den du dir versagt.
Die Speise, so erquicklich deinem Munde,
Beim frohen Fest genippter Götterwein,
Des Teuren Kuß auf deinem heißen Munde,
Dein wär´s? Sieh zu! ob du vielmehr nicht sein.
Denn der Natur alther notwend´ge Mächte,
Sie hassen, was sich freie Bahnen zieht,
Als vorenthalten ihrem ew´gen Rechte,
Und reißen´s lauernd in ihr Machtgebiet.
All, was du hältst, davon bist du gehalten,
Und wo du herrschest, bist du auch der Knecht.
Es sieht Genuß sich vom Bedarf gespalten,
Und eine Pflicht knüpft sich an jedes Recht.
Nur was du abweist, kann dir wieder kommen.
Was du verschmähst, naht ewig schmeichelnd sich,
Und in dem Abschied, vom Besitz genommen,
Erhältst du dir das einzig deine: Dich!


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