Ludwig Feuerbach (1804-1872)

Der spätere Philosoph Ludwig Feuerbach wurde am 28.7. 1804 in Landshut als Sohn des berühmten Juristen Anselm Feuerbach, 1775 bis 1833, geboren. Feuerbach besuchte das Gymnasium in Ansbach und studierte seit 1823 in Heidelberg evangelische Theologie bei Karl Daub, der ihn für die Philosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegels begeisterte, und 1824 bis 1826 in Berlin, um Hegel persönlich zu hören. 1825 ging er von der Theologie zur Philosophie über, promovierte 1828 und habilitierte sich im gleichen Jahr in Erlangen. Seine 1830 anonym erschienene Schrift Gedanken über Tod und Unsterblichkeit, in der er die persönliche Unsterblichkeit leugnete, und welche polizeilich beschlagnahmt wurde, entschied über Feuerbachs fernere Zukunft: Dreimal bewarb er sich um eine außerordentliche Professur - und dreimal wurde er abgelehnt. Pläne, in Paris, Bern und Griechenland eine Stellung zu finden, scheiterten. Darum verließ Feuerbach 1836 die Universität und lebte seit 1837 zurückgezogen auf Schloss Ansbach, wo seine Frau Erbin einer Porzellanfabrik war. Nach Bankrott der Fabrik 1860 lebte er in bescheidenen Verhältnissen in einem Gutspächterhaus auf dem Rechenberg - bis zu seinem Tode am 13.9.1872. Feuerbach liegt auf dem Johanniskirchhof in Nürnberg begraben.

Feuerbachs religionskritisches Hauptwerk Das Wesen des Christentums (1841) machte ihn bekannt. Für ihn ist Gott nur eine Projektion der menschlichen Sehnsucht, und Unsterblichkeit ein Wunschtraum. "Gott ist das offenbare Innere, das ausgesprochene Selbst des Menschen; die feierliche Enthüllung der verborgenen Schätze des Menschen, das Eingeständnis seiner innersten Gedanken, das öffentliche Bekenntnis seiner Liebesgeheimnisse." und "Der Mensch schuf Gott nach seinem Bildnis." Feuerbachs Philosophie war somit Wegbereiter des Materialismus und von großem Einfluß auf die Hegelsche Linke, auf Karl Marx und Friedrich Engels.

Zu seine Werken zählt auch das 1834 erstmals erschienene Büchlein Abälard u. Heloïse oder: Der Schriftsteller u. der Mensch. Es handelt sich um eine lockere Reihe humoristisch-philosophischer Aphorismen zum Verhältnis zwischen Mensch und Schriftsteller, Vernunft und Liebe, mit einem recht subjektivem Abriss der Philosophie, manchmal auch mit spöttischem und sarkastischem Unterton.

Zitate:

...Die Vernunft ist ein unergründlich tiefes, ist das vortrefflichste Wesen von der Welt, ob ihr gleich sie so 'en bagatelle' behandelt und mit ihr umgeht, als kenntet ihr sie von Innen und von Außen. Sie ist ein Weib - - o! wenn ich sie nur einigermaßen Euch zu schildern im Stande wäre! Sie hat eine Seele o, so mild so weich! so subtil und ätherisch und doch so allwirkend, so allherrschend, wie das Licht! Sie durchschaut ihren Mann, den Menschen, bis auf den Grund seines Wesens, sie kennt ihn mit allen seinen Blößen und Schwächen, sie hat ihn vollkommen unter dem Pantoffel, aber sie ist so zartfühlend und gescheut, ihm ihre Herrschaft durchaus nicht merken zu lassen... Mit einem Worte: die Vernunft ist - wenn anders die Schilderung von den deutschen und französischen Frauen, die unlängst eine Fürstin machte, ihre Richtigkeit hat - keine Deutsche, sondern eine Französin, die in ihrem Hause eine unsichtbare Herrschaft ausübt, und ob sie stets in den höheren Regionen des Lebens schwebt, d.h. sich mit Politik, Kunst und Wissenschaft beschäftigt, doch zugleich mit ihrem kleinen Finger das ganze Räderwerk des Hauswesens in Bewegung hält...

...Geistiges in sich aufnehmen, heißt nichts andres, als es verstehen, und verstehen heißt nichts andres, als etwas in und aus uns selbst, in Uebereinstimmung mit unserm eignen vernünftigen Wesen erkennen. Es kann nichts in uns von Außen hineinkommen, was nicht zugleich aus uns selbst herauskommt, in unserm eignen Wesen gegründet ist. So können wir auch nichts aus den Büchern schöpfen, was wir nicht zugleich, wenigstens seinem allgemeinen wesentlichen Sinn und Verstand nach, aus uns selbst schöpfen; das Wasser, das in den öffentlichen Brunnen der Bücher läuft, ist aus derselben Quelle, aus der das Wasser in unserm eignen Haus- und Küchenbrunnen fließt. Das Buch ist das wahre 'second sight', das reelle zweite Gesicht des Menschen, der Spiegel, in dem er die Anschauung seiner selbst hat, das 'Erkenne dich selbst' des Sokrates...

...'Wie magst Du die Liebe eine menschliche Schwachheit nennen! Wie kannst Du den Menschen und den Schriftsteller so auseinander trennen! Der Mensch hat kein Geheimnis vor dem Schriftsteller. Weil ich von dem Schein des Lebens abstrahire, glaubst Du, ich abstrahire auch von seinem Wesen? Ich werfe die Schale der Welt weg, um desto besser ihren innern göttlichen Kern genießen zu können. Mir sollte die Liebe fremd sein? O Du Verblendeter! Ich kenne sie besser und gründlicher als Du. Sie ist mir näher verwandt, als Du glaubst. Geist und Liebe sind nur Zweige ein- und desselben Stammes. Ich könnte dir dieses urkundlich beweisen, aber ich müßte nothwendig dabei in ihre innersten Familienverhältnisse eindringen, und wer wird solche zarte Geheimnisse der Post anvertrauen, sie der Gefahr aussetzen, in rohe Hände zu fallen? Mündlich also das Nähere. Jetzt nur noch in Bezug auf Deine Liebe das Wichtigste für Dich: nimm Deine Heloïse ohne Bedenken mit auf unsern Musensitz, wo ich morgen Abends Punkt acht Uhr eintreffen werde; sie soll stets zwischen uns beiden in der Mitte ihren Platz einnehmen; das schönste Band zwischen Mensch und Schriftsteller ist die Liebe. Grüße sie einstweilen aufs innigste von mir. Ich freue mich recht darauf, sie persönlich kennen zu lernen. Au revoir.' Nach Empfang dieses Schreibens schickte der Mensch dem Schriftsteller auf der Stelle folgendes kurzes, in der größten Eile kaum leserlich geschriebnes Billet. 'Du erhältst diese Zeilen durch einen Expressen. Noch heute Abend liege ich wonnetrunken an Deiner Brust. O! erst jetzt erkenne ich Dich. Erst jetzt bin ich ungetheilt, bin ich wahrhaft Dein. Ach Du und Heloïse Ein Wesen! O welcher glücklichen Zukunft sehe ich entgegen!' Kaum hatte er diese Worte niedergeschrieben, so warf er die Feder weg, nahm seine Heloïse in den Arm, stieg mit ihr in den Wagen, der schon vor der Thüre bereit stand, hinein und in einem Nu - es ging Carrière - waren die Glücklichen den Augen der Welt entschwunden.


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