Andreas Kölle: Kanzel im Zisterzienserkloster Stams

© Dr. Werner Robl, September 2003

Stift Stams in TirolFährt man östlich von Innsbruck das Inntal flussaufwärts, so erblickt man einige Kilometer hinter Telfs auf dem rechten Ufer des Inn das stattliche, achteckige Turmpaar des Zisterzienserstiftes Stams. Dieses zählt neben dem Prämonstratenserkloster Wilten in Innsbruck und dem Benediktinerstift Georgenberg-Fiecht in Schwaz zu den berühmtesten Klosteranlagen im österreichischen Bundesland Tirol und zu den schönsten barocken Klosteranlagen Europas überhaupt. Über Jahrhunderte hinweg war Stift Stams das geistige und kulturelle Zentrum des Landes Tirol, und noch heute gehen von dort maßgebliche geistige und kulturelle Impulse aus.

Die erste urkundliche Erwähnung des Namens Stambs fällt in das Jahr 1065; er findet sich so auf einer Urkunde der Edlen von Wangen. In dieser frühmittelalterlichen Siedlung existierte bereits eine Wallfahrtskirche des Heiligen Johannes Baptista.

Das Kloster selbst wurde im Jahre 1273 von Elisabeth von Wittelsbach, der Witwe Kaiser Konrads IV. von Hohenstaufen, gegründet, nachdem sie mit Graf Meinhard II. von Görz-Tirol eine weitere Ehe eingegangen war. Mit dieser romanischen Anlage errichtete sie in Stams ihrem in Neapel durch Enthauptung zu Tode gekommenen Sohn Konradin, dem letzten Hohenstaufen, ein bleibendes Denkmal.

Rasch wurde Stams zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Zentrum der Region und seine Privilegien wurden nach und nach stark erweitert - bis hinein in den schwäbischen Raum und nach Bayern. Im 14. Jahrhundert wurde den Stamser Patres für einige Jahrzehnte sogar die Bewahrung der Reichskleinodien  anvertraut.

Nach einem vorübergehenden Niedergang im 16. Jahrhundert wurde das Stift, dessen romanischen Teile sich bis dahin erhalten hatten, im Stil des Barock umgebaut und stark erweitert. Im 17. Jahrhundert entstand eine ansehnliche Barockanlage, deren Gepränge allerdings mit dem Gründungsgedanken des Heiligen Bernhard von Clairvaux und dem von ihm inaugurierten Klosterstil nur noch wenig zu tun hatte. Von 1607 bis 1609 entstand zunächst der kreuzgewölbte, stark erweiterte Kirchenbau, ca. ein Jahrhundert später - zwischen 1729 und 1732 - erhielt er seine endgültige, barocke, z. T. ins Rokoko übergehende Innenausstattung.

Die Säkularisierung, die Besetzung und Auflösung durch die Nationalsozialisten und die Wirren des Zweiten Weltkriegs überstand das Kloster glücklicherweise ohne grundlegende Schäden an der Bausubstanz.

Zwischen 1973 und 1985 wurde die Stiftskirche einschließlich des frühbarocken Hochaltars grundlegend renoviert und die Klosteranlage zur politisch-gesellschaftlichen Begegnungsstätte umgestaltet. Zu den prominenten Gästen der jüngeren Zeit zählen das schwedische Königspaar (1979), der deutsche Bundespräsident von Weizsäcker (1984) und nicht zuletzt Papst Johannes Paul II. (ebenfalls 1984), der die Stamser Stiftskirche in den Rang einer Basilica minor erhob.

Statue im rechten KirchenschiffDurch die Renovierung gelang es, alle Schätze zu konservieren. Der sakrale Innenraum der Klosterbasilika ist kunstgeschichtlich so wertvoll, dass er heute nur bei Gottesdiensten und Führungen zugänglich gemacht wird.

Um aber alle barocken Kunstwerke ausreichend zu würdigen, reicht der beschränkte Platz dieser Seite nicht aus. Wer dem Kloster Stams und seinen Schätzen mehr Interesse entgegenbringt, sei auf die Internetpräsenz des Stiftes verwiesen:

Zisterzienserstift Stams

Wie es sich für eine Zisterzienserkirche gehört, ist der Heilige Bernhard und seine Zeit an vielen Stellen künstlerisch thematisiert - nicht nur im Kirchenraum selbst, sondern auch durch Bilderzyklen im sogenannten Bernardi-Saal und durch Gemälde im Kreuzgang. Mit diesem Verweis auf Bernhard von Clairvaux knüpfen wir an die Thematik der vorliegenden Seiten an.

An der nahezu vollständig vergoldeten Prachtkanzel mit ihren Gesimsen, Voluten und Putten, welche von dem Bildhauer Andreas Kölle aus Fendels, 1680 - 1755, geschaffen und 1739 vollendet wurde, finden sich Anklänge zu den geistigen Gegenspielern Bernhards, nämlich Peter Abaelard und Gilbert Porreta. Ihren gegenseitigen Beziehungen haben wir ein eigenes Kapitel in der Arbeit "Das Konzil von Sens 1141 und seine Folgen", die sich innerhalb dieser Seiten findet, gewidmet. Naturgemäß ist in Stams die Darstellung dieser von Bernhard als Häretiker verfolgten Theologen alles andere als unparteisch.

Es folgt nun die Beschreibung der Kanzel im Einzelnen:

Über der Kanzeltüre erkennt man das Wappen des auftraggebenden Abtes Jakob Milbeck. Die zwei, den Schalldeckel stützenden Engel symbolisieren das Alte und Neue Testament. Darüber halten drei Puttenpaare Karten jener Länder in ihren Händen, die den Wirkungskreis des Zisterzienserordens markieren: Gallia, Italia und Germania. In der bekrönenden Gloriole steht das Jesuskind mit der Weltkugel, jeweils flankiert von einem Engel und dem Heiligen Bernhard. Auf den Trompetenfahnen der Putten liest man:

 


IN OMNEM TERRAM EXIVIT SONUS
  
In alle Welt drang ihre Kunde.
ITALIA GALLIA GERMANIA
  
Italien, Frankreich, Deutschland.
UT SIS SALUS USQUE AD EXTREMUM TERRAE
  
Damit Du zum Heil werdest bis an die Grenzen der Erde.

Zum Lobpreis des Heiligen Bernhard findet man folgende Inschriften
(von links nach rechts):

FACIAM VOS FIERI PISCATORES HOMINUM
  
Ich will Euch zu Menschenfischern machen.
IN VERBO TUO LAXABO RETE
  
Auf Dein Wort hin will ich das Netz auswerfen.
DEDI TE IN LUCEM GENTIUM
  
Ich habe Dich zum Licht für die Völker gemacht.


Der Kanzelkorb gibt das Bildprogramm zur Anklage der Ketzer und Schismatiker wieder. Es handelt sich um insgesamt drei vergoldete Holzskulpturen bzw. Flachreliefs, die von Putten gesäumt werden. Das Motiv zur Linken schildert - mit gehöriger künstlerischer Freiheit - den vergeblichen Appell Peter Abaelards an Papst Innozenz II anlässlich seiner Verurteilung im Jahr 1141 (siehe unten). Das mittlere gibt eine Kampfszene wieder, in deren Mitte Bernhard von Clairvaux furchtlos und unversehrt steht. Es symbolisiert somit die Angriffe der Schismatiker, d. h. der Anhänger des Gegenpapstes Anaklet II. Das rechte Bild (siehe oben) thematisiert die Auseinandersetzungen um Gilbert Porreta, den Bischof von Poitiers, der im Jahr 1148 auf dem Konzil von Reims von Bernhard angegriffen wurde. Zwei der flankierenden Engel zerreißen die inkriminierten Schriften Abaelards und Gilberts. Überwölbt sind die Szenen von folgenden Schriftbändern:
 

HAERETICIS IN MALLEUM
   Den Häretikern zum Hammer.
SCHISMATICIS IN FLAGELLUM
   Den Schismatikern zur Geißel.
DURIS CORDE IN FULMEN
   Den Hartherzigen zum Blitz.

IN SPIRITU ARDORIS
   Mit der Glut des Geistes.
IN GLADIO SPIRITUS
   Mit dem Schwert des Geistes.

 


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