Carmen ad Astralabium - Abaelards Mahngedicht an seinen Sohn

Das Carmen ad Astralabium - erstmalig von Hauréau in seiner unvollständigen Erstedition von 1891 so benannt - ist ein moralisierendes Lehrgedicht, ausschließlich verfasst in elegischen Distichen. In Inhalt und Struktur lehnt es sich an klassischen Vorbildern an, z.B. an den Disticha Catonis. Mit gutem Recht wird es - zumindest in Teilen - als ein Werk Peter Abaelards aufgefasst, welches an seinen Sohn Astralabius gerichtet war; denn innerhalb des Gedichtes finden sich an mehreren Stellen Bezüge zu Gedanken und Werken Abaelards

Besonders eine Passage verdient Aufmerksamkeit. Sie ist im folgenden Text farblich hervorgehoben. In ihr nimmt Abaelard konkret Stellung zur wiederholten Liebesklage Heloïsas und zur Tatsache ihrer Reuelosigkeit. 

Die Schwierigkeit der umfassenden Textanalyse besteht jedoch darin, dass keine der Fassungen insgesamt schlüssig durchstrukturiert ist. Der weitaus größere Teil der Verse enthält Lehrsätze von sehr allgemeinem, z. T. traditionellem, z. T. auch zur sonstigen Haltung  Abaelards wenig passendem Charakter. Vor allem misogyne Passagen lassen sich a posteriori nur schwer Abaelard zuordnen. Sie trafen den damaligen Zeitgeschmack und lehnten sich an klassischen Vorbildern an, z.B. Ovid, Juvenal oder Seneca. Insofern steht die Urheberschaft Abaelards für viele Abschnitte nicht zweifelsfrei fest. Das Gedicht enthält auch zahlreiche Bezüge zu den Heiligen Schriften und den Werken der Kirchenväter. Sollte jedoch Abaelard in der Tat der Verfasser gewesen sein, so müsste er das Gedicht etwa zwischen 1132 und 1139 verfasst haben, d.h. zu einer Zeit, in der sein Sohn Astralabius, geboren um 1117, bereits das Erwachsenenalter erreicht hatte.

Schon vom 13. Jahrhundert an existierte das Werk in mehreren europäischen Bibliotheken, in insgesamt drei Überlieferungssträngen. Die längste Version umfasst 1042 Verse, die kürzeren Ausgaben jeweils 461 und 445 Verse. Diese geben das gesamte Werk nur bruchstückhaft und in veränderter Reihenfolge gegenüber der längeren Version wieder. Damit stellen sie wohl von einander unabhängige Derivate der längsten, vermutlich älteren Rezension dar. Inwieweit ein noch älterer Archetypus existiert hat, ist heute nicht mehr zu eruieren.

Der Text des Lehrgedichtes ist in insgesamt 11 Manuskripten erhalten geblieben, deren früheste aus dem 12. Jahrhundert stammen:

Rezension I

Rezension II

Rezension III

Kürzere Auszüge finden sich auch in:

Weitere Auszüge aus bislang unbekannten MS wurden von C. Wollin 2007 veröffentlicht:

Einige Manuskripte gelten als verloren.

 
Der folgende lateinische Wortlaut lehnt sich an die früheste Rezension I an, was Anzahl und Reihenfolge der Verse anbelangt. Ansonsten folgt er weitgehend der einzigen kritischen Edition: Rubingh-Bosscher, J.M.A., Peter Abelard - Carmen ad Astralabium, Groningen, 1987. Eine sicher nicht fehlerfreie Rohübersetzung einzelner Verse ist beigefügt.

 

 

1 Astralabi fili vite dulcedo paterne
doctrine studio pauca relinquo tue
maior discendi tibi sit quam cura docendi
hinc aliis etenim proficis inde tibi
Astralabius, mein Sohn, du Wonne im Leben deines Vaters,
Nur wenig hinterlasse ich dir zum eifrigen Studieren.
Bemühe dich mehr, zu lernen, als zu belehren,
Mit letzterem nützt du nämlich nur anderen, mit ersterem dir selbst!
5 cum tibi defuerit quid discas discere cessa
nec tibi cessandum dixeris esse prius
non a quo sed quid dicatur sit tibi cure
auctori nomen dant bene dicta suo
nec tibi dilecti iures in verba magistri
Wenn dir der Lernstoff ausgeht, so höre auf zu lernen.
Sage jedoch nicht, du müsstest schon vorher aufhören.
Du sollst dich nicht sorgen, von wem etwas, sondern eher, was inhaltlich gesagt wird.
Seinem Urheber gibt gut Gesagtes den Namen.
Schwöre nicht auf die Worte des hochgeschätzten Meisters.
10 nec te detineat doctor amore suo
fructu non foliis pomorum quisque cibatur
et sensus verbis anteferendus erit
ornatis animos captet persuasio verbis
doctrine magis est debita planicies
Dein Lehrer soll dich nicht durch seine Liebe niederhalten!
Durch die Frucht, nicht durch die Blätter des Obstbaums ernährt sich ein jeder.
Und der Sinn ist den Worten vorzuziehen.
Die Überzeugung soll mit Wortschmuck die Herzen fangen.
Der Lehre ist mehr die Breite geschuldet.
15 copia verborum est ubi non est copia sensus
constat et errantem multiplicare vias
cuius doctrinam sibi dissentire videbis
nil illam certi constet habere tibi
instabilis lune stultus mutatur ad instar
Eine Fülle an Worten liegt vor, wo keine Fülle an Sinn.
Bekanntlich vervielfältigt der Irrende die Wege.
Dessen Lehre ist unstimmig, so wirst du sehen.
Mache dir klar, dass sie nichts Gewisses enthält.
Zum Ebenbild des wechselnden Mondes wandelt sich der Dumme.
20 sicut sol sapiens permanet ipse sibi
nunc huc nunc illuc stulti mens ceca vagatur
provida mens stabilem figit ubique gradum
cogitat ante diu quid sane dicere possit
ne iudex fiat turpiter ipse sui
Wie die Sonne beharrt der Weise auf sich selbst.
Bald hierher, bald dorthin schweift der blinde Gedanke des Dummen,
Der umsichtige Verstand heftet überallhin seinen festen Schritt.
Schon lange vorher bedenkt er, was er recht sagen sollte,
Damit er nicht schändlich zum Richter seiner selbst werde.
25 dictis doctorum factis intende bonorum
ferveat hac semper pectus avaricia
disce diu firmaque tibi tardaque docere
atque ad scribendum ne cito procilias
nolo repentini tua sit doctrina magistri
Achte auf die Aussagen der Gelehrten und die Taten guter Menschen,
Immer soll dir die Brust vor Wissbegier erglühen.
Lerne lange, dir das Feste und Bedächtige beizubringen
Und verlege dich nicht zu schnell auf das Schreiben.
Ich möchte nicht, dass du die Lehre des neuen Meisters übernimmst,
30 qui cogatur adhuc fingere que doceat
nemo tibi tribuet quod nondum est nomen adeptus
post multos si vis experiaris eum
detrimenta tue caveas super omnia fame
ut multis possis et tibi proficere
Der immer noch gezwungen ist, sich auszudenken, was er lehren soll.
Niemand wird dir zuschreiben, was noch nicht einen Namen erlangt hat.
Wenn du nach vielen ihn kennen lernen willst,
So hüte dich über alles vor der Beschädigung deines Rufes,
Damit du vielen und dir selbst von Nutzen sein kannst.
35 que precesserunt credi nova crimina cogunt
et prior in testem vita sequentis erit
non tua sed domini queratur gloria nate
non tibi sed cunctis vixeris ymo deo
sit tibi queso frequens scripture lectio sacre
Wenn Vergehen vorangegangen sind, so neigt man dazu, auch neuen zu glauben,
Und das frühere Leben wird Zeuge des folgenden sein.
Du sollst nicht deinen Ruhm, sondern den des Herrn suchen, Sohn.
Nicht für dich, sondern für alle lebe, in erster Linie aber für Gott.
Die Heilige Schrift sollst du bitte häufig lesen,
40 cetera si qua legas omnia propter eam
sit tibi precipuus divini cultus honoris
teque timor semper subdat amorque deo
nemo deum metuet vel amabit sicut oportet
si non agnoscat sicut oportet eum
Alle andere lese nur wegen ihr.
Vorrangig sei für dich die Pflege der Göttlichen Ehre,
Und immer unterwerfe dich Ehrfurcht und Liebe dem Gott.
Niemand wird Gott gehörig fürchten oder lieben,
Wenn er ihn nicht geziemend anerkennt,
45 quam iustus sit hic atque potens quam sit bonus ipse
quantum nos toleret quam grave percuciat
semper divine tua sit subiecta voluntas
e contra si vis appetis esse deus
nec tibi quid prosit queras sed quod placet ipsi
Wie gerecht und mächtig und gut gerade dieser ist,
In welchem Maße er uns duldet, wie tief er uns rührt!
Immer sei dein Wollen dem göttlichen Willen unterworfen
Im Gegenteil - wenn du wie Gott sein willst, so strebe danach
Und achte nicht auf deinen Nutzen, sondern darauf, was ihm gefällt.
50 mercenarius hoc illud amicus agit
sufficit ut tantum queras ipsius honorem
utilitatis erit sic memor ipse tue
sicut tesauris prestat sapiencia cunctis
sic nichil oposito vilius esse potest
Ein Söldner macht dies, jenes der Freund.
Es genügt, wenn du nur seine Ehre suchst.
Wenn du daran denkst, wird auch er dir von Nutzen sein.
So, wie die Weisheit besser ist als alle Schätze,
So ist nichts wertloser als das Gegenteil.
55 ingenii sapiens fit nullus acumine magni
hunc pocius mores et bona vita creant
factis non verbis sapiencia se profitetur
solis concessa est gracia tanta bonis
filius est sapiens benedictio multa parentum
Weise wird keiner nur durch Verstandesschärfe,
Eher machen ihn der Charakter und ein gutes Leben dazu.
Durch Taten, nicht durch Worte, bekennt sich die Weisheit,
Allein dem Guten ist eine so große Gnade erlaubt.
Reichlicher Segen für die Eltern ist ein weiser Sohn.
60 ipsorum stultus dedecus atque dolor
quod tolerat maior non sit grave ferre minori
nec se prelato preferat ullus homo
oblatam Kato fudit aquam popullumque refecit
dum refici propriam non tulit ipse sitim
Ein dummer dagegen Schande und Schmerz.
Was der ältere erträgt, sei auch dem jüngeren nicht zu schwere Last.
Kein Mensch soll sich für besser halten als den anderen.
Cato vergoss das dargereichte Wasser und erfrischte stattdessen das Volk,
Währenddessen er nicht zuließ, dass der eigene Durst gestillt wurde.
65 insipiens rex est asinus diademate pollens
tam sibi quam cunctis perniciosus hic est
nolo miliciam sed sensum in principe laudes
consilium non vis preminet ad regimen
cum bonus est princeps divini muneris hoc est
Ein dummer König ist wie ein gekrönter Esel,
Er schadet allen Menschen ebenso wie sich selbst.
Lobe am Fürsten nicht den Kriegsdienst, sondern sein Gefühl,
Taktik, nicht Gewalt steche bei der Herrschaft hervor.
Wenn der Fürst gut ist, so ist dies ein Geschenk Gottes!
70 cum malus id populli promeruere mala
sit tibi cura prior faciendi deinde docendi
que bona sunt ne sis dissonus ipse tibi
que tibi tu non vis fieri ne feceris ulli
que fieri tibi vis hec quoque fac aliis
Wenn er schlecht ist, bringt dies dem Volk viel Übel.
Kümmere dich zuerst darum, zu handeln, danach erst, zu lehren,
Was gut ist, damit du dir nicht selber uneins bist.
Was du nicht willst, dass man dir tue, das füge auch keinem anderen zu!
Dagegen bringe das, was du dir wünschst, auch anderen entgegen!
75 simplicis est hominis similem sibi quemque putare
et leviter falli fallere nolle quidem
est animi vicium falli sed fallere crimen
crimine non vicio quisque carere potest
ut sapiens falli sic mens bona fallere nescit
Es spricht für einen einfältigen Menschen, zu glauben, ein jeder sei einem ähnlich.
Leicht getäuscht zu werden, heißt zwar, nicht täuschen wollen.
Es ist ein Herzensfehler, getäuscht zu werden, ein Verbrechen, selbst zu betrügen.
Jeder kann zwar von einem Verbrechen, nicht jedoch von einem Fehler frei sein.
Wie man den Weisen nicht täuschen kann, so kann ein guter Geist nicht betrügen. 
80 est vicii falli fallere criminis est
credere te numquam falli fallacia summa est
remque istam constat solius esse dei
nolo deum similes nec te super ethera queras
dum situs hic terre te tenebrosus habet
Für den Fehler spricht es, getäuscht zu werden, für das Verbrechen, selbst zu täuschen.
Daran zu glauben, nie getäuscht zu werden, spricht für höchsten Selbstbetrug.
Dies ist ein Sachverhalt, der bekanntlich Gott allein vorbehalten ist.
Ahme Gott nicht nach und suche dich nicht im Himmel, 
Solange du auf dem Schattenplatz der Erde weilst.
85 est iusti proprium reddi sua velle quibusque
fortis in adversis non trepidare suis
illicitos animi motus frenare modesti
tunc cum succedunt prospera precipue
sicut in adversis virtus ea murus habetur
Es ist für den Gerechten typisch, jedem das Seine geben zu wollen,
Und für den Starken, im eigenen Unglück nicht zu zittern.
Unerlaubte Gefühlsbewegungen zu zügeln, ist typisch für den Bedächtigen,
Besonders dann, wenn vornehmlich glückliche Zeiten folgen.
So wie man im Unglück diese Tugend als Mauer hat,
90 sic istius egent prospera temperie
nec prior illa manet virtus nisi fulta sit istis
ne sit fracta malis sive remissa bonis
quid vicii quid sit virtutis discute prudens
quod si perdideris desinis esse quod es
So bedarf auch das Glück der rechten Mischung desselben.
Und nicht eher bleibt jene Tugend, als dass sie durch diese gestützt wird,
Und sie sei nicht gebrochen durch Böses, wie durch das Gute entlastet.
Was für das Laster, was für die Tugend spricht, unterscheide klug,
Denn wenn du diese verloren hast, hörst du auf zu sein, was du bist.
95 philosophus causas rerum dicernit opacas
effectus operum practicus exequitur
quisquis apud dominum se querit iustificari
iusticiam si qua est nesciat ipse suam
agnoscat culpas acuset corrigat illas
Der Philosoph durchschaut die dunklen Gründe der Dinge,
Der Praktiker erreicht die Wirkung seiner Werke.
Jeder, der sich beim Herrn rechtfertigen möchte,
Mag selbst seine Gerechtigkeit, wenn es sie gibt, außer Betracht lassen,
Und seine Schuldgründe erkennen, anklagen und korrigieren.
100 nec se corde bonum censeat ore malum
III 111 hoc autem pro iusticia reputetur ab illo
III 112 quod bona que impendit reddita non data sunt
ne tumeas unquam meliores aspice semper
in quibus atendas quid tibi desit adhuc
ante potestatem ne queras magnus haberi
parvus eris si te querere noverit hoc
Und sich nicht mit dem Herzen gut, mit dem Mund jedoch schlecht einschätzen.
III 111 Das aber möge von jenem für Gerechtigkeit gehalten werden,
III 112 Dass Gutes, welches er als zurückgegeben anrechnet, gar nicht gegeben ist.
Und plustere dich nicht auf, schaue immer auf die Besseren.
An ihnen bemerkst du, was dir bislang fehlt.
Suche nicht danach, vor der Allmacht für groß gehalten zu werden,
Denn klein wirst du sein, wenn sie erfährt, dass du danach strebst.
105 de pecato humiles de religione superbos
aut facit aut fieri fert aliquando deus
scandala quam possis hominum vitare labora
ut tamen incurras scandala nulla dei
quo melior cunctis deus est plus debet amari
Nach der Sünde die Demütigen, nach der Frömmigkeit die Stolzen
Macht entweder Gott, oder lässt sie geschehen.
Bemühe dich, soweit als möglich die Skandale der Menschen zu vermeiden,
Damit du nicht mit Gott in Hader gerätst.
Je besser Gott als alle ist, desto mehr muss er geliebt werden.
110 et melior post hunc ordine quisque suo
quo melior quisque est maiori dignus amore est
utque deo quisque est carior et tibi sit
quos etenim nisi propter eum debemus amare
finis hic in cunctis que facis unus erit
Und besser ist nach ihm ein jeder nach seiner Stellung.
Je besser jeder ist, desto größerer Liebe ist er würdig.
Und je lieber Gott jeder ist, desto lieber möge er auch dir sein.
Denn auch diese müssen wir um seinetwillen lieben.
Es wird in allem, was du tust, dieses das einzige Ziel sein.
115 omnia dona dei transcendit verus amicus
diviciis cunctis anteferendus hic est
nullus pauper erit thesauro preditus isto
qui quo rarior est hoc preciosior est
sunt multi fratres sed in illis rarus amicus
Alle Gaben Gottes übersteigt der wahre Freund.
Allem Reichtum muss man ihn vorziehen.
Wer mit diesem Schatz beschenkt ist, wird niemals arm sein.
Je seltener er ist, umso mehr ist er von Wert.
Es gibt viele Brüder, aber darunter ist selten ein Freund.
120 hos natura creat gracia prebet eum
gracia libertas natura coactio quedam est
dum generi quivis heret amore suo
quo pecudes etiam nature lege trauntur
affectus quarum gracia nulla manet
Diese schafft die Natur, ihn gewährt die Gnade.
Gnade, Freiheit, Natur bilden ein Einheit.
Wenn man auch durch seine Liebe an seiner Art hängt,
Wozu auch das Vieh durch das Naturgesetz gezogen wird,
So bleibt deren Gefühlsbewegung durch keine Gnade.
125 turpia ne facias sed vites propter amicum
si cupis ut vere sis preciosus ei
nullum te dominus plus quam te cogit amare
nec te qui de te turpia poscit amat
turpiter excusat noxam quem propter amicum
Wegen Deines Freundes vermeide es, Schändliches zu begehen,
Wenn du wirklich ihm von Wert sein willst.
Doch zwingt der Herr dich nicht, jemand mehr als dich selbst zu lieben.
Wer von dir Schändliches verlangt, liebt dich nicht
Und rechtfertigt nur schäbig wegen eines Freundes das Unrecht, 
130 a se hanc comitti dicere non pudeat
si roget ut facias quisquam quod ledat honestum
metas et legem transit amicicie
exaudire preces inhonesta rogantis amici
est ab amicicie calle referre pedem
Das von ihm begangen, zu behaupten er sich nicht schämt.
Falls dich einer bittet, etwas Ehrrühriges zu tun,
So überschreitet er die Grenzen und das Gesetz der Freundschaft.
Die Bitten des Freundes, der Ehrloses verlangt, zu erhören,
Heißt, den Pfad der Freundschaft zu verlassen.
135 plus tamen ofendit qui cogit ad ista rogando
quam qui concensum dat prece victus ei
propter amiciciam si quid comisero vile
rem turpi pulcram fedo maloque bonam
si non subvenias donec te exoret amicus
Anstößiger jedoch ist der, der durch Bitten dazu zwingt,
Als der, der durch die Bitte überwältigt, diesem die Zustimmung gibt.
Wenn ich aus Freundschaft etwas Wertloses anstelle,
So beschmutze ich Schönes mit Schäbigem und Gutes mit Schlechtem.
Wenn du nicht eher Beistand leistest, als bis dich der Freund bittet,
140 que dare te credis vendere crede magis
non precio parvo est rubor ille rogantis habendus
quo que tu dicis dona coactus emit
debita sunt quam dona magis que dantur amico
nil tantum est quo plus non mereatur amor
Glaube mehr zu verkaufen, was zu geben du glaubst.
Nicht billig ist jene Schamesröte des Bittenden zu haben,
Mit der er unter Zwang kauft, was du Geschenk nennst.
Mehr Geschenke, die man selbst bekommt, schuldet man dem Freund.
Es gibt nichts so Großes, womit nicht mehr die Liebe verdient wird.  
145 alter ego nisi sis non es michi verus amicus
ni michi sis ut ego non eris alter ego
quos in amicicia sua querere lucra videbis
quod dici cupiunt hoc simulare scias
cuius criminibus cito credis non es amicus
Wenn du nicht ein zweites Ich bist, bist Du mir kein wahrer Freund.
Wenn du mir nicht bist wie ich, wirst du kein zweites Ich sein.
Wenn du welche in der Freundschaft ihren Gewinn suchen siehst,
So sollst du wissen, dass sie das nur vortäuschen, was sie genannt werden wollen.
Wessen Anschuldigungen du schnell glaubst, dem bist du nicht Freund.
150 ultimus hinc proprie scit mala quisque domus
non poterit proprios cognoscere dives amicos
an sint fortune scilicet an hominis
pauper in hoc felix errore est liber ab isto
quo sit paupertas cuique ferenda magis
Jeder kennt daher erst als Letzter die Übel des eigenen Hauses.
Es kann nicht der Reiche an den eigenen Freunden erkennen,
Ob sie Freunde des Vermögens oder des Menschen sind.
Glücklich der Arme, der diesbezüglich frei ist von diesem Irrtum,
Je mehr die Armut diesem vorgezogen werden muss.
155 quos in amicicia fortuna secunda tenebat
cum perit hec pereunt quos dabat illa tibi
qui bonus est damnum contempnit propter amicum
sic etenim prodi si sit amicus habet
plus recipit quam dat pro donis quisquis amatur
Welche günstiges Schicksal in der Freundschaft hielt -
Wenn das Glück zugrunde geht, gehen auch die zugrunde, die das Glück dir gab.
Wer gut ist, verachtet den Schaden wegen des Freundes.
So verhält es sich nämlich auch, verraten zu werden, wenn es der Freund sei.
Jeder, der für seine Gaben geliebt wird, empfängt mehr, als er gibt.
160 nam quid amicicia carius esse potest?
maiores grates dono maiore meremur
dando se maius quam sua quisque dabit
anticum retine quem sis expertus amicum
nec similem credas si sapis esse novum
Denn was kann lieber sein als die Freundschaft.
Größeren Dank verdienen wir durch größere Gabe.
Und jeder wird umso Größeres geben, wenn er sich selbst gibt als nur das Seine.
Behalte den, den du als alten Freund erfahren hast
Und halte, wenn du klug bist, den neuen nicht für ähnlich.
165 precipueque tuus sit qui patris extitit ante
ut sis huic etiam carus amore patris
non est qui donis corumpi possit amicus
proditor alterius non tibi fidus erit
quem coruperunt tua munera credere noli
Vornehmlich sei der deine, der schon der Freund des Vaters war,
Damit du diesem auch lieb wegen der Liebe zum Vater seist.
Der, der mit Geschenken bestochen werden kann, ist kein Freund.
Ein Verräter des Nächsten wird auch dir nicht treu sein.
Und glaube nicht dem, den deine Geschenke bestochen haben.
170 alter erit cuius sic quoque dona volet
quos ad concensum traxerunt munera turpem
horum te fidei credere turpe puta
cui male fecisti ne te comiseris illi
pretereunte malo permanet ira mali
Es wird einen anderen geben, dessen Gaben er auch so wollen wird.
Derer, die zu schändlicher Zustimmung Geschenke veranlasst haben,
Treue zu vertrauen, halte für schändlich.
Wem du übel getan hast, dem vertraue dich nicht an.
Wenn auch das Übel vergeht, so bleibt doch der Zorn darüber.
175 sit tibi precipuos servus bonus inter amicos
nec memor in talem conditionis eris
erectum stimulis et verbere comprime servum
in tua ne calcem dirigat ora suum
non homini te sed vicio servire pudebit
Ein guter Diener sei dir unter den bevorzugten Freunden,
Gegenüber einem solchen wirst du nicht an das Verhältnis denken.
Einen überheblichen Diener züchtige mit Stacheln und Schlägen,
Damit er dir nicht ins Gesicht tritt.
Du wirst bereuen, nicht dem Menschen, sondern dem Laster zu dienen.
180 dum sit libera mens nil tibi turpe putes
nolo virum doceas uxoris crimen amate
quod siri pocius quam fieri gravat hunc
oprobriis aurem propriis dat nemo libenter
nec te nec quemquam talia scire volet
Wenn nur der Geist frei ist, so halte nichts für schändlich.
Unterrichte keinen Mann über einen Vergehen der geliebten Frau,
Weil das Wissen darüber mehr als das Geschehen ihn belastet.
Niemand leiht sein Ohr gern der eigenen Schmach.
Und wird es nicht wollen, dass du oder ein irgendein anderer Solches weiß.
185 cuique viro casto coniunx sua casta videtur
semperque incestus suspiciosus erit
nil melius muliere bona nil quam mala peius
omnibus ista bonis prestat et illa malis
nil teneris constat verecundius esse puellis
Jedem keuschen Mann erscheint seine Gattin ebenfalls keusch.
Der Unzüchtige wird immer verdächtig sein.
Es gibt nichts besseres als eine gute Frau, nichts schlechteres als eine böse.
Diese übertrifft alles Gute, jene alles Böse.
Nichts ist bekanntlich mehr zu verehren, als junge Mädchen.
190 hocque carere bono nil ita sicut anus
si non dormierit tecum tristabitur uxor
si contra sompnus turpia multa dabit
incestam ut castam pariter servare caveto
quipe hec non debet sicut et illa nequit
Dieses Gut entbehrt nichts so wie eine alte Frau.
Wenn sie nicht mit dir geschlafen hat, ist die Gattin betrübt.
Falls das Gegenteil der Fall ist, wird der Schlaf viel Schändliches geben.
Du sollst dich davor hüten, eine Unzüchtige wie eine Keusche zu verwahren.
Denn letztere braucht es nicht, so wie erstere es nicht kann.
195 quid facit inceste custodia?
nonne pudicam sic fieri credes que mala non minus est?
virtus quipe animi non corporis esse putanda est
nemo vi bonus est sed malus inde magis
filia si tibi sit custodi pervigil illam
Was nützt es, eine Unkeusche zu bewachen?
Glaubst du nicht, dass so schamhaft wird, welche nicht weniger schlecht ist?
Als Tugend der Seele, nicht des Körpers muss sie eingeschätzt werden.
Durch Gewalt ist niemand gut, vielmehr schlecht.
Wenn du auf die Tochter aufpasst, so hüte sie sehr,
200 ne te perpetuum mittat in oprobrium
cura tibi sit multa domus sed summa sit ista
plus tolerare velis cetera damna domus
odit eum mulier de quo infamatur honesta
fame quippe decus diminui pudet hanc
Damit sie dich nicht in ewige Schande schickt.
Auf das Haus musst du sehr aufpassen, am meisten jedoch auf diese.
Mehr möchtest du die übrigen Schäden des Hauses ertragen.
Die ehrenvolle Frau hasst den, von dem sie in Verruf gebracht wird.
Sie schämt sich freilich, dass die Zier ihres Rufes vermindert wird.
205 que vero fame nequaquam damna veretur
de falso verum crimine crimen agit
quo fuit asperior que postea nubsit amanti
tanto gracior est ipsa futura viro
aspernando virum propria placet ipsa repulsa
Welche jedoch keine Beschädigung ihres Rufes fürchtet,
Betreibt aus falschem Vorwurf ein wahres Vergehen.
Je zurückweisender diejenige ist, die später doch den Liebenden heiratet,
Desto angenehmer ist gerade diese künftig dem Mann.
Indem sie den Mann verschmäht hat, gefällt sie gerade durch ihre Zurückweisung
210 et blandum facit hunc asperitate sui
que se luxurie gratis supponit amica
censetur meretrix que precio gerit hoc
in vicio tamen hoc ardencior illa videtur
que preter sordes suscipit inde nichil
Und sanft macht sie diesen durch ihre Schroffheit.
Welche sich für die Ausschweifung umsonst als Freundin zur Verfügung stellt,
Möge als Dirne gelten, die dies um des Geldes willen macht.
In diesem Laster erscheint jene dennoch brennender als diese,
Die außer Schmutz daraus nichts bezieht.
215 qualiter hanc autem censes debere vocari
que sordes etiam comparat hoc precio?
quecumque est avium species assueta rapinis
quo plus possit in hoc femina forcior est
nec rapit humanas animas ut femina quicquam
Wie aber, meinst du, muss die genannt werden,
Welche um diesen Preis sogar Schmutz bereitet.
Welche auch immer ein Abbild der Raubvögel ist.
Je mehr sie darin vermag, desto stärker ist die Frau.
Nichts raubt die menschlichen Seelen mehr als eine Frau.
220 fortis in hoc hec est quolibet hoste magis
vile nimis scortum sed vilior est sodomita
peior quam meretrix femina vir meretrix
femineus coitus fructum pariendo reportat
polluitur tantum dum sodomita coit
Sie ist darin stärker als jeder beliebige Feind.
Allzu abgeschmackt ist die Hure, doch noch abgeschmackter der Sodomit.
Schlechter noch als ein Freudenmädchen ist der Freudenjunge.
Der Beischlaf mit einer Frau trägt Frucht durch die Zeugung.
Der Sodomit beschmutzt sich nur beim Koitus.
225 obsequio superant meretrix et proditor omnes
qua placeant aliis hec via sola patet
gracior est humilis meretrix quam casta superba
perturbatque domum sepius ista suam
polluit illa domum quam incendit sepius ista
Durch Willfährigkeit übertreffen eine Dirne und ein Verräter alle,
Um anderen zu gefallen, bleibt dieser Weg allein offen.
Willkommener ist die demütige Dirne als die keusche Überhebliche.
Diese bringt ihr Haus öfters durcheinander.
Jene hat das Haus besudelt, das diese umso häufiger in Brand steckt.
230 sorde magis domui flamma nocere potest
mitior est anguis linguose coniugis ira
qui tenet hanc eius non caret angue sinus
deterior longe lingosa est femina scorto
hoc aliquis nullis illa placere potest
Doch die Flamme kann dem Haus mehr als der Schmutz schaden.
Die Schlange ist harmloser als der Zorn des geschwätzigen Weibes.
Wer eine solche hat, dem sitzt die Schlange auf der Brust.
Weitaus schlimmer als eine Hure ist eine geschwätzige Frau;
Diese kann einigen, jene kann keinen gefallen.
235 est linguosa domus incendia maxima coniunx
hac levior flamma quilibet iqnis erit
cum modicum membrum sit lingua est maximus ignis
non tot per gladium quot periere per hanc
prevalet in lingua qui non est fortis in armis
Ein geschwätziges Weib setzt das ganze Haus in Brand,
Jedes Feuer ist harmloser als diese Flamme.
Wenn die Zunge auch ein bescheidenes Glied ist, so ist sie doch das schlimmste Feuer.
Durch das Schwert sind nicht so viele wie durch diese zugrunde gegangen.
Besonders zungenfertig ist, wer nicht stark ist in Waffen.
240 nullus in hac pugna plus meretrice potest
ex hoc precipue distant ignavus et audax
quod factis iste prevalet ille minis
si lingue bellum quam armorum fortius esset
tercites troie maior achille foret
Keiner vermag in diesem Kampf mehr als eine Dirne.
Darin unterscheiden sich vornehmlich der Feige und der Wagemutige,
Dass dieser durch Taten herausragt, jener durch Drohungen.
Wenn der Krieg der Zunge stärker als der der Waffen wäre,
Dann wäre Thersites in Troia stärker als Achill.
245 crescite coniugibus dictum est terramque replete
virginibus celum dicitur ut repleant
plus ratio quam lex plus consuetudine lex sit
singula sunt proprio constituenda gradu
tempore tu iudex legis moderare rigorem
Es ist den Gatten gesagt: Wachset und füllt die Erde,
Den Jungfern ist gesagt, sie sollen den Himmel füllen.
Mehr gelte die Vernunft als das Gesetz; das Gesetz stehe über der Gewohnheit.
Einzelnes sei festzusetzen nach eigenem Grad.
Bist du der Richter, so mildere zeitig die Schärfe des Gesetzes.
250 hoc etenim leges qui statuere volunt
utilitas legis scribende maxima causa est
hinc nichil adversum lege licebit agi
maiori parti ne credas sed meliori
stultorum numerus innumerabilis est
Dies gilt auch für die, die Gesetze errichten wollen.
Der Nutzen des aufzuschreibenden Gesetzes ist die größte Rechtfertigung.
Daher wird nicht Widriges gesetzlich getan werden dürfen.
Glaube nicht der stärkeren, sondern der besseren Partei.
Die Zahl der Dummen ist unzählbar.
255 nullus in exemplum mala ducit sed bona tantum
aut si hoc quis faciat nullus habendus erit
sit tibi dum pugnas cum quo pugnatur ut hostis
si superaveris hunc sit tibi sicut homo
parcere subiectis et debellare superbos
Keiner nimmt Schlechtes zum Vorbild, sondern nur das Gute.
Sollte dies einer tun, so gelte er nichts.
Es sei dir beim Kampf der, mit dem du kämpfst, der Feind.
Doch hast du ihn besiegt, so gelte er dir nur noch als Mensch.
Schone die Unterlegenen und kämpfe nieder die Frechen.
260 hec est in summis gloria summa viris
ut valeas lenire metum propone futurum
id tibi quo gravius nil superesse putes
obiurga iuvenis culpam puerique flagella
exortare senem blandiciisque mone
Dies gilt den höchsten Männern als höchster Ruhm.
Damit du die Kraft hast, die Furcht zu lindern, stelle dir die Zukunft vor.
Glaube, dass dir nichts Schwierigeres noch bleibt.
Die Schuld des Jünglings tadle, die des Knaben züchtige mit Schlägen.
Ermuntere den alten Mann und mahne ihn mit Schmeicheleien.
265 quo plus proficiat tua sit corectio blanda
aspera perversos non capit ymo movet
culpari metuens culpam pretendere temptat
obiecta falcem preveniendo petra
cum te coripiat senior pacienter habeto
Damit er mehr nütze, sei dein Tadel sanft.
Ein harscher Tadel packt die Verkehrten nicht, sondern bringt sie noch mehr voran.
Wer Beschuldigung fürchtet, versucht, die Schuld zu zerstreuen,
Indem er mit der Sichel den entgegengeworfenen Felsen begegnet.
Wenn dich ein Älterer tadelt, nimm es geduldig auf dich,
270 et grates tanquam post data magna refer
non credendus eris si te laudaveris ipse
si tua confessus sis mala credo tibi
cum cuiquam quisquam iam per sua dona placebit
hec ubi cessabunt falsus abibit amor
Und statte Dank ab, wie nach großem Geschenk.
Man glaubt dir nicht, wenn du dich selbst lobst.
Bekennst du dagegen deine Übel, glaube ich dir.
Ebenso wie einer einem anderen schon durch seine Geschenke gefallen wird,
Wird falsche Liebe verschwinden, wenn diese ausbleiben.
275 ne libertatem vendas fuge dona potentum
emptum te credas hec ubi sustuleris
ne servire bonos ad turpia cogat egestas
his natura manus ingeniumque dedit
contenta est modico mediocris vita labore
280 que cum libera sit nil preciosius est
conquiri magno sudore superflua constat
frugalis modici mensa laboris eget
archelai reprobans socrates donana regis
dixit se non his posse referre vicem
285 philosophum puduit donis a divite vinci
quem se gaudebat vincere pauperie
vincere contemptu mundum virtute preire
cautela hec magni regula magna viri
oblatum gratis abraham cur emerit agrum
290 respueritque datum forsitan audierat
multi ne cupidi videantur dona refutant
hacque sibi nomen arte parare student
ne faciat quemquam nova vite secta superbum
communi vita vivere quemque decet
295 ne maiore petas paradisi sede locari
sufficit ut quivis angulus hic tibi sit
nolis ex habitu populi captare favorem
fallere prudentes pellis ovina nequit
que pellis sit ovis que vulpis non latet illos
300 simplicitas vulgi quelibet errat in hoc
nulla viris doctis sentencia cercior ista est
non nos commendant exteriora deo
ex habitu non sanctus eris potes esse superbus
est nimis hec summis res odiosa viris
305 ypocrite miseram super omnia censeo vitam
dupliciter miserum gloria vana facit
corpus in hac vita crucians animamque futura
hoc precio laudem quisquis emit - sua sit!
qui fugit ypocrite nomen pecando patenter
310 dupliciter reus est qui docet hoc et agit
qmnes ad senium cupimus producere vitam
cum pigeat dici quemque vel esse senem
nemo senex adeo quin vivere posse per annum
se confidat adhuc fallitur omnis in hoc
315 nullus enim est qui non aliquo moriatur in anno
quem tamen et vite deputat ipse sue
tanto tempora sunt vite breviora future
quanto preterite longa fuere magis
dum cupis ut mestis succedant tempora leta
320 quo tua sit brevior vita futura cupis
ad cenium nemo est qui non pertingere querat
cum labor in senio penaque maxima sit
ad requiem sanctos constat pertingere morte
cum tamen ad mortem nemo venire velit
325 si sit amica senex donis conducat amicum
supleat ex donis quod caret ex facie
summa petit livor perflant altissima venti
crebrius et montes fulgura percuciunt
cercius indicium nullum virtutis habetur
330 quam quod sola patet morsibus invidie
nullus ea dignus miser est nullusque beatus
his minus est quorum vicera livor edit
quo magis invidia depressa est vita bonorum
tanto post mortem gloria maior erit
335 quem timuit vivum defunctum plangit iniquus
ut nec laus magnis desit ab hoste viris
laudantur cum laus illis non proderit ulla
et cum iam pariter nulla nocere queant
factis quisque suis non dictis glorificatur
340 alterius pocius quam tua laus tibi sit
artificem commendat opus non propria lingua
sola loquatur in hoc ore tacente manus
maxima sobrietas - tam virtus quam medicina -
cor simul et corpus conferat incolume
345 si victus parcus si sompnus sit mediocris
incolumis fuerit longuaque vita tibi
hiis nimis indulgens piger efficieris inhersque
et te porcino vivere more ferent
que natura petit facili sudore parantur
350 conquisita gravi queque superflua sunt
bella gerant iuvenes seniores consilientur
hos quid agant illi constituisse decet
si sine consilio tibi successisse videbis
gracia fortune sit sine laude tua
355 si post consilium non sint tibi facta benigna
non hinc culpandus sed miserandus eris
ne voveas maiora deo quam solvere possis
set tua sint factis vota minora tuis
que voveas discerne prius multumque diuque
360 consilium tarde post tua vota venit
omne minus votum solui maiore licebit
et cambire bonum pro meliore iuvat
tot fidei sectis mundus divisus habetur
ut que sit vite semita vix pateat
365 quod tot habet fidei contraria docmata mundus
quisque facit generis traditione sui
denique nullus in his rationem consulere audet
dum quacumque sibi vivere pace cupit
contempnendo deum pecat solummodo quisque
370 non est contemptor qui nescit quid sit agendum
III 104 que differt illum conciliare sibi
III 105 suppremus furor est offendere cuncta potentem
III 106 quod qui presumit nescio quid metuat
te pecata magis quam tu pecata relinquunt
si cum non possis ledere peniteas
nec nisi contemptus hunc facit esse reum
Ein Gottesverächter ist jedoch ist nicht, wer nicht weiß, was zu tun ist,
III 104 Wie wichtig es ist, jenen für sich zu gewinnen.
III 105 Die größte Verblendung besteht darin, den Allmächtigen zu beleidigen.
III 106 Wer sich dies vornimmt - ich weiß nicht, was er noch fürchtet soll.
Die Sünden lassen mehr dich, als du die Sünden zurück,
Wenn du nur bereust, weil du nicht verletzen kannst.
Nichts außer der Verachtung machen diesen zum Angeklagten.
375 sunt quos oblectant adeo pecata peracta
ut numquam vere peniteant super his
ymmo voluptatis dulcedo tanta sit huius
ne gravet ulla satisfacio propter eam
est nostre super hoc Eloyse crebra querela
Es gibt Menschen, die die Sünden von einst so sehr noch Freude machen,
Dass sie niemals darüber echte Reue empfinden.
Ganz im Gegenteil, die Süße dieser Lust sei so groß,
Keine Buße solle deretwegen von Last sein.
Unsere Heloïsa führt darüber häufige Klagen.
380 qua michi qua secum dicere sepe solet
si nisi peniteat me comississe priora
salvari nequeam spes michi nulla manet
dulcia sunt adeo comissi gaudia nostri
ut memorata iuvent que placuere nimis
Wiederholt klagt sie darüber zu mir, zu sich selbst:
Sollte ich nur durch Reue über meine früheren Sünden
Rettung erfahren, so bliebe mir keinerlei Hoffnung.
So süß sind die Freuden über das, was wir begangen haben,
Dass auch die Erinnerung an das, was uns all zu sehr gefallen hat, noch Freude macht.
385 qui dicit verum non hoc dicendo laborat
fingere falsa prius nititur inde loqui
mendaces faciunt ne credam vera loquenti
et multis iustis perfidus unus obest
vi numquam iurat numquam periurus habetur
390 vir bonus a licitis providet illicitis
securus quia pauper erat vivebat amicias
eligit hoc sapiens vivere quisque modo
securus divesque simul frustra esse laboras
opposito iungi non licet opositum
395 non leve corrigitur qui se delinquere nescit
plaga tamen minor est sed medicina gravis
quid cui des videas ubi quando quomodo quare
ni grates pariter donaque perdere vis
quisquis in hoc quod agit curat vitare reatum
400 nequaquam reus hinc constituendus erit
largus quisque datis acceptis gaudet avarus
nec si peniteat post data largus erit
gaudet cum dederit largus tristatur avarus
rapta tamen cupido quam data credo magis
405 qui sua dat largo non dat sed fenerat illi
semina pauca iacit commoda multa metit
ydropico similis nemo est ut dives avarus
ex lucro lucri multiplicando sitim
divicias inopi vita conquirit avarus
410 quas male congregat is utitur alter eis
vix sua pauperibus moriens largitur avarus
ad manes properans hec quasi ferre velit
unde queat naulum Stigio persolvere naute
quem sibi precipue non putat esse pium
415 quisquis plus retinet quam vite postulat usus
admovet ad iugulum pauperis ipse manus
qui leviter spendet non multum solvere curat
vir verax minus hoc sed magis illud agit
quod non precedit promissio gratia donum est
420 cum promiseris hoc debitor eficeris
amitendorum timor omnem torquet avarum
quorum nil prorsus proficit usus ei
perdere formidat que nil sibi prosit habere
ymmo que multum perdere proficiat
425 ex hominis vicio ne culpes illius artem
est homo sepe malus qui bonus est opifex
frigore bruma pigrum crucians estasque calore
cogunt mendicum vivere semper eum
cumque pigrum vexaret hiemps tectoque careret
430 ver inquid veniet tuncque parabo domum
ver venit dixitque piger non esse necesse
temperie tanta temporis esse domum
se piger excusans presencia tempora culpat
tamquam sit vicium temporis hoc quod eget
435 velocem quemcumque pigrum facit esca parata
tunc si miseris hunc desinit esse piger
asserit ignavus bona tempora preteriisse
et vicium fatis imputat ipse suum
mulcet adulator stultum detractor inicum
440 auris confestim sancta repellit eos
divitis est rerum numerum nescire suarum
pauperis aut nullus compotus aut brevis est
iussa potestatis terrene discucienda
celestis tibi mox perficienda scias
 
Typisch für einen Reichen ist es, die Zahl seiner Dinge nicht zu kennen.
Der Arme hat entweder keinen oder nur kurzen Genuss.
Wisse, die Befehle der irdischen Macht zu erörtern,
Die der himmlischen jedoch alsbald zu erfüllen.
445 si quis divinis iubeat contraria iussis
te contra dominum pactio nulla trahat
miror si mulier privignum diligat ulla
ni quo fedra modo fertur amasse suum
quem natura suos non cogit amare parentes
Und wenn dir einer etwas den himmlischen Befehlen zuwider befiehlt,
So soll dich keine Übereinkunft in Gegensatz zu Gott bringen.
Ein Wunder, wenn eine Frau ihren Stiefsohn je lieben sollte,
Wo nicht einmal Phaedra den ihren geliebt haben soll.
Wen die Natur nicht zwingt, seine eigenen Eltern zu lieben,
450 conciliare tibi gracia nulla potest
qui patri malus est nuli bonus esse putetur
nolo roges pro quo non rogat ipse parens
est velox vindicta dei maledictio patrum
nemo nisi demens hanc tolerare potest
Den kann dir keine Gnade versöhnen.
Wer zum Vater böse ist, kann meiner Ansicht nach keinem gut sein.
Bitte nicht für einen, für den nicht seine eigenen Eltern bitten.
Die Verfluchung des Vaters bringt die schnelle Strafe Gottes.
Nur ein Wahnsinniger kann diese ertragen.
455 cum gravius peccet qui se peccasse fatetur
ad veniam tamen hic pronior esse solet
ipse sui iudex acusatorque malorum
quo magis est pavidus tucior esse studet
quos alios dampnare vides seseque beare
460 hos fuge si cupias apropiare deo
non est Christus in his phariseus doctor eorum
iudicio simili quos patet esse reos
si de principiis presumtio gaudet eorum
exitus incertus sollicitet magis hos
465 quos populus laudat quos vulgi sublevat aura
miror si placeant his simul atque deo
hoc puto tuque putes inter miracula summum
si quemquam videas hec retinere simul
non se homini Paulus credit Christoque placere
470 maiorem Paulo nolo putes aliquem
luxurie nimis est mulieri grata voluptas
si plus quam fratrem diligat illa virum
si sua quam mater cuiquam sit carior uxor
constat naturam cedere luxurie
Glaube nicht, dass einer größer als Paulus sei.
Einer ausschweifenden Frau ist die Lust allzu willkommen,
Wenn jene den Mann mehr als ihren Bruder liebt.
Wenn einem seine Frau lieber ist als die Mutter,
Weicht bekanntlich die Natur dem Lotterleben.
475 ne superinducta crucies uxore parentes
hos sepeli primo si superesse queas
de propria gaude non de virtute tuorum
nil precii confert laus aliena tibi
laus vetus obruitur nisi laus nova fulciat illam
Quäle nicht die Eltern, indem du die Gattin über sie stellst,
Und bestatte sie als erstes, wenn du sie überleben kannst.
Freude dich über die eigene Tugend und nicht über die der Deinen.
Keinen Lohn bringt dir fremdes Lob.
Alter Ruhm stürzt ein, wenn ihn nicht neuer stützt.
480 spectandusque magis finis in omnibus est
omnia fert sapiens sua secum Seneca dixit
et se contentus sufficit ipse sibi
nemo suis ea connumeret que perdere possit
cum fortuna perit propria cuique manent
485 quem vir amat famulum miror si diligit uxor
semper in insidiis hunc timet esse sibi
proximus est melior vicinus fratre remoto
et iuncus prato sic erit utilior
ira potentis erit quasi fulguris ictus habenda
490 sicut hic est sic est illa cavenda tibi
qui prodesse sibi proprio medicamine nescit
languor eum frustra postulat alterius
et quoniam stultos imflare superbia novit
semper ab hac caveas obsecro peste tibi
495 vivere sic studeas ut de te nemo queratur
si prodesse nequis hoc age ne noceas
ut quod vis nequeas quod possis velle docebit
si cupis effectum velle tenere tuum
bella cave sensuque tuo plus utere quam vi
500 utere fortuna sed ratione magis
a domino commissa tibi bona cuncta memento
auferet ingrato cum volet ipse tibi
nam te quando volet vel quomodo perdere fas est
muneris illius est et quod es et quod habes
505 vestibus ornatos alienis sepe videmus
et sua mentiri que minime sua sunt
sic divina sibi tribuit bona quisque superbus
et domini que sunt in sua iura rapit
talis erat cornix alienis splendida plummis
510 quas mentita suas in sua probra tulit
multiplici surgit stipata superbia prole
et multis radix pullulat hec viciis
cor miserum livor detractio possidet ora
dum non maiorem ferre paremve potest
515 tutus adulator declinat ad illius edes
ut de figmentis comoda multa ferat
que cum detulerit tunc verax incipit esse
stulticie preco maximus ille tue
in sua fit preceps discrimina quisque superbus
520 et se posse putat qualiacumque velit
turgidus in verbis factis temerarius omnes
urget et in iugulum provocat ipse suum
consilium spernit modus illi crimen habetur
vim vocat in cunctis secus in omnibus est
525 intolerabilius nichil est quam vita superbi
cunctaque transcendit sordida luxuria
viribus hec corpus mentem virtutibus haurit
ingenium sensu nullaque munda sinit
summa dei bonitas disponens omnia recte
Nichts ist unerträglicher als das Leben eines Stolzen,
Schmutzige Ausschweifung übertrifft alles!
Diese saugt dem Körper die Kräfte, dem Verstand die Vorzüge aus,
Und dem Geist das Gefühl und hinterlässt nichts Sauberes.
Die höchste Güte Gottes verteilt alles richtig,
530 que bona que mala sunt ordinat ipsa bene
hinc nec in adversis iusto solatia desunt
ut mala sint etiam cum sciat esse bonum
credit inhumanam mentem sapientibus esse
qui nichil illorum corda dolere putat
Was gut, was schlecht ist, ordnet er selbst wohl.
Von daher fehlt auch im Unglück dem Gerechten der Trost nicht,
Wie schlimm es auch sein mag, wenn er gut zu sein weiß.
Es unterstellt den Weisen einen unmenschlichen Verstand,
Wer meint, dass deren Herzen keinen Schmerz empfinden.
535 ferrea non adeo virtutis duraque mens est
ut pietas horum viscera nulla sciat
qualiacumque velis da fercula religiosis
dummodo vina neges summa fomenta mali
sicut amat sapiens hominem qui corrigit ipsum
Es zeugt eine eisenharte Gesinnung nicht so sehr von Tugend,
Damit deren Frömmigkeit kein Fleisch kennt,
Gib den Frommen an Speisen, was immer du willst.
Solange du nur Wein als höchstes Linderungsmittel des Bösen verabscheust.
540 sic odit qui se corripit insipiens
quid prodesse potest possessa pecunia stulto
mercari sensum si nequit inde sibi?
turpia ne facias plus te constringat honestas
et virtutis amor quam timor exagitet
545 denique peccati confessio que tibi restat
quod pudor est dici non paciatur agi
ne quis consilio mulieris tradat habenas
a primo cunctis sunt documenta viro
ne te blandiciis seducere dalida possit
550 que tecum dormit sit tibi cura vigil
non est vicino tutum dormire colubro
anguem transcendit femina nequicia
nequicia similem serpens sibi credidit Evam
et cito persuase credere nequicie
555 hinc prius hanc agressa virum temptavit in illa
facta per hanc omnis causa capudque mali
vivit in occulto vir honestus ut in manifeste
nusquam deprendi se bona vita timet
occasum sapiens stultus considerat ortum
560 finis quippe rei cantica laudis habet
liberat a pena misermm qui interficit ipsum
si pena penitus vita futura vacat
est igitur pietas misere non parcere vite
si post hanc vitam nulla sequatur eam
565 qui venit ad causam tarde difidit ab illa
accelerat causam qui bene fidit ei
consilio longo cause pars altera ducta
non minimum prave suspicionis habet
orator bonus atque pugil fiducia prava est
570 quo maior fraus est amplius optat eos
vir bonus in domino comfidit pravus in istis
sed cunctis unus prestat in auxilio
ne dubites illam proprie diffidere forme
que cavet aspectum compta prius nisi sit
575 non curat mulier naturam casta iuvare
nec studet ut fallat per bona ficta viros
luxuriam simul atque virum sepelit bona coniunx
mutatoque pari nescit inire iugum
qui non dat quod amat non accipit ipse quod optat
Eine keusche Frau versucht nicht, der Natur nachzuhelfen,
Noch trachtet sie danach, durch vorgetäuschte Vorzüge die Männer zu täuschen.
Eine gute Gattin bestattet die Wollust gleichzeitig mit dem Gatten.
 
580 ut tua cara tibi sic mea cara michi
vilia pro caris recipi non convenit equo
nec comercia sunt talia iusticie
ut largus larguo sic sis et avarus avaro
qualis hic est aliis sis quoque talis ei
585 subiectis prodesse magis quam preesse memento
nominis est aliter gloria vana tui
si nequeas caste ne spernas vivere caute
in populo vita plus tibi fama valet
quo plus divinos oculos offendere vitas
590 plus studes ut recte vivas ubique deo
id iusto pudor est hominum complere timore
ad quod non fuerit tractus amore dei
stulticie summe est dimittere premia magna
atque his dimissis velle minora sequi
595 vim metuit sapiens stultus confidit in illa
audiri cupit hic ille ferire parat
infirmis legem positam non esse fatemur
nec tolerat pondus sanus et eger idem
te tua non alium culpe confessio culpet
600 non aliter venia dignus es ante deum
nec tua demoniis ascribere crimina temptes
quo se excusare credidit Eva modo
terrenus iudex confessum crimina punit
quem venia dignum iudicat esse deus
605 non minimum peccat qui regis provocat iram
vitanda hec magis est quo magis ipsa nocet
ne cito peccantem feriat scentencia regis
cuius non paucos ira ferire potest
ne dominum temptes ab eo miracula poscens
610 per que vulgari magnus in ore sones
parvus in ore dei fueris si magnus in illo
multum laus hominum dissonat atque dei
finitime viciis virtutes fallere norunt
sepeque cum non sint esse putamus eas
615 cum bene quis moritur persolvit debita cuncta
nil quod agat superest plus nichil exigitur
ne moriens aliis tua distribuenda relinquas
nullus erit quam tu plus tibi propicius
nemo tuos melius tua dispensabit in usus
620 da tua dum tua sunt vel data non data sunt
hec do si moriar qui dicit nil tibi donat
mortuus autem qui nil habet unde dabit?
hec igitur nullus data censeat ymmo relicta
que quantum potuit strinxit avara manus
625 sed neque talia sunt proprie dicenda relicta
que vis extorsit mortis avaricie
quem domino placuit servorum absolvere gratis
si sit is ingratus gracia non maneat
sed neque sit patris qui patrem iniuriat heres
630 lege pari matri par sit habendus honor
contra consilium si nubat virgo parentum
horum non debet participare bonis
si membro servum domini violencia privet
ius in eo nullum possidet ulterius
635 ancille proprie si se coniunxerit ullus
carnis eam tactu liberal ipse sue
philosophis populloque fides numquam fuit una
huic semper sensus pro ratione fuit
nil nisi corporeum nisi sencile mens capit eius
640 tale quid et summum cogitat esse deum
quem nisi cum membris audire videreque nescit
nec quid agat novit si manus absit ei
ipse quidem totus manus est oculusque vel auris
ex se cuncta potest qui creat omnibus hec
645 cumque sit absque loco sic nusquam est ut sit ubique
et quidam cunctis sit locus ipse locis
nusquam conclusus sed more potentis ubique est
in quo subsistunt omnia ne pereant
quisquis non fuerit paciens parendo iubenti
 
 
 
 
Und wer nicht die Geduld aufgebracht hat, dem Befehlenden zu gehorchen,
650 imperio nulli preficiendus erit
armiger esse prius quam miles debuit omnis
quidque ageret doctor discere discipulus
si quando dare quid cuiquam contingat avarum
hoc quia non didicit nescit habere modum
Der sollte kein Kommando führen.
Eher Waffenträger als Soldat sollte ein jeder sein.
Der Schüler sollte lernen, was er als Gelehrter tun wolle.
Wenn es einem Geizhals einmal gelingt, einem etwas zu geben,
So weiß er dennoch nicht, dass es sich gehört, weil er es nicht gelernt hat.
655 religio iuvenis levis est impulsio mentis
et tamquam torrens impetuosus aque
quo vehemencior est citius sicabitur iste
excedensque modum deperit ille cito
Dedalus ad patriam mediocri calle redivit
Die Religion des Jungen ist nur ein leichter geistiger Antrieb,
Und wie ein ungestümer Sturzbach,
Der, je heftiger er ist, umso leichter austrocknet.
Übersteigt er das Maß, so lässt er schnell wieder nach.
Daedalus flog auf mittlerem Pfad in die Heimat zurück.
660 Ycarus alta petens lapsus ad ima ruit
ieiunando modum superans superabit edendo
quique nimis vigilat dormiet ipse nimis
victa cito cedet fragilis substancia nostra
qualibet excedat religione modum
Ikarus wollte hoch hinaus und stürzte in die Tiefe.
Wer im Fasten das Maß übersteigt, übersteigt es auch beim Essen,
Wer zuviel wach ist, wird unmäßig schlafen.
Überwältigt wird unsere gebrechliche Substanz nachgeben,
Wenn sie durch beliebige Frömmigkeit das Maß übersteigt.
665 nec catus poterit servari pelle nitente
nec mulier cultus si preciosus erit
magna dei reprobis cum non iracitur ira est
quos sinit ad penam multiplicare dies
qui nuptum tradunt studeant hornare puellas
Kein Hund kann immer in glänzendem Fell behalten werden,
Auch nicht das Weib, wenn ihr Schmuck noch so wertvoll ist.
Wenn man den Schlechten nicht zürnt, so ist der Zorn Gottes groß.
Ihnen vervielfältigt er zur Strafe die Tage.
Wer versucht, die Mädchen zu verheiraten, wird sie schmücken.
670 hornatu sapiens vir cito privat eam
de quo culpasti mulierem cogis amare
et verum falso crimine sepe struis
incestam ut castam frustra servare laboras
non potes hanc illam non opus esse scias
Doch schnell entledigt sie der weise Ehemann ihres Schmucks.
Du zwingst die Frau, zu lieben, weswegen du sie beschuldigt hast.
Und du rüstest oft die Wahrheit durch einen falschen Vorwurf aus.
Vergeblich mühst du dich, die Unzüchtige wie eine Keusche zu bewahren.
Wisse, dass du es bei dieser nicht kannst, wie du es bei jener nicht brauchst.
675 plus famam quam res amittere vitat honestas
et nomen prefert omnibus ipsa bonum
ne sis natarum sic cecus amore tuarum
ut non corrumpi posse rearis eas
quam cito fas sit eas festina tradere nuptum
Anständigkeit meidet mehr den Ruf, als die Sachen zu verlieren,
Und dieselbe zieht einen guten Namen Allem vor.
Sei nicht so blind durch die Liebe zu deinen Töchtern,
So dass du ausschließest, dass sie verdorben werden können.
Beeile dich, sie - so schnell es rechtens ist - zu verheiraten.
680 vilesit mulier suspicione cito
quanto plus fragilis muliebris sexus habetur
tanto eius virtus preminet in meritis
si cui post lapsum carnis retinenda sit uxor
nesciat oprobrium vitet ut ipse suum
Schnell wird ein Weib wertlos durch den Verdacht.
Für je gebrechlicher das weibliche Geschlecht gehalten wird,
Desto mehr ragt seine Tugend in den Verdiensten hervor.
Wenn einem nach einem Fehltritt auch die Gattin bleibt,
So weiß er dennoch nicht, wie er selbst seiner Schande entgeht.
685 aut abici decet hanc aut turpia discimulare
callidus hoc curat vir bonus illud agit
quam iactura mali iactancia peior habetur
et gravior leso cuilibet esse solet
in quam dum moreris regionem cogeris ire
Entweder muss diese verlassen werden, oder er muss das Schändliche verheimlichen.
Der Schlaue macht dies, ein guter Mann jedoch Ersteres.
Für schlechter als der Schaden selbst wird die Prahlerei über das Böse gehalten,
Diese pflegt schlimmer als die Verletzung zu sein.
Du bist gezwungen, in diese Gegend zu gehen, wenn du stirbst.
690 mens tua dum vivis cogitet assidue
quis status illius qualis sit mancio vite
cui tam difficilem mors parat introitum
in qua si gravius contingat vivere nobis
sorte nichil nostra censeo deterius
Dein Verstand, solange du lebst, denke fleißig.
Welcher der Zustand dessen, welches die Bleibe des Lebens sei,
Dem der Tod einen so schwierigen Eintritt bereitet.
Je schwerer es uns gelingt, zu leben -
Nichts halte ich für schlimmer als unser Schicksal.
695 accensas mollis responsio mitigat iras
auget eas pocius dura creatque novas
in verbis pavidus semper letare fuisse
in factis audax sis aliquando decet
nil magis offendit quam pravus sermo potentem
Eine sanfte Antwort besänftigt die erhitzten Gemüter,
Eine harte vermehrt sie eher und verschafft neue.
Freue dich darüber, in Worten immer zaghaft gewesen zu sein,
In den Taten sei gebührend mutig.
Nichts beleidigt den Mächtigen mehr als eine schlechte Rede.
700 plus probra liber homo quam sua dampna timet
ut pecudes quo vult trahit impetuosa voluptas
sic homines agitat luxuriosus amor
luxurie stimulus supremus et intimus hostis
civili bello nos grave persequitur
Mehr fürchtet ein freier Mensch die Schmach als seinen Schaden.
Wie der ungestüme Trieb das Vieh treibt, wohin es will,
So treibt die Menschen die ausschweifende Liebe.
Der Anreiz zur Wollust ist unser höchster und innerster Feind,
Schwer sucht er uns heim durch inneren Krieg.
705 uxorem racione sua vir debet amare
ut non ad coitum sicut adultera sit
si post conceptum pecudum saciata libido
ferre marem nolit quid mulier quid agat?
an se luxurie solam putet esse creatam
Seine Gattin aber muss jeder Mann aus der Vernunft heraus lieben,
Und nicht wegen des Beischlafs, wie bei einer Liebhaberin.
Wenn die nach Art des Viehs gesättigte Lust
Den Mann nicht tragen will, was ist mit der Frau, was tut sie?
Wird sie meinen, dass sie allein zur Ausschweifung geschaffen sei?
710 ad coitus fructum cetera nata feret?
cui malus assistit vicinus dampna propinquant
et cum dampna vacant mens sine pace manet
iudex et medicus tibi consilientur amore
si possis omnes precipue tamen hii
Wird sie zur Frucht des Beischlafes alles andere Geborene tragen?
Wem ein schlechter Nachbar beisteht, dem naht der Schaden.
Auch wenn der Schaden ausbleibt, so bleibt doch der Verstand ohne Frieden.
Der Richter und der Arzt sollen dir aus Liebe beistehen -
Wenn möglich, alle, vornehmlich jedoch diese.
715 ne temptare deum fili presumpseris unquam
nitere quo possis ut merearis opem
infames fugiat tua conversatio semper
et socio gaude te meliore frui
est melius socium quam cognatum esse bonorum
Nimm dir nicht vor, mein Sohn, jemals Gott zu versuchen,
Achte, so gut du kannst, darauf, seine Hilfe zu verdienen.
Dein Gespräch meide immer die Ruchlosen,
Und freue dich darüber, wenn du besseren Umgang genießest.
Es ist besser, ein Gefährte, als ein Verwandter der Guten zu sein,
720 hinc etenim virtus eminet inde genus
quorumvis hominum similes consorcia formant
cum quo vivendum sit tibi perspicito
displicuisse bonis non est infamia parva
nec placuisse malis suspicione caret
Denn auf die erste Weise ragt die Tugend, auf die zweite die Herkunft hervor.
Wer auch immer unter den Menschen sich ähnlich ist, bildet Gemeinschaften.
Verschaffe dir Durchblick, mit wem du leben willst.
Den Guten missfallen zu haben, ist keine geringe Schmach.
Den Schlechten gefallen zu haben, ist nicht frei von Verdacht.
725 quaque die quo proficias tua cura revolvat
ut quo longior est vita sit et melior
nec prius excipiat te sompnus nocte sequente
quam te precedens lux vigilasse sciat
cuiuscumque rei levis est oblivio nobis
730 momenti nobis nullius illa fuit
inmemori servo sua vix oblivio prosit
cum sine contemptu vix ea contigerit
quas multi multo conquirunt tempore docti
stultus eas modico dissipat unus opes
735 egregius pauper contemptu diviciarum
stulticia tali dedecorosus erit
scripture ignarus princeps qui sustinet esse
cogitur archanum pandere sepe suum
qui faciunt quantum est illis concessa potestas
740 ad meritum nichil est quod superesse queat
nil superest culpe cum cessat prava voluntas
hec etenim sola est que facit esse reum
nulla bonos faciunt eque comunia pravis
que nichil ad meritum nos habuisse refert
745 cum natura bonum cuiquam te impendere cogit
id meritis noli conumerare tuis
quod pecudes eque faciunt racione carentes
non his te prefert sed magis equat eis
nature sua iura tamen persolvere debes
750 sed finem in cunctis constituendo deum
quicquid ab hoc umquam divisum fine videbis
disiunctum a meritis penitus esse scias
esse datam nobis racionem constat in isto
ne meritorum expers vivere posset homo
755 quidquid agis quia vis etiam si iussus obedis
quod facis hoc quod vis id tua lucra putes
libera mens ita provideat que sunt facienda
ne quid servorum more coacta gerat
pauperis auditor domini sibi preparat aures
760 propiciumque deum qui miseretur habet
cum tua pauperibus largiris non data dicas
namque datis dominus premia magna dabit
cum reficit tua mensa deum convivaque Christus
est tuus hac mensa dicior esse nequid
765 pauca deo reddes que merces multa sequetur
multum homini cui sit gracia nulla dabit
exmendare bonum est melius peccata cavere
victus ab hoste semel iam minus obstat ei
plagaque non nullo curanda dolore cavenda est
770 precipue que nil utilitatis habet
si moveat quemquam reprehenssum crimen ad iram
ipse sibi super hoc testis habendus erit
tormentum cunctis est uxor adultera maius
mors ista minor est passio cuique bono
775 tartarea non est vindicta iustior ulla
cum magis iniustus iudice nemo sit hoc
quo magis istius careo dulcedine vite
constat eo quia sit finis amara minus
qua te cumque die bona non fessisse videbis
780 non erit hec vite conumeranda tue
consilio saltem gentili plangere disce
amisisse diem quam reparare stude
ut credat quod tu nullum vi cogere tempta
sola quippe potest huc racione trahi
785 extorquere potes fidei mendacia frustra
ipsa fides non vi set racione venit
mentiri natura nequid firmissima semper
coniectura fuit quam dedit iste locus
expensas moderare tuas ut res tua poscit
790 ne fore maiores quam tua lucra feras
iudiciis adsis causis assiste docendus
presidio multis hinc eris atque tibi
dampna timet pauper contemptum nobilis horret
quod plus quemque gravat vindicat ipse magis
795 est in peccatis mala consolatio quedam
si maiora tuis crimina respicias
magni te reputas si quos precellere possis
cum minor hinc fueris quo tibi maior eris
nemo stupet sapiens de prosperitate malorum
800 aut cum hic afligi conspicit ipse bonos
seit sibi non aliis qui nescit scita docere
tamquam nil scierit talis habendus erit
non sibi qui bonus est sed cunctis vivere querit
pro nichilo ducens ut sibi sufficiat
805 cum minus accipiat lucri plus Marta laborat
ut merito soror hanc torqueat invidia
fertilitas parcum largum te agnoscat egestas
ut fiat donis gracia multa tuis
qui celebrant epulis sacra natalicia largis
810 non ea sic sanctos promeruisse sciant
speratur super his anime retribucio frustra
cum caro mercedem tam cito ferre cupit
cum multis non possit emi sapiencia nummis
quid prodest horum copia stulte tibi?
815 gentilis ritus simulacra fidelis aborret
in falso verum ne colat ipse deum
quod magis a sanctis est gentibus improperatum
auferri summo convenit hoc studio
numquid amare potest ut Iupiter ydola Christus
820 aut sculpi ut Vesta nostra Maria volet?
pluris sit morum tibi quam doctrina librorum
factaque sint verbis anteferenda tibi
hec te prudentem monstrabunt illa loquentem
et ratio cuivis preminet eloquio
825 si taceat stultus sapiens reputabitur esse
nil sic ut sermo prodere corda valet
luxurie finem saltem natura datura est
nullus avaricie terminus esse potest
ignis hic extingui poterit sitis illa manebit
830 turpius hoc illud peius habeto malum
ve cui luxurie viteque est terminus idem!
nempe maritatos exitus iste manet
falsa figurari non est mirabile falsis
ut falsum hornari qualibet arte queat
835 non eget hornatu quem nullo constat egere
nec manus artificis hunc decorare potest
ymmo pudet talem credi qualem indicat illum
res insencibilis membraque falsa gerens
quem mus non metuit contingere nec reveretur
840 tamquam nil sensus his hic inesse sciat
nil reputat membrum quod membri non habet usum
nil sine re formam iudicat esse rei
hanc solam veneratur homo quam fecit et ipse
in tali forma crede manere deum
845 cum quidam casu dicant contingere cuncta
cuncta tamen constat dispossuisse deum
si qua neges ex arbitrio contingere nostro
arbitrio fuerit liberiore dei
nil igitur temere fieri temere reputabis
850 cum prestet cunctis summa dei ratio
quidquid contigerit iusti non provocat iram
disponente deo seit bene cuncta geri
non est perfectus quisquis meditatur in illo
quod minime dubitat dispossuisse deum
855 fortuitu qui cuncta geri tantummodo credit
non miror casus cum male fert aliquos
iustus pressura se consolatur in omni
qui meditatur et hanc disposuisse deum
multi ne cupidi videantur dona refutant
860 plus quam res laudem gloria vana cupit
sunt qui oblata sibi nonnumquam dona repellunt
ut magis hinc cari sepius illa ferant
escam piscator modicam componit in amo
ut magnum piscem sublevet inde sibi
865 sic capit astutus de parvo munere magnum
et pauca impendens plurima ferre solet
sunt qui lucrantur multum modicumque laborant
econtra multis novimus accidere
planiciem quemcumque sequi decet expositorem
870 quantumcumque rudis senno sit eius in hoc
quilibet ergo labor nichil est si gracia desit
et nil defuerit dummodo presto sit hec
ne dicas miserum ne dicas esse beatum
cui male succedi vel bene videris hic
875 altera spectanda est regio que iudicet ista
ad quam non in qua conditus est sapiens
purgari decet hic qui sunt ibi suscipiendi
ut fornax auri vita sit ista bonis
hic igitur nostrum fornax examinat aurum
880 quod qui non tolerat non ibi purus erit
nec nisi purus eo poterit pertingere quisquam
fornax hec igitur est sicienda bonis
ira dei magna est cum delinquentibus ipse
irasci differt hos tolerando diu
885 quo se mollius hic studet unusquisque fovere
ad penam tenerum se magis ipse parat
corrigias corio largas facit ex alieno
qui cum distribuat plurima plura rapit
proximus exibeat quanti deus ipse tibi sit
890 cercior hoc nullus testis amoris erit
hoc hornat templum pietas hanc excollit aram
huic pia vota facit factaque solvit ei
nolo manufactis operam te impendere multam
res ubi non ipsa est ymmo figura rei
895 cui benefecisti ne credas laudibus eius
cuilibet hoc faciet qui facit illud ei
quisquis se laudat multum sibi detrahit ipse
laudet se factis ore tacente suo
quando rogas dominum ne mente vageris ab illo
900 ut verbis illi sis prope corde procul
sed pariter vocem quo dirigis erige mentem
ut magis affectus quam sonus oret eum
cum domino loquimur quando hunc orando vacamus
nobiscum facit hunc lectio sacra loqui
905 lectio sacra nimis sed plus collacio prodest
hec monet ut queras quod petis illa docet
discipulus sapiens est gloria summa magistri
istius laus est illius utilitas
plus ab eo doctor summit quam prebeat illi
910 ut conducendus sit magis hic ab eo
notius est semper vicium virtusque potentis
quo magis eminet hic sunt sua nota magis
quo minus hic penam didicerunt ferre potentes
hoc magis ymminet hiis ultima pena gravis
915 nemo per exemplum sic proderit atque nocebit
hoc melior cunctis deteriorque modo
ut te alii laudent alios laudando mereris
laudari cupiens vituperare cave
vituperare cavens vitabis vituperari
920 est dignus meritum sumere quisque suum
multa Theobaldus largitur religiosis
sed si plura rapit sunt data rapta magis
ut Salomon meminit pertusus saculus eius
de quo produxit tanta fefellit eum
925 convenit hoc magis ut rapiat nichil atque nichil det
quam perdat grates et sua dona simul
multa deo dives quia multum possidet ofert
et velut ex vomitu quod superest reicit
multa dat et dampni nil sentit copia multa
930 censum non animum cogitat insipiens
credit habere deum pro magno quod sibi magnum est
non vidue pensans illa minuta duo
sic male de venia confidens libenusque
delinquens donis mortem emit ipse suis
935 de quibus est nobis dubium qua mente gerantur
in melius vertit quilibet ista bonus
is quoque qui malus est vult ut bona sint sua cuncta
id minime curans ut sit et ipse bonus
cumque bonam caligam non vitam curet habere
940 quid cui preponat quis dubitare potest?
si quis forte reum credat iurareque cogat
plus reus est illo quem putat esse reum
quod si non talem credit cur cogit ad ista?
nemo igitur quemquam cogere debet ad hec
945 scribere scire stude simul ac dictare labora
is sine secretum nullus habere potest
quod loqueris transit nec plus est labile quicquam
quod vero scribis te pereunte manet
qui pereunt in se vivunt per scripta poete
950 quam natura negat vita per ista manet
per famam vivit defunctus corpore doctus
et plus natura philosophia potest
quique fere nullum viventes nomen habebant
postea de scriptis obtinuere suis
955 pauper erat Socrates rebus nunc nomine dives
rebus scripturas anteferendo manet
sic et Aristotilem cum preceptore Platone
presentes nobis propria scripta tenent
sic reliqui tales verbis aliquando locuti
960 numquam desistunt per sua scripta loqui
scripto se faciet presentem quilibet absens
nemo magis fidus nuncius esse potest
id solum referet quod tu comiseris illi
queque loqui pudeat scribere multa licet
965 solus adorandus deus est cum sola potestas
hec per se tantum sit veneranda suis
dissimulat simulat sapiens pro tempore multa
paucaque vi peragit plurima consilio
in cunctis sapiens tam tempora quam loca pensat
970 et facies multas sumit ut ista decent
vt nichil ad meritum caro sed mens integra confert
sic nichil econtra decidit a merito
magni perducunt ad premia magna labores
gloriaque est casu nulla parata levi
975 qui scribunt libros caveant a iudice multo
cum multus iudex talibus immineat
persuadere bonum stulto non est leve quiddam
solus habet sapiens cedere consilio
quis sapiens quis sit stultus corectio monstrat
980 audit hic hanc nolens suscipit ille volens
quid poterit stulto prodesse pecunia multa
cum minime sensum comparet inde sibi?
ut res de verbis de fictis vera reportet
astutus stultos carmine sepe capit
985 multus vicinus rarus circumstat amicus
quo preciosior est res ea rarior est
iratus numquam presumas cedere quemquam
impedit in cunctis ira tenere modum
distulit insipiens oblatum sumere donum
990 sepius hoc ipsum nemine dante petit
post epulas facilem poteris reperire datorem
tunc pete si qua velis cum dator est ilaris
femineis lacrimis quas mors extorquet amici
non modicus pudor est ora madere viri
995 se consolanti de nati funere quidam
mortalem dixit me genuisse scio
flesse David puerum morientem scimus eoque
defuncto letum se exibuisse suis
a Christo descripta boni perfectio summi
1000 est in personis significata tribus
in patre quippe deo divina potencia nobis
exprimitur de qua dicitur omnipotens
spiritus est sanctus bonitas sapiencia verbum
de patre procedens est hic et hec genita
1005 tres has personas substancia copulat una
trina divisas proprietate sui
cum male cuncta geras si quid volo dicere de te
mentiri cogor ni mala sola loquar
plus quandoque metus quam vivus mortuus affert
1010 plus metuas quem plus posse nocere patet
indignare tibi cum te tua culpa flagellat
non illi qui dat verbera iusta tibi
quos paupertatem vel rerum dampna timentes
converti videas ne tibi spes sit in his
1015 his quoque quos pueros traxit devotio patrum
mirandum est si quid religionis inest
sanguinis eiusdem plures in religionis
conventu noli consociare sibi
in quibus offensis multis cum offenderis unum
1020 adversum multos sit tibi pugna gravis
si prelata viris dominatum femina summat
perverso dicas ordine cuncta geri
ducit in exicium quemcumque remissa potestas
tam sibi quam domui fiet amara sue
1025 si quis opes plus quam mores in coniuge querat
si mecabitur hec non habet unde queri
precipue si possidet has quas querit in illa
et que coniugii causa fuere sui
nobilis et dives mulier confidit in istis
1030 unde tumens semper iurgia crebra movet
multa dat insipiens nec grates inde meretur
multa recepturus pauca dabit sapiens
in dandis sapiens tam tempora quam loca pensat
mensuram pensi non habet insipiens
1035 ignorat trutinam nec libre pondera novit
est ideo donis gracia nulla suis
cui tua post mortem comiseris efficis hostem
fert gravius vite tempora nemo tue
vi sathanas pugnat paciens virtute resistit
1040 vincit hic et palma vincitur ille sua
pauper sufficiens sibi solus dives habetur
non sibi sufficiens dives avarus eget


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